: Bundeswehr in die kurdischen Berge?
■ Im Golfkrieg könnten deutsche Soldaten mitten im Bürgerkriegsgebiet landen
Deutsche Soldaten auf in den Osten, nach Kurdistan! Warum nicht? Falls die Türkei militärischen Beistand anfordert, will Bundesverteidigungsminister Stoltenberg Bundeswehrverbände an die türkisch-irakische Grenze schicken. „In sehr kurzer Zeit“ könne er Truppen bereitstellen, kündigte der Minister im US-Magazin 'Forbes‘ an. Etwa folgendes Szenario ist denkbar: Zwischen den USA und dem Irak kommt es zum Krieg; ein „Verteidigungsfall“ für die NATO, weil das NATO-Mitglied Türkei unmittelbar an den Irak grenzt;also Bundeswehreinheiten im NATO-Auftrag an die türkisch-irakische Grenze.
Aber — an der irakisch-türkischen Grenze herrscht bereits jetzt Krieg. Nicht zwischen dem Irak und der Türkei, sondern zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Guerilla — ein Bürgerkrieg dem bislang Tausende von Menschen zum Opfer gefallen sind. Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht, Wälder abgefackelt, unschuldige Zivilisten ermordet, um der Guerilla den Garaus zu machen. Erst jüngst hat die türkische Regierung dem Europarat mitgeteilt, daß sie in dem Gebiet Teile der von ihr unterzeichneten Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt hat. Seit diesem Schreiben vom 6. August ist es nun ganz offiziell: Grundrechte und Freiheiten gelten dort nicht. Der richtige Ort, um Bundeswehr zu stationieren.
Zwar werden im Falle des Bundeswehreinsatzes in der Türkei diese nicht direkt gegen kurdische Pesmergha eingesetzt; doch die Präsenz von Militär ist stets auch gegen den „inneren Feind“ gerichtet. Nato- Truppen in Kurdistan würden dafür sorgen, daß die türkische Armee den Rücken frei hat, um eine Lösung der „kurdischen Frage“ in ihrem Sinne durchzusetzen. Wenn die USA mit ihrer Army auch dem reaktionären fundamentalistischen Regime der Saudis beistehen, warum sollten dann deutsche Soldaten nicht der bluttriefenden türkischen Demokratie zu Hilfe eilen.
Die Herrschaften feiern heute türkisch-deutsche Freundschaft. „Für seine Verdienste für den Frieden“ erhält NATO-Generalsekretär Wörner von der Universität Istanbul den Ehrendoktortitel der Rechtswissenschaften. Diese Ehre wird wenigen zuteil. Zuvor erhielt der Putschistengeneral und ehemalige Juntachef Kenan Evren die Auszeichnung. Zeitgleich zu Wörners Preisverleihung sitzt ein Mädchen im Istanbuler Knast. Die 16jährige Schülerin N. Alkan ist seit zwei Wochen hinter Gittern. Sie hatte „Nein zum Krieg“ an die Schulmauer gepinselt. Bislang haben die Deutschen den Türken nur mit Waffen und Ausbildung geholfen: mit deutschen Polizeischäferhunden, die am 1. Mai auf Demonstranten losgelassen wurden, mit Leopards, mit Panzerspähwagen, mit GSG Ausbildung für die berüchtigten Anti-Guerillaeinheiten, die in den kurdischen Bergen Terror verbreiten. Warum dann nicht gleich Soldaten schicken? Schließlich kennen sich die Deutschen gut in der Region aus — noch aus den Zeiten der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft im Weltkrieg I. Schon damals haben deutsche Generäle beide Augen zugedrückt, als die türkische Armee den Völkermord an den Armeniern exekutierte. Ömer Erzeren
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