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Bundeswehr plant Einsatz „out of area“

Bundesregierung will eine schnelle Eingreiftruppe für multinationale Einsätze von UNO und Nato/ Stoltenberg will Bundeswehr „sozialverträglich“ umstrukturieren und 1.000 Militärstandorte schließen  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Das Verteidigungsministerium legt der Planung für die künftige Struktur der Bundeswehr zugrunde, daß deutsche Soldaten künftig bei regionalen Konflikten in Europa, innerhalb von „multinationalen Einsätzen“ der Nato sowie Militär-Aktionen unter UNO-Oberbefehl eingesetzt werden. Für solche Einsätze werden nach den Worten von Verteidigungsminister Stoltenberg (CDU) „schnell verfügbare Kräfte benötigt“.

Des weiteren will die Bundesregierung einen „deutschen Beitrag zu multinationalen Einsätzen“ der Nato „ausweiten und verstärken“. Die Bundesrepublik müsse „darauf vorbereitet sein, daß wir uns gegebenenfalls in stärkerem Maße als heute kurzfristig an solchen Aktionen beteiligen können“. Einer Einsatzentscheidung müsse aber die politische Abstimmung in der Nato vorangehen. Unbeantwortet ließ Stoltenberg die Frage, ob dies auch Einsätze außerhalb des derzeitigen Nato-Auftragsgebiets einschließe, beispielsweise am Persischen Golf. Bemerkenswert ist, daß Stoltenberg eine Verfassungsänderung ausdrücklich nur für den Fall eines UNO-Einsatzes für notwendig hält. Diese Grundgesetzänderung erwartet er für Anfang 1991. Aus dem Verteidigungsministerium wurde dazu die Überzeugung vertreten, für einen Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des geltenden Nato-Bereichs sei keine Grundgesetzänderung notwendig, sondern nur eine Veränderung des Nato-Vertrags und die Neu- Definition des Einsatzgebietes. Daran werde aber nicht gedacht. Eine Änderung des Nato-Vertrages sei „völlig hypothetisch“, heißt es dazu auch beim Auswärtigen Amt.

Das Verteidigungsministerium will gleichzeitig mit der vereinbarten Reduzierung von Bundeswehr und ehemaliger Volksarmme von derzeit 525.000 Mann auf 370.000 Soldaten (1994) auch die Struktur der Streitkräfte verändern. So sei wegen der auf mehrere Monate gestiegenen Vorwarnzeiten durch den Zusammenbruch des Warschauer Pakters nur eine geringere Einsatzbereitsschaft nötig, die im Krisenfall durch Reservisten aufgestockt werde. Stoltenberg nannte die Umstrukturierung die „größte organisatiorische Aufgabe seit den Aufbaujahren der Bundeswehr“. Geplant ist die Schließung von rund 1.000 militärischen Standorten, die Reduzierung der Luftverteidigungsverbände und eine von 180 auf 90 halbierte Zahl von Kriegsschiffen. Der Abbau von Personal soll „sozialverträglich“ durchgeführt werden; nur in der Ex-DDR könnten Entlassungen bei den gegenwärtig 89.000 Soldaten und 49.000 Zivilangestellten nicht ausgeschlossen werden. Während sich die Zahl der Wehrpflichtigen durch Geburtenrückgang von selbst abbaut, will die Bundeswehr auf rund 30.000 Zeitsoldaten verzichten.

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