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Bundeswehr in AfghanistanGuttenberg dementiert Aufstockung

Der Verteidigungsminister ist beim Thema Afghanistan unter Zugzwang, noch fehlt sein Konzept und das begünstigt Gerüchte. Die SPD verlangt weiter einen Abzug bis 2015.

Guttenberg: "Brauchen wir mehr Schutz, als wir bisher darstellen können?" Bild: ap

Kurz vor der internationalen Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London verdichten sich die Gerüchte über eine bevorstehende Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ließ am Freitag wie üblich dementieren, dass er plane, die Höchstgrenze von 4.500 auf 6.000 hinaufzusetzen. Weder eine Aufstockung noch deren Ausbleiben sei auszuschließen, erklärte Guttenberg.

Er kündigte für die kommende Woche aber ein eigenes strategisches Konzept an, das angeblich am Montagabend im Kanzleramt beschlossen werden soll. "Es geht nicht um eine Kampftruppendebatte, sondern es geht darum: Brauchen wir mehr Schutz, als wir bisher darstellen können?", sagte der Minister. "Daran wird sich dann eine Zahl bemessen, die wir in der nächsten Woche vorstellen."

Wie das neue Konzept auch immer ausfallen wird - die SPD arbeitete am Freitag weiter an einer eigenständigen Haltung zum Einsatz. Auf einer übervollen Afghanistan-Konferenz in der Parteizentrale Willy-Brandt-Haus bestritt Parteichef Sigmar Gabriel, dass die SPD nun lediglich "die Anpassung an die vermutete Mehrheitsmeinung der deutschen Bevölkerung sucht". In bald 150 Jahren habe die SPD Fragen von Krieg und Frieden nie bloß taktisch behandelt.

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier war bis vor kurzem als Außenminister gegen jedes konkrete Abzugsdatum. Seit wenigen Tagen verlangen er und Gabriel jedoch, dass sich Deutschland auf einen Zeitplan für einen Abzug festlegt.

US-Präsident Barack Obama selbst hat der SPD-Spitze die Vorlage gegeben, als er den Beginn des Truppenabzugs auf den Juli 2011 festlegte. Ein Ende des Abzugs wollen gegenwärtig zwar weder USA, Nato noch die Bundesregierung definieren. Doch könne es nach Steinmeier zwischen 2013 und 2015 erreicht sein. Durch eine solche Festlegung lasse sich erstens "öffentliche Zustimmung für ein schwieriges Engagement" (zurück)gewinnen, sagte er. Zweitens seien dies "Zahlen, an denen sich die Afghanen selbst orientieren".

Der afghanische Präsident Hamid Karsai, der am Dienstag auch in Berlin erwartet wird, hat angekündigt, dass Afghanistan bis Ende 2014 die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen wolle. Nach Planungen aus Kabul, die am Donnerstag von der Nato in London bestätigt werden sollen, müssen dafür die afghanischen Sicherheitskräfte bis 2012 auf 300.000 und bis 2015 auf 400.000 Mann aufgestockt werden.

Karsais jüngst aus dem Amt geschiedener Außenminister Rangin Dadfar Spanta sagte im Willy-Brandt-Haus: "Wir wollen unser Land selbst übernehmen." Doch selbst wenn der Aufbau von Polizei und Armee funktioniere - "ein genauer Abzugstermin der Truppen wäre ein falsches Signal, denn es würde die Versöhnungsbereitschaft der Taliban torpedieren", sagte Spanta.

Um den Ausbildungsbedarf bei Polizei und Armee annähernd zu decken, bedarf es laut dem US-amerikanischen Nato-Botschafter Ivo Daalder 4.000 bis 5.000 weiterer internationaler Ausbilder. Um 2011 mit dem Abzug anfangen zu können, sagte er, müsse 2010 "das Jahr der maximalen Bemühung" werden.

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2 Kommentare

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  • V
    vic

    Aber nein, unter Guttenberg wird es keine Truppenaufstockung geben.

