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Bundesweiter FeldversuchRiesenlaster auf dem Weg

Bundesregierung plant Feldversuch mit überlangen und überschweren Lkw. Bei ihrer Zulassung drohen: kaputte Straßen, mehr Unfälle und weniger Schienentransporte.

Die Bundesregierung will jetzt die Gigaliner bundesweit in einem Feldversuch testen lassen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung plant einen deutschlandweiten Feldversuch mit überlangen und überschweren Lkw, den sogenannten Gigalinern. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Verkehrsexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, hervor.

Die Bundesregierung will noch in diesem Frühjahr eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen, die den Feldversuch konzipiert. Dieser soll bis Ende 2012 laufen - und möglicherweise den Weg zur bundesweiten Zulassung dieser Fahrzeuge ebnen. Bislang gab es lediglich Feldversuche auf Länderebene.

Derzeit gilt für Laster eine Maximallänge von 18,75 Meter und ein Höchstgewicht von 40 Tonnen. Die neuen Riesenlaster sollen 25,25 Meter lang sein; ihr zulässiges Höchstgewicht soll unter 60 Tonnen liegen, realistisch scheinen zunächst 40 bis 50 Tonnen zu sein. Die Bundesregierung erklärt: "Mit dem bundesweiten Feldversuch sollen Chancen und Risiken für eine maßvolle Erhöhung der Lkw-Fahrzeuggrößen und -gewichte evaluiert werden." Die Einführung von 60-Tonnern, die schon versuchweise über deutsche Straßen rollten, schließt sie dabei aus.

Für diese hatten sich das Speditionsgewerbe und die Herstellerindustrie stark gemacht. Hauptproblem bei den 60-Tonnern ist ihrer ungeheure Masse. Zum Vergleich: Eine voll besetztes und voll betanktes Verkehrsflugzeug vom Typ Boeing 737-300 hat ein maximales Startgewicht von knapp 58 Tonnen. Da viele Straßen und Brücken für eine derartige Dauerbelastung nicht ausgelegt sind, dürften bei einer Zulassung solcher überschweren Fahrzeuge enorme Kosten für eine Verstärkung der Fahrbahnen entstehen.

Gefahren gibt es aber auch, wenn die neuen Laster nur länger, aber nicht schwerer als die bisherigen sind. Bei Spurwechseln und Kurvenfahrten scheren sie weiter aus. Dies würde die Unfallgefahr erhöhen - vor allem in Städten und Dörfern mit viel Fahrradverkehr, wo die Gigaliner bei einer allgemeinen Zulassung auch fahren dürften. Wichtigstes Argument gegen Riesenlaster aber ist: Ihre Einführung würde Transporte auf der Straße noch attraktiver machen - und so dem Schienenverkehr schaden. "Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einsatz von Gigalinern zu einer Transportverlagerung von der Schiene auf die Straße führen würde", kritisiert der SPD-Verkehrsexperte Beckmeyer. "Eine solche Entwicklung widerspräche jeglicher verkehrs- und klimapolitischer Vernunft."

Scharfe Kritik kommt auch von der "Allianz pro Schiene", einer Lobbyorganisation für den Eisenbahnverkehr. "Die Bundesregierung hat nicht mehr zu bieten als die These, dass in die knapp sieben Meter längeren Gigaliner mehr Güter passen und deswegen hoffentlich weniger Lkw fahren werden", so Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege. "Das ist reine Theorie." In der Praxis werde der Lkw-Verkehr durch den zusätzlichen Laderaum 25 Prozent billiger. "Das heißt, es gibt noch mehr Kostenanreize zur Lagerhaltung auf der Autobahn und zur Transportverlagerung von Binnenschiffen und Güterbahnen auf den Lkw."

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13 Kommentare

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  • V
    Vorsteveld

    Mehr info über das Lenkverhalten kann Mann sehen beim Youtube. Suche Broshuis und LZV (Lang Schwer Verkehr, auf höllandisch. Da laufen diese Kombi's schon Jahren

  • W
    Wikipedia

    Der Artikel ist schlecht recherchiert. Ein Blick in die Wikipedia ist für den sachlichen Hintergrund erheblich erhellender. Und einige Kommentare hier geradzu lachhaft einfältig. Schade.

     

    @Karl: Deine Antwort bedeutet offensichtlich keinen Widerspruch zu Mathias' Aussage, dass 44-Tonner schon alltäglich unterwegs sind, egal, ob die Fahrbahnen dafür ausgelegt sind oder nicht. Das mag Unfug sein, Mathias Feststellung der Realität aber nicht. Im übrigen ist dessen Hinweis auf die Verteilung des Mehrgewichts auf mehr Achsen resp. gleichbleibende oder gar verminderte Achslast, die allein den Fahrbahnverschleiß verursacht, eigentlich für jeden nachvollziehbar.

     

    Und was die Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit betrifft: Ich als radfahrender Steuerzahler ohne Auto blute ohnehin für die Straßenerhaltungskosten. Womöglich auch für die, die du und einige andere der fleißigen Kommentatoren hier mit ihrem eigenen PKW verursachsen ... -

     

    Danke auch.

  • HH
    Hans Hirschel

    @ Norbert Freitag

    "Dass viele Politiker inzwischen den Bezug zur Realität bzw. zum realen Leben verloren haben..."

     

    Nunja, die schöne Aussicht auf Parteispenden durch Straßenbauunternehmen und deren Zulieferer ist doch ein Bezug zum realen Leben. Zum realkapitalistischen Leben halt. Haben wir ein anderes?

     

    Der Guido mobile Weg in die Klimakathastrophe verursacht ja nicht nur Kosten sondern verbessert das Investitutionsklima für die Straßenbau-Industrie und sichert entsprechende (Lohn-)Abhängigkeitsverhältnisse und in der Folge auch Wahlergebnisse. Ach und weil Straßen reparieren aus Steuern finanziert werden muss kriegen der Herr Baring und seine INSM auch noch Stoff zum Wettern gegen "die Staatsquote".

     

    Alles super also! Oder?

     

    Gruß hh

  • MM
    @ Mathias

    In keinem Land Europas gibt es ein

    Straßennetz, das für diese Monster-

    trucks Platz böte.

    Gigaliner eignen sich bestenfalls für

    die Route 66 und die Weiten Sibiriens.

  • K
    Karl

    @ Mathias

    " Es ist zwar nicht die Regel, aber es fahren bereits 44-Tonner über die alltäglichen Straßen. Und keiner merkt davon etwas."

     

    Das ist völliger Unfug! Denn der Unterbau der allermeisten Straßen in D ist dafür nicht ausgelegt, Fahrbahndecke ebensowenig! Nur eine paar ehemalige "Nachschubachsen" aus dem kalten Krieg sind bis MLC 60 ausgelegt.....

    Die von Ihnen propagierte Nutzung überträgt die Schadensreperatur auf die Allgemeinheit, danke auch.

     

    Glück auf.

     

    Karl

  • NF
    Norbert Freitag

    Das viele Politiker inzwischen den Bezug zur Realität bzw. zum realen Leben verloren haben und in einer für Normalbürger unverstänlichen Scheinwelt leben und entscheiden ist für mich leider eine Tatsache.

    Auch Bestechlichkeit und "erfolgreiche" Lobbyarbeit (im negativen Sinn) bestimmen immer mehr die Entscheidungen.

    So wohl auch bei der immer neu diskutierten Einführung der "Monster-LKW's", anders sind diese Pläne im Blick auf die Gefahren, die von diesen Fahrzeugen ausgehen, für mich nicht verständlich.

  • R
    Rinsen

    Weshalb wird da diskutiert und Zeit verschwendet?

    Wir regeln das einfach so, wie es immer geregelt wird.

     

    Die Entscheidung, ob nun Schiene oder LKW, muss davon abhängig gemacht werden, welcher Lobbyverband mehr an Spenden an die jeweilig verantwortliche Partei zu zahlen bereit ist.

    Zuschlag erhält der Höchstbietende.

    Und fertig.

    Mühe gespart.

  • P
    Peter

    Da kann man doch allenfalls noch mit Peter Harry Carstensen (der sich zu diesem Thema vermutlich nicht so äußern würde) aufstöhnen: Die haben sie doch nicht alle.

    Wenn ich mich recht erinnere, ist das "Gigaliner"-Experiment schon mal vom überaus sympathischen Niedersachsen-Ex-Verkehrsminister Hirche (FDP) gepuscht worden und zum Glück gescheitert. Wer hat denn jetzt wem wieviel gespendet, damit Herr Ramsauer (CSU) diese kostspielige Idiotie wieder aufgreift?

  • SS
    Susi Sorglos

    Da müssen wohl wieder einmal die Versprechen gegüber Parteisperndern erfüllt werden...

  • BD
    bist Deppert

    Da das ist doch mal wieder ein sehr informativer und sachlicher Artikel in der taz.

    Außer dass mit Superlativen und einem fragwürdigen Vergleich zu einem Verkehrsflugzeug aufgefahren wird scheint dieser Artikel wenig zu einer sachlichen Diskussion beitragen zu wollen.

    Erstens verteilt sich das Mehrgewicht über eine größere Fahrzeuglänge und über mehr Achsen, somit stellt sich die Frage woher diie Mehrbelastung für die Straßen kommen soll?

    Zweitens fahren diese Dinger bereits in Skandinavien durch die gegend, soweit ich weiß gibt es da auch Städte, Fahrradfahrer und Unfallzahlen - man hätte vielleicht ein paar Fakten recherchieren können?

