CDU Brandenburg behindert Projekte: Gisela Müller mag nicht mehr
Das Demokratische Jugendforum wehrt sich mit einer Kampagne und der Kunstfigur Gisela Müller gegen CDU-Populismus und konservative Nachstellungen.
Nach Jahrzehnten der Treue zu ihrer Partei, der CDU, gibt die Potsdamer Rentnerin Gisela Müller ihr Parteibuch zurück. Nein, sagt die Konservative, in dieser Partei fühle sie sich nicht mehr zu Hause. Grund für ihren Zorn: "Einige Damen und Herren der CDU machen mit ihrem Populismus unsere Zivilgesellschaft kaputt. Das werde ich mir nicht mehr gefallen lassen", empört sie sich in ihrem ersten Film, den sie mit einer Webcam, einem Geschenk ihrer Enkel, gemacht und auch gleich online gestellt hat - unter www.giselamueller.org).
Gisela Müller gibts im wahren Leben gar nicht. Das Demokratische Jugendforum Brandenburg (DJB) hat sie erfunden: für seine Kampagne "5 Euro für Zivilgesellschaft und gegen CDU-Populismus". Dazu gehört auch ein Kampagnensong, für den Frank Sinatras Evergreen "New York New York" eigens in "Brandenburg Brandenburg" umgeschrieben wurde. Das DJB ist ein kreatives Netzwerk linker Projekte und Jugendinitiativen, der gleichnamige Verein existiert seit Anfang der 90er Jahre.
"Wir beobachten seit längerem, dass die CDU in Brandenburg Anfeindungen gegen unsere Projekte macht", so Kampagnensprecher Christoph Löffler. So würden linke Initiativen als linksextremistisch oder gewaltbereit bezeichnet - und damit in der Öffentlichkeit diskreditiert. Zum Beispiel im September 2010, als die CDU-Landesvorsitzende Saskia Ludwig im Vorfeld einer geplanten Sarrazin-Lesung in Potsdam versuchte, Sarrazin-Kritiker mit den Schlagworten "Linksradikale" in Misskredit zu bringen.
Brisantestes Beispiel sind laut Löffler die Anschuldigungen gegenüber dem Verein Inwole in Potsdam, der südlich des Griebnitzsees ein Mehrgenerationenhaus sowie Werkstätten und ein Wohn- und Projekthaus betreibt. Auf der Internetseite des Vereins erschien Ende 2009 ein Aufruf zum Protest gegen die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Das rief den Brandenburger Verfassungsschutz auf den Plan, der darin einen Aufruf zur Gewalt sah. Der Vize-Landesvorsitzende der CDU, Sven Petke, forderte, die Förderung des Vereins durch das BMFSF zu beenden. Tatsächlich wurde die Zahlung daraufhin für einige Monate eingefroren - bis dem Verein schließlich die Unbedenklichkeit bescheinigt wurde. Jetzt fließen die Gelder wieder. Also Schnee von gestern, könnte man meinen.
Doch Petke legte noch einmal nach. Ende März verfasste er eine kleine Anfrage, in der er den Konflikt um den Verein Inwole, der im DJB vernetzt ist, noch einmal aufrollte - mit den alten Argumenten. Beinahe zeitgleich formulierte der CDU-Landtagsabgeordnete Ingo Senftleben eine zweite kleine Anfrage. Ganz erstaunlich ist seine Feststellung, das Demokratische Jugendforum werde vom Verfassungsschutz beobachtet. Gisela-Müller-Kampagnensprecher Christoph Löffler, der auch Vereinsvorstand im DJB ist: "Ohne sich mit uns in Kontakt zu setzen, setzt er diese Lüge in die Welt - und stellt uns als schlechte Menschen dar."
Senftleben wiederum beteuert, er beziehe sich mit seiner Aussage ausschließlich auf einen Pressetext im Neuen Deutschland. Darin taucht der Brandenburger Verfassungsschutz aber nur im Zusammenhang mit dem Inwole-Konflikt Ende 2009 auf. Das DJB wird mit keinen Wort erwähnt - und ist nun an die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags mit der Bitte herangetreten, den Sachverhalt aufzuklären.
Im Rahmen seiner Kampagne hat das Jugendforum übrigens eine Broschüre an die brandenburgischen Kreisverbände verschickt. Sie landete auch auf dem Schreibtisch von CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski. Der blätterte in dem Heft und entdeckte seinen Namen in Zusammenhang mit einem fraktionsinternen Streit vor zehn Jahren, bei dem die Zukunft von 400 AsylbewerberInnen auf dem Spiel stand. "Ginge es nach Petke, Schönbohm und Dombrowski, sollten diese abgeschoben werden", heißt es in der Broschüre. Als Einziger seiner Partei griff Dombrowski zur Feder und schrieb an Gisela Müller. "Ich wurde in diesem Zusammenhang als harter Hund ausgemacht, doch genau das Gegenteil ist der Fall", so Dombrowski gegenüber der taz. So habe er zum Beispiel im Fall einer Familie aus Rathenow eine Härtefallregelung gegen das Votum des damaligen CDU-Innenministers Schönbohm durchgesetzt.
Der Generalsekretär wertet die Kampagne indes als Beitrag zur politischen Streitkultur und findet sie "ganz humorvoll". Spenden werde er "natürlich nicht". An sieben Initiativen wird das DJB die Spendengelder verteilen, zum Beispiel für das Projekt "Internetcafés in Flüchtlingsheimen". Ob die Projekte angemessen unterstützt werden können, hängt also entscheidend von der Anzahl der SpenderInnen ab. Ende Mai wird das Geld bei einer Spendengala überreicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid