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Busche sagt Baden bye-bye

Der Chefredakteur der „Badischen Zeitung“ verlässt zum Jahresende sein Blatt – mit ihm müssen 55 Mitarbeiter gehen, und zwei Lokalredaktionen werden geschlossen. „Massive Einbrüche“ im Anzeigengeschäft machen die Kündigungen notwendig

von WOLFGANG MESSNER

Jürgen Busche soll auf Reisen sein. Jedenfalls war der Chefredakteur am Mittwochnachmittag bei der Betriebsversammlung seiner Badischen Zeitung nicht zugegen. Und auch sonst für niemanden zu sprechen.

Bei der Versammlung in der BZ-Kantine jedoch ging es um ein sehr ernstes Thema. 55 Stellen, erfuhren die 300 Anwesenden von ihren Verlegern Christian Hodeige und Wolfgang Poppen soll die bundesweit angesehene Regionalzeitung mit Sitz in Freiburg abbauen – davon alleine 35 von insgesamt 160 Stellen im Bereich der Redaktion. Die beiden Lokalredaktionen in Offenburg und Furtwangen werden geschlossen.

Mit diesen „schmerzlichen Entscheidungen“ reagiert das Blatt auf Verluste im Anzeigenbereich im zweistelligen Millionenbereich sowie auf bedrohlich sinkende Verkaufszahlen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September habe sich die „ohnehin schon schwierige Lage“ nochmals verschlechtert, teilte die Verlagsleitung anschließend mit.

Busche jedoch brauchte derlei Unangenehmes seiner Redaktion nicht mehr beizubiegen und sich selbst der „miesen Stimmung“ (ein Teilnehmer) aussetzen. Denn der versierte Journalist mit starkem wertkonservativem Einschlag, einst lange bei der FAZ, später dann bei der Süddeutschen Zeitung Leiter der Innenpolitik und schließlich Chefredakteur der Wochenpost, räumt zum 31. Dezember praktischerweise selbst seinen Schreibtisch. Den Abgang des arbeitswütigen, zuweilen auch cholerischen 57-Jährigen bedauern die Verleger „außerordentlich“. Dass man dieser üblichen Floskel ausnahmsweise einmal Glauben schenken kann, ist stark anzunehmen, denn Busche bleibt der Regionalzeitung als Autor und Kommentator erhalten. Um den ehemaligen Chefredakteur, der dem „Literarischen Quartett“ als Gründungsmitglied angehörte und der unter anderem auch ein Buch über Helmut Kohl geschrieben hat, muss man sich also keine Sorgen machen. Der Althistoriker ist mit glänzenden Branchen-Kontakten ausgestattet und wird sogar als heißer Kandidat für den Posten des Kultursenators in Hamburg gehandelt.

Die Zukunft der Badischen Zeitung, die sich selbst gerne als etwas Besonderes betrachtete, ist hingegen unsicher. In der bundesweiten Anerkennung, die insbesondere dem Mantel zuteil wurde, aalte man sich gerne. Doch die Lage hat sich verdüstert. Längst ist die Badische nicht mehr von der Sonne verwöhnt. Bereits der Vorgänger Busches, Peter Christ, hatte der Zeitung im Verlegerauftrag ein rigides Sparkonzept verordnet und für viel Wirbel gesorgt. Etwa 20 Stellen wurden in der Redaktion gestrichen. Christ, der 1995 auf den langjährigen wie legendären BZ-Chefredakteur Ansgar Fürst gefolgt war, konnte sich nur zwei Jahre halten. Dann kam Busche und mit der Zeitung zum Sonntag (ZuS) eine mit zahlreichen abtrünnigen BZ-Journalisten besetzte ernst zu nehmende Konkurrenz in Freiburg.

Zur Abwehr musste die BZ tief in die Tasche greifen. Statt zu sparen, durfte Busche Geld ausgeben. „30 bis 40 neue Leute“, bilanzierte Verleger Poppen neulich gegenüber der Basler Zeitung, seien es „alles in allem“ gewesen. Zudem hatte der Anzeigenmarkt in den vergangenen zwei Jahren aufgrund des Hypes in der Telekommunikation und der IT-Branche einen widernatürlichen Boom erlebt, an deren Fortdauer die Verleger wohl nur zu gerne glaubten und entsprechend kalkulierten. Inhaltlich baute Busche die Ressorts aus, die ihm persönlich am Herzen liegen. Die Kultur bekam ein eigenes, umfangreiches Buch. Auch dem Sport und der Politik räumte er mehr Platz ein. Weniger Beachtung schenkte er dem Landes- und Regionalteil sowie der Wirtschaft. Für das Lokale interessierte er sich ohnehin nicht.

Seit sich in diesem Jahr die Konjunktur in Richtung Rezession bewegt, spart die BZ wieder. Zunächst wurde Land/Region und das Ausland auf eine Seite runtergefahren. Nach dem Ende der konkurrierenden ZuS mussten auch der Sport und die Kultur Einschnitte hinnehmen. Mehr noch als andere Zeitungen leidet die BZ unter den sinkenden Einnahmen. Anfang des Jahres, so Verleger Poppen, seien die Erlöse noch gut gewesen. Dann aber habe es „massive Einbrüche“ gegeben. Dazu kommen um 25 Prozent gestiegene Papierpreise und stetig sinkende Auflagenzahlen. Im dritten Quartal 2001 kauften noch 160.748 Leser die BZ, 1998 waren es noch 171.400 gewesen. „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“, sagt ein führender Mitarbeiter.

Mit dem Sparkurs und dem neuen Chefredakteur Thomas Hauser, bisher Busches Stellvertreter, soll die „publizistische Kontinuität“ und „inhaltliche Qualität“ gewahrt bleiben. Der 47-Jährige, der zuvor 15 Jahre Wirtschaftsredakteur des Blattes war, will denn auch wieder mehr Wert auf das Lokale und Regionale legen. Außerdem hat Hauser vor, Ressortstrukturen zu ändern. Statt eines Stellvertreters werden leitende Redakteure berufen. Die BZ, so Chefredakteur Hauser, müsse sich wieder mehr als Regionalzeitung begreifen. Wenn es für das Blatt eine bundesweite Beachtung gebe, sei dies schön. Mehr aber auch nicht.

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