    Und drittens die Transporte werden günstiger und die unternehmen stecken sich den Rest in die Taschen - böser Kapitalismus!

    Hier wird mal wieder ein bisschen an der Angstschraube gedreht anstatt zu recherchieren!

    Dafür gibt es andere Zeitungen!

  • E
    Eurocent0

    Und wer hat dafür an die entsprechende Partei gespendet ?

  • JG
    Jacques Guddebour

    A priori stimme ich dem ja zu, dass diese Verbilligung des Strassentransportes zu Ungunsten der Schiene ausfällt. Allerdings sieht die Realität so aus, dass ein Schienentransport innerhalb Europas für Palettenware zu einigermassen garantierten Transportzeiten nicht existiert. Ja - wer Bulk-Güter hat, täglich x Tonnen Kohle auf der gleichen Route bewegt und auf Monate im Voraus planen kann, der nimmt den Zug. Wer aber mit einigen Tagen Vorlaufzeit palettenweise Produkt innerhalb Europa bewegen will, und wessen Kunden eine mehr oder wenige definierte Ankunftszeit erwarten (wir reden von Tagen, nicht von Stunden), der hat keine andere Wahl als den LKW. Schade, aber es ist so.

  • M
    Mathias

    Schade, dass der Artikel so festegefahren formuliert.

    Die Hauptgründe, die für den Gigaliner sprechen, liegen im Sammelgutverkehr: Also eine bunte Mischung aller möglichen Güter und Waren, auf Paletten gestapelt von einem Logistikzentrum ins andere zu fahren um sie dort auf Nahverkehrs-LKW umzuschlagen. Bislang läuft dieser Verkehr über 40-Tonner, die aber aufgrund des Mixes der Güter selten über 12 Tonnen Ladung haben und somit zwar voluminös aber nicht massemäßig ausgelastet fahren.

     

    Meiner Meinung nach sollte man über folgende "Fakten" nochmal nachdenken:

     

    1. "Dies würde die Unfallgefahr erhöhen - vor allem in Städten und Dörfern mit viel Fahrradverkehr, wo die Gigaliner bei einer allgemeinen Zulassung auch fahren dürften." - Kein Mensch will mit einem Gigaliner in eine Stadt, geschweige denn in Dörfern verkehren. Die Logistiktzentren liegen zu einem Großteil an Autobahnen oder zumindest ausgebauten Landstraßen. Nix mit Fahrradfahrern. Um Kreisverkehre oder normale Kreuzungen kommt dieser LKW eh nicht rum.

     

    2. "Für diese hatten sich das Speditionsgewerbe und die Herstellerindustrie stark gemacht." - Jein. Für den Gigaliner ja, aber 40 Tonnen reichen. So fahren die LKWs im Sammelgutverkehr endlich voluminös und massemäßig ausgelastet.

     

    3. "Ihre Einführung würde Transporte auf der Straße noch attraktiver machen - und so dem Schienenverkehr schaden." - Wieder Jein. Die Bahn hat sich aus gutem Grund vor Jahren aus dem Sammelgutverkehr zurückgezogen - zu ineffizient. Zwar könnte man darüber nachdenken, zwischen den Logistikzentren mit der Bahn zu verkehren, aber bis die dafür nötige Infrastruktur steht, dürften noch Jahre ins Land gehen.

     

    4. ""Eine solche Entwicklung widerspräche jeglicher verkehrs- und klimapolitischer Vernunft." - Wieder ein klares Jein. Jeder LKW, der heute verkehrt, ist ausreichend motorisiert, einen zweiten Anhänger zu ziehen (letztlich ist der Gigaliner nichts anderes als ein Sattelzug mit Anhänger). Bei erheblicher Erhöhung der Transportleistung steigt der Kraftstoffausstoß unterproportional. Zwei Gigaliner ersetzen drei LKW - nicht nur vom Raumangebot, sondern auch vom Schadstoffausstoß her.

     

     

    Ich bin kein Lobbyist, arbeite selber für eine Eisenbahn im Güterverkehr. Klar haben Gigaliner Vor- und Nachteile. Der Artikel aber verbreitet nur Angst und darf sich in keinem Fall differenziert nennen.

     

    Übrigens wird auch der Kombinierte Verkehr (also Straße-Schiene-Straße) günstiger, wenn ein LKW 3 Container bzw. Wechselbrücken laden kann. Und: Es ist zwar nicht die Regel, aber es fahren bereits 44-Tonner über die alltäglichen Straßen. Und keiner merkt davon etwas.

     

    Kurzum: Gigaliner ja, allerdings auch Begrenzt auf 40 Tonnen (oder vielleicht 44, um das zusätzliche Totgewicht des Anhängers zu berücksichtigen). Allerdings für den Sammelgut- oder Kombinierten Verkehr - denn dort machen sie Sinn. Die Rahmen stellt letztlich ja der Gesetzgeber.