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taz FUTURZWEI

Buschmanns neues Unterhaltsrecht Die Mütterfeindlichkeit der FDP

Mit seinem Plan, die Unterhaltszahlungen von miterziehenden Vätern zu kürzen, würde FDP-Minister Buschmann Mütter weiter schwächen und Trennungskinder zusätzlich belasten. Ein Gegenvorschlag.

Die FDP will Care-Arbeit von Müttern weiter entwerten Foto: picture alliance / dpa

taz FUTURZWEI | Immer mehr Ehepaare lassen sich scheiden. Es gibt in der Bundesrepublik zwei Millionen Kinder getrenntlebender Eltern und mit jedem Jahr werden es mehr. Die Mehrheit der Trennungskinder lebt bei ihren Müttern, die Väter zahlen Unterhalt. In vielen Fällen gilt für die Kinder auch das Wechselmodell. Über die genaue Ausgestaltung dieses Wechselns zwischen Mutter und Vater entscheiden die Familiengerichte, weil die Eltern sich nur selten über das Wie des Hin und Her einigen können. Schon sechs Jahre alte Kinder müssen allein vor dem Familienrichter antreten und erklären, bei wem sie wie lange leben wollen. Auf den Unterhalt der Väter hat die Ausgestaltung des Wechselmodells keinen Einfluss, auch wenn der Vater bis zu 49 Prozent der Erziehungsarbeit übernimmt.

Die sich finanziell benachteiligt fühlenden Väter und ihre Lobby haben es bis in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschafft. Justizminister Buschmann (FDP) will die „ungerechte“ Verteilung des Unterhaltes für die Kinder zulasten der Väter reduzieren. In Zukunft sollen die Männer ihren tatsächlichen Aufwand für ihre Kinder im Wechselmodell vom Unterhalt abziehen dürfen. Die in vielen Fällen alleinerziehenden Frauen müssen sich darauf einstellen, mit weniger Unterhalt auszukommen.

Dieses politische Vorgehen ist von der Idee bestimmt, dass Mütter und Väter die Lasten des Aufziehens der Kinder am besten hälftig tragen sollten. Die Mütter, die im geltenden Unterhaltsrecht bisher bevorzugt würden, verhinderten aber eine Gleichstellung, heißt es bei der FDP. Vor allem alleinerziehende Frauen, sagte Finanzminister Lindner kürzlich, missbrauchten den Unterhalt für ihre Kindern, damit sie selbst nicht arbeiten müssten.

Die Fakten erzählen eine andere Geschichte. Care-Arbeit für Familien und Kinder ist heute, wie schon immer, Frauensache. Laut Väter-Report des Bundesfamilienministeriums 2023 hält weit mehr als die Hälfte aller Väter weiter an der traditionellen Aufgabenverteilung fest – Väter arbeiten, Frauen führen den Haushalt, erziehen die Kinder und gehen noch zusätzlich arbeiten. Nur 10 Prozent aller befragten Frauen gab an, dass die Väter die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Das Statistische Bundesamt hat in diesem Jahr erhoben, dass 67,5 Prozent der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit beschäftigt sind, bei den Vätern sind es nur 7,7 Prozent. Eine 34jährige Mutter verbringt durchschnittlich fast neun Stunden am Tag mit unbezahlter Care-Arbeit, der gleichaltrige Mann nur drei Stunden am Tag.

taz FUTURZWEI N°26

Die Welt muss wieder schön werden

Wer Ernst machen will, muss verstehen, warum wir nicht gegen die Klimakrise handeln, obwohl wir alles wissen: Ohne Kulturwandel kein Weltretten.

Wir machen Ernst III, Schwerpunkt: Kultur

Mit Annahita Esmailzadeh, Arno Frank, Esra Küçük, Ricarda Lang, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Luisa Neubauer, Robert Pfaller, Eva von Redecker, Claudia Roth, Ramin Seyed-Emami und Harald Welzer.

taz FUTURZWEI N°26 hier bestellen

Die Rolle der Mütter wird weiter geschwächt

Die Gleichberechtigung im öffentlichen Leben und in der Arbeitswelt hat für alle Frauen Fortschritte gebracht. Es gibt fast keinen Beruf und keine Führungsposition mehr, die für Frauen verschlossen wäre, auch wenn sie außerhalb der öffentlichen Dienste noch immer schlechter entlohnt werden als Männer. Doch an der entstandenen Doppelbelastung durch Arbeitsleben plus Care-Arbeit in den Familien und bei der Kinderziehung hat sich nichts geändert.

