: Burglesum will grünen Weidedamm nicht
■ Turbulente Beiratssitzung lehnt Umzug ab / Nur Grüne zeigen überhaupt Gesprächsbereitschaft
„Jetzt mal im Ernst: Was müssen Sie denn hergeben? Nichts! Sie müssen sich nur mit ein paar ungewöhnlichen Nachbarn arrangieren, das ist alles.“ Für einen kurzen Moment herrschte Stille im Saal, für einen kurzen Moment hatte Umweltsenator Ralf Fücks ein Löchlein in die Mauer der Ablehnung gebohrt, gegen die er lange erfolglos angeredet hatte. Doch die Öffnung schloß sich ganz schnell wieder. „Traumtänzer“, schallte es ihm aus der SPD entgegen. Dröhnende Zustimmung im Saal.
Das war eindeutig ein Auswärtsspiel für den Umweltsenator. Die Ansiedlung des Öko-Wohnprojekts vom Grünen Weidedamm e.V. auf einem ungenutzten Friedhofsgelände stand am Dienstag abend beim Beirat Burglesum auf der Tagesordnung. Im kleinen Saal des Polizeireviers: knapp hundert Nordbremer BürgerInnen – und die Objekte der Ablehnung, Mitglieder des Vereins Grüner Weidedamm. „Wir sind die, die Sie nicht haben wollen, ohne je mit uns geredet zu haben“, sagte Initiativensprecher Klaus Möhle. In der Tat: Kaum hatte Möhle das Wort ergriffen stand auch schon der Beiratssprecher und CDU-Aktivist Ulrich Redecker auf. „Das muß ich mir nicht anhören“ – und verließ den Saal.
Fücks war da, um sich das Votum des Beirates zu holen. Das Fahrgeld hätte er sparen können. Eine ganz große Koalition aus SPD, CDU, FDP und DVU hatte sich längst festgelegt. Seitdem Ende November die Pläne aus dem Umweltressort durchgesickert waren, den Weidedamm-Verein an der Lesum anzusiedeln, war beim Beirat sein Votum sonnenklar: Die wollen wir nicht. Die Begründungen unterschieden sich nur in Nuancen. Ein großer Konsens: Sauerei, daß Fücks den Beirat so spät informiert habe, Sauerei, daß der ohnehin so sehr mit „Randgruppen belastete“ Stadtteil Burglesum schon wieder ausgeguckt worden sei, Sauerei, da würde ein „Rechtsbruch“, nämlich die Besetzung eines Geländes, im Nachhinein legalisiert. Da könne ja jeder kommen. Man habe nun über Jahre hinweg wirklich viel Toleranz bewiesen, aber nun sei genug. Donnernder Applaus.
„Mit den Leuten vom Verein Grüner Weidedamm haben wir immer gut reden können“, sagte der Findorffer Polizeirevierleiter Kittel. Das seien ganz und gar keine Chaoten oder Problemfälle aus dem Parzellengebiet. Doch das konnte nur hören, wer es hören wollte. Die Beiräte jedenfalls definitiv nicht. Und in dieser Stimmung konnten dann Sätze abgeschossen werden wie Granaten: „Sie säen nicht, sie ernten nicht, und der Herr Senator ernährt sie doch.“ So meinte der CDU-Mann Redecker die Weidedämmler charakterisieren zu können. „Da herrscht doch nur die Gewalt“, wußte der FDP-Beirat Voller von den Zuständen im Parzellengebiet am Weidedamm. Und ein SPD-Beirat rief in den Saal, „daß da doch ein Zigeunerlage entstehen“ würde – ohne daß der Ortsamtsleiter auch nur einmal gerügt habe. Allein der Grünen-Beirat Schmidtmann regte sich auf: „Zuerst zum Mahnmal gehen und dann von Zigeunerlagern reden.“ Die Grünen waren ohnehin die einzigen, die den Fücks-Plänen aufgeschlossen gegenüberstanden.
Klaus Möhle war einigermaßen erschüttert: „Sie verkünden hier Toleranz, zeigen aber null Gesprächsbereitschaft.“ Er habe sehr schnell nach den ersten Presseberichten Interesse am Dialog signalisiert – ohne Erfolg, die Beiratsfraktionen wollten nicht, basta. Und am Montag traf sich die Bürgerinitiative der Dunger Siedlung, gut 250 Meter entfernt vom anvisierten Gelände, auch ganz ohne ein Wort aus dem Weidedamm. Resultat: einstimmig dagegen.
Trotz alledem: Was der Beirat nicht schaffte, das schaffte ein Teil der AnwohnerInnen, die hinten im Saal saßen. Nachdem der erste Dampf draußen war. „Die Gesprächsbereitschaft besteht beim Beirat nicht“, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative ,Rettet das Werderland', „aber bei den Bürgern besteht sie.“ Und während die Beiratsfraktionen von SPD, CDU und FDP an einem gemeinsamen Antrag gegen die Planungen bastelten, verabredeten AnwohnerInnen und die WeidedämmlerInnen eine Versammlung am kommenden Donnerstag – zum Kennenlernen. Am Dienstag darauf entscheidet der Senat. Jochen Grabler
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