    Allerdings könnte jederzeit eine aufstockungsähnliche Situation eintreten, wer weiß.

  • J
    jps-mm

    Ausgerechnet zum Auftakt liefert die Süddeutsche Zeitung der Opposition (SPD, Grüne, Linke) neue Munition in dieser Sache. Sie schreibt, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am 6. November, als er den Luftschlag als "militärisch angemessen" bezeichnete, schon ganz andere Informationen hatte, als er zugibt.

     

    Guttenberg erklärt ja bis heute, er habe sich mit seiner Einschätzung hinter die Truppe stellen wollen. Außerdem hätten die ihm damals vorliegenden Papiere gar keinen anderen Schluss zugelassen, als dass der Angriff auf zwei im Sand steckende Tanklaster alternativlos gewesen sei. Erst viel später habe er aus mehreren Berichten erfahren, dass bei dem Luftschlag Fehler passiert seien.

     

    Das jedoch stimme nicht - behauptet die Süddeutsche Zeitung. Der Einsatzführungsstab seines Hauses habe Guttenberg schon Anfang November ein Papier vorgelegt, in dem seine Militärs zur gleichen Einschätzung kommen wie zuvor die Nato: dass nämlich Oberst Klein Fehler machte.

     

     

     

    Guttenberg gerät unterdessen in zusätzliche Erklärungsnot. Der CSU-Politiker hatte Anfang November erklärt, der tödliche Luftschlag, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden, sei unvermeidlich gewesen. Laut «Süddeutscher Zeitung» enthält aber ein jetzt bekanntgewordenes Papier seines Einsatz-Führungsstabs, das Guttenberg seinerzeit vorlag, dafür keine Anhaltspunkte. Es unterstreicht vielmehr die von der Nato festgestellten Fehler des Kommandeurs Klein, der den Luftschlag angeordnet hatte. Das Papier des Stabes enthält laut «SZ» auch alle wesentlichen Kritikpunkte, die Guttenberg erst aus späteren Berichten erfahren haben will, die ihm zunächst nicht vorgelegen hätten. Sie führten letztlich zur Entlassung von Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan.

     

     

     

    Unter dem Datum 3. November analysierte der Einsatzführungsstab demnach den geheimen Nato-Untersuchungsbericht, der am 28. Oktober, dem Tag der Amtsübernahme Guttenbergs, im Verteidigungsministerium eingegangen war. Über diesen Nato-Bericht unterrichtete Guttenberg am 6. November die Bundestagsfraktionen. Anschließend sagte der Minister auf einer Pressekonferenz, dass der Luftschlag als «militärisch angemessen» zu bewerten sei. Darüber hinaus erklärte er mehrmals, dass es zwar «Verfahrensfehler» gegeben habe, es aber auch ohne diese Fehler zu dem Angriff hätte «kommen müssen».

     

    Aus dem Papier geht laut «Süddeutscher Zeitung» hervor, dass der Luftschlag keineswegs, wie vom Ministerium wochenlang dargestellt, nur die Zerstörung der beiden Tanklaster zum Ziel gehabt hat. Vielmehr habe Klein auch die Taliban selbst «bekämpfen» wollen, die sich bei den Lastern auf der Sandbank im Kundus-Fluss aufhielten. Deshalb habe er auch den Vorschlag der US-Piloten abgelehnt, die Rebellen durch niedrige Überflüge zu verjagen. Darüber hinaus habe Klein den Einsatz der US-Kampfbomber durch die wahrheitswidrige Aussage erreicht, Truppen hätten Feindberührung. Dies ist eine der Voraussetzungen, unter denen Luftunterstützung in Afghanistan angefordert werden kann. Guttenberg revidierte seine Einschätzungen Anfang Dezember. Wie er angesichts der ihm vorliegenden Informationen überhaupt zu dieser Bewertung gekommen ist, wird er dem Untersuchungsausschuss erklären müssen.