Das geltende Unterhaltsrecht gibt den Frauen, die mit den Trennungskindern leben, ein Minimum an materieller Sicherheit, selbst zu entscheiden, wie sie sich in den Arbeitsmarkt einbringen wollen. Es erleichtert ihnen das schwierige Alltagsleben. Die von Minister Buschmann vorgeschlagene Unterhaltskürzung für die Mütter ist frauen- und mütterfeindlich.

Übrigens hat der Bund im Jahr 2021 2,5 Milliarden Euro Unterhaltsvorschuss für mehr als achthunderttausend Kinder gezahlt, weil deren Väter ihren Unterhalt nicht zahlen. Die Behörden haben von den Verweigerern lediglich 40,8 Millionen Euro wieder eingetrieben, das sind etwa 1,6 Prozent der Gesamtsumme. Es versteht sich, dass der Unterhaltsvorschuss niedriger ist als der Betrag, den die Väter nach der Düsseldorfer Tabelle tatsächlich zu zahlen hätten.

Die in den letzten Jahren durchgesetzte Schwächung der Rolle der Mütter im Sorgerecht, im Aufenthaltsbestimmungsrecht, im Familienrecht insgesamt, wird mit dieser Unterhaltsrechtsreform fortgesetzt. Der Einfluss der Väter und der Familiengerichte wird zu Lasten der Frauen und der Trennungskinder weiter ausgebaut.

Kinder brauchen Stabilität

Das Wohlergehen der Kinder spielt weder in den diskutierten symmetrischen noch in den asymmetrischen Betreuungsmodellen eine Rolle. Kinder brauchen für ihr gedeihliches Erwachsenwerden sich liebende Väter und Mütter. Wenn sie die nicht haben können, was passieren kann und passiert, dann brauchen sie stabile Strukturen und Orte, die sie stärken und schützen. Die finden sie in aller Regel bei den Müttern, in Einzelfällen auch bei den Vätern. Es ist in jeder Hinsicht zu begrüßen, dass Väter sich freiwillig an der Erziehung der Trennungskinder beteiligen. Aber es ist kein Grund, mit einem verringerten Unterhalt die Stabilität der Erziehungsarbeit der Mütter zu gefährden.

Es kann doch nicht Aufgabe der Frauenpolitik dieser selbsterklärten „Fortschritts“-Bundesregierung sein, die Rolle der Mütter in der Gesellschaft im monetären Gezerre der Männer um die Höhe des Unterhalts im geplanten neuen Unterhaltsrecht weiter zu schwächen. Das Ziel muss sein, die Erziehungsarbeit aufzuwerten, die die Frauen mit den Trennungskindern für die ganze Gesellschaft leisten.

Alle Frauen erhalten heute für ihre Kinder, die nach 1992 geboren sind, für drei Jahre je einen vollen Rentenpunkt in Höhe von 34 Euro, also insgesamt 102 Euro Rente zusätzlich zu ihrer selbst erarbeiteten Rente. Aber der Verlust an Rente, der durch die Einschränkungen aufgrund von Kindererziehung entsteht, kann damit nicht ausgeglichen werden.

Frauen könnten aber doch zum Beispiel pro Kind einen verbindlichen Anspruch auf eine Zusatzrente in Höhe von 500 Euro erwerben, die degressiv bei mehreren Kindern bis zu maximal 1.000 Euro wächst. Die Kosten dieser Zusatzrente für Frauen mit Kindern für die Rentenversicherung könnten mit einer Erhöhung der Rentenbeiträge für alle finanziert werden. Unabhängig vom Verhalten der Väter und deren Beteiligung an der Kinderbetreuung könnte so für alle Frauen und ihre Kinder Alltags- und Zukunftssicherheit geschaffen werden. Realistisch gesehen wird sich für Frauen mit Kindern an der Doppelbelastung aus Kindererziehung und Arbeitsleben bis auf weiteres wenig ändern. Doch mit dieser finanziellen und gesellschaftlich anerkannten Grundlage können sie diese Belastung immerhin besser bewältigen.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.