Bundestagsdebatte zum Betreuungsgeld: Erste Lesung im zweiten Anlauf
Diesmal hat es geklappt: Beim zweiten Versuch waren genügend Abgeordnete da, um über das Betreuungsgeld zu diskutieren. Und diskutiert wurde heftig.
BERLIN taz | Nochmal, das war klar, sollte das nicht vorkommen. Am Donnerstagmorgen waren nahezu alle Bundestagsabgeordneten anwesend, um in erster Lesung den Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld zu diskutieren.
Vor anderthalb Wochen musste die Sitzung mangels Abgeordneten geschlossen werden – eine Art Abstimmung mit den Füßen über die Pläne von Schwarz-Gelb, Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause zu betreuen, ab 2013 monatlich 100 Euro, ab 2014 dann 150 Euro Betreuungsgeld zu zahlen.
Diesmal ist auch die Ministerin da. Und – obwohl dies der Tag des EU-Gipfels ist – sogar die Kanzlerin. Beide, so sie nicht ihre Smartphones oder Akten studierten, mussten sich harsche Kritik anhören. Der Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld, so die SPD-Abgeordnete Dagmar Ziegler, habe „eine besondere Qualität – nämlich gar keine“. Deshalb habe die Koalition in dieser Frage auch keine eigene Mehrheit.
Diana Golze von der Linkspartei schimpfte über „Nebenabsprachen und Deals, mit denen die Stimmen der Kritiker gekauft werden“. Die Bundesregierung solle das Geld, 1,2 Milliarden Euro bis Ende 2013, lieber in den Kitaausbau stecken. „Warum“, sagte Golze, „müssen die einen Kitagebühren zahlen und die anderen kriegen Taschengeld?“
Die Familienministerin kofferte kräftig zurück. Kristina Schröder warf der Opposition vor, „hunderttausende Eltern“ zu beleidigen. „Wer sein Kind mit einem Jahr in die Kita gibt, ist nicht herzlos. Und wer es zu Hause erzieht, ist nicht hirnlos.“ Sie forderte die Opposition auf, „das Schlachtfeld des ideologischen Kulturkampfes zu verlassen“. Schröders Auftritt, konterte Caren Marks, familienpolitische Sprecherin der SPD, sei „unverschämt“. Der Union sei es lieber, die Kinder würden von nicht Nachbarinnen und Aupairs betreut, als von Fachkräften.
Und was sagte der Koalitionspartner? Erstaunliches. Die FDP-Abgeordnete Sibylle Laurischk, Vorsitzenden des Familien-Ausschusses, bezeichnete das Betreuungsgeld als „ein wenig überzeugendes Taschengeld“ für Frauen, die wegen 150 Euro zu Hause blieben, statt sich ihrem Beruf zu widmen. Im Übrigen zweifele sie an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs.
Laurischks Fraktionskollegin, die familienpolitische Sprecherin Miriam Gruß, sagte, wer eine „Sozialleistung auf Pump“ einführe, müsse prüfen, wie sinnvoll das sei. „Auf Schuldenbergen können keine Kinder spielen.“ Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs ist für die Zeit nach der parlamentarischen Sommerpause geplant.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen