Bundestagswahl: „Frau Merkel kann gern mit uns reden“
Die Grünen stellen ihre Kandidatenliste auf. Für Schwarz-Grün sehen die Landeschefs Bettina Jarasch und Daniel Wesener keine Basis. Ob sie bei der Vorstandswahl im März wieder antreten, lassen sie offen
taz: Frau Jarasch, Herr Wesener, 2002, 2005, 2009 und 2013 wieder – was muss eigentlich passieren, dass Renate Künast nicht die Kandidatenliste der Berliner Grünen für die Bundestagswahl anführt, über die Ihre Partei am Samstag entscheidet?
Bettina Jarasch: Wir wären doch verrückt, wenn wir unsere erfahrenen Spitzenleute, gerade die Fraktionsvorsitzende, nicht wieder in den Bundestag schicken würden.
Erst die Berlin-Wahl vergeigt, dann dabei gescheitert, bundesweite Grünen-Spitzenkandidatin zu werden – Werbung für Frau Künast war das nicht.
Daniel Wesener: Man kann in der Politik nicht immer gewinnen. Entscheidend ist, welche Lehren man daraus zieht. Renate Künast hat sicher ihre Ecken und Kanten, und es mag sein, dass Klaus Wowereit 2011 der sympathischere Wahlkämpfer war. Aber ich glaube, im Nachhinein dämmert es doch vielen in der Stadt, dass Renate Künast eine bessere Regierende Bürgermeisterin wäre.
Welches Ergebnis erwarten Sie denn für Frau Künast auf Listenplatz 1? Vergangenen März fiel sie im ersten Anlauf für den Landesparteirat durch.
Jarasch: Seit damals ist Renate sehr viel in der Stadt und in der Partei unterwegs gewesen. So etwas honoriert die Basis.
Bettina Jarasch
44, kommt vom Realo-Flügel und seit 2011 Grünen-Landeschefin. Zudem führt sie den Gemeinderat einer katholischen Gemeinde
Daniel Wesener
37, ist Parteilinker und wie Jarasch seit März 2011 Landesvorsitzender. Zuvor war er Fraktionschef in Friedrichshain-Kreuzberg.
Bei der Bundestagwahl 2009 bekamen die Berliner Grünen 17,4 Prozent und vier Mandate und waren viertstärkste Partei. Was erwarten Sie dieses Mal?
Wesener: In der jüngsten Berliner Umfrage liegen wir bei 25 Prozent, so viel wie seit über eineinhalb Jahren nicht mehr. Aber wir sind Parteivorsitzende, keine Hellseher. Natürlich möchten wir das sehr gute Ergebnis von 2009 noch toppen.
Jarasch: In Mandaten würde ich sagen: Mindestens fünf.
Beim Parteitag spricht die bundesweite Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Sie gilt als offen für eine Koalition mit der CDU.
Wesener: Das würde sie heftig bestreiten.
Das Thema schwarz-grüne Koalition ist auf jeden Fall das einzige, bei dem bei Ihnen beiden ein Konflikt öffentlich wurde. Sie, Frau Jarasch, mochten sich nicht auf die SPD festlegen. Dagegen ist für Sie, Herr Wesener, Schwarz-Grün de facto ausgeschlossen.
Jarasch: Ich stehe dafür, dass wir nicht immer Männchen machen vor der SPD und uns von ihr nötigen lassen, einseitige Bekenntnisse abzugeben. Es war die Berliner SPD, die sich nach der letzten Wahl für die große Koalition entschieden hat. Aber wenn man sich unser Programm anschaut, ist Schwarz-Grün schwer vorstellbar. Nicht nur, weil wir anders als die CDU eine echte Energiewende wollen. Sondern auch, weil wir in der Steuerpolitik aus gutem Grund ein Stück nach links gerückt sind und viel stärker auf Umverteilung von oben nach unten setzen.
Wesener: Bettina Jarasch und ich sind zwei politische Menschen, da kann man auch mal unterschiedlicher Meinung sein. Aber in der Koalitionsfrage ist das nicht der Fall. Und auch die Partei ist sich da sehr einig. Wir werden mit unserem Wahlprogramm die Aussage beschließen, dass wir aus inhaltlichen Gründen eine Regierung aus Grünen und SPD wollen. Damit erübrigen sich alle Schwarz-Grün- oder Ausschlussdebatten.
Wenn es im September doch nicht für Rot-Grün reicht und Angela Merkel anruft und eine Koalition anbietet – was sollen die Grünen dann machen?
Wesener: Ein Anruf von Frau Merkel macht noch keine Koalition. Die Frage ist doch, wie wir grüne Politik umsetzen können. Und da komme nicht nur ich, da kommen fast alle Grünen zu dem Schluss, dass ein solches Bündnis nicht tragen würde. Da sind wir uns übrigens mit der CDU ausnahmsweise mal einig.
Der Zehlendorfer Grünen-Chef gibt hingegen als Motto an: „Jede Regierung mit grüner Beteiligung ist besser als jede ohne grüne Beteiligung.“
Wesener: Ich halte nichts von einer Politik des geringeren Übels.
Jarasch: Ich würde so ein Motto auch nicht unterschreiben. Deshalb muss man aber nicht von vornherein alles Mögliche ausschließen. Wir müssen als Partei sagen können: Wir kämpfen für Rot-Grün, und wenn’s nicht reicht, kann auch Frau Merkel gerne mit uns reden. Aber dass aus diesen Gesprächen etwas rauskäme, bezweifle ich.
Mitte März steht schon der nächste Parteitag an, dann mit der Neuwahl des Landesvorstands. Treten Sie wieder an?
Jarasch: Es macht uns Spaß zusammen und wir denken darüber nach, wie es weitergeht. Aber wenn wir wieder antreten, würden wir das erst den Mitgliedern und dann der taz mitteilen.
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