Bundestag verabschiedet Euro-Fonds: Kanzler-Mehrheit für Rettungsschirm
Erst eine kontroverse Debatte - dann eine große Mehrheit. Der Bundestag hat für eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gestimmt. Schwarz-Gelb sicherte Merkel die Kanzler-Mehrheit.
BERLIN afp/dpa/rtr/taz | Die Erweiterung des Rettungsschirms ist beschlossen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit für die Erweiterung des Euro-Rettungsfonds EFSF. 523 Abgeordnete votierten dafür, es gab 85 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Deutschland seinen Anteil am Garantierahmen des EFSF von bislang 123 Milliarden Euro auf rund 211 Milliarden Euro aufstockt.
Bei der Abstimmung reicht es auch für die sogenannte Kanzlermehrheit, also mehr als die Hälfte der Bundestagssitze. Union und FDP gaben in namentlicher Abstimmung gemeinsam 315 Ja-Stimmen ab. Es gab 15 Abweichler in den Regierungsfraktionen. Bei der Union stimmten zehn Abgeordnete mit Nein, es gab eine Enthaltung. Bei der FDP votierten drei Politiker gegen das Gesetz und es gab ebenfalls eine Enthaltung. Bei 620 Bundestagssitzen liegt die Kanzlermehrheit bei 311 Stimmen; weil 611 Abgeordnete an der Abstimmung teilnahmen, liegt die eigene Mehrheit bei 306 Stimmen.
Zuvor hatte der Bundestag dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung bereits mit großer Mehrheit zugestimmt. Als einzige Fraktion stimmte die Linke gegen das Gesetz. Direkt im Anschluss gaben die Abgeordneten namentlich in der Schlussabstimmung ihr Votum ab. Zuvor hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Notwendigkeit des erweiterten Euro-Rettungsfonds EFSF betont. "Wir sind in einer außergewöhnlich schwierigen Lage, weil die Nervosität an den Finanzmärkten hoch ist und die Gefahr besteht, dass sie sich auf die Realwirtschaft auswirken kann", sagte Schäuble am Donnerstag vor der Abstimmung.
Der CDU-Politiker wandte sich zugleich gegen Mutmaßungen, das wahre Ausmaß des deutschen Engagements liege noch höher als bisher bekannt. "Der deutsche Garantierahmen ist auf 211 Milliarden Euro festgelegt, der wird nicht erhöht", betonte Schäuble. Bislang lag der deutsche Anteil bei 123 Milliarden Euro.
Schäfflers Attacke gegen Merkel
Schäuble verwies darauf, dass die Richtlinien für den EFSF noch nicht abschließend verhandelt seien. Der Bundestag werde aber beschließen, dass diese Richtlinien der Zustimmung des Parlaments bedürfen. "Deswegen ist jede Verdächtigung unanständig und unangemessen", sagte der Finanzminister mit Blick auf Vorwürfe aus der SPD, den Bundestag über das wahre Ausmaß der Euro-Rettung zu täuschen. Er begrüßte zugleich die Initiative der EU-Kommission für eine Finanztransaktionssteuer. Die Bundesregierung werde alles daran setzen, dass diese Initiative so schnell wie möglich Erfolg haben werde. "Wir wollen besser regulierte Märkte", betonte Schäuble.
Heftige Kritik bekam die Regierung und speziell Kanzoerin Merkel von Seiten der FDP. Der Liberale Frank Schäffler - bekannt als Euro-Skeptiker - hatte Angela Merkel (CDU) in der Debatte heftig angegriffen. Diese habe 2010 erklärt, der Euro-Rettungsschirm EFSF tauge nicht als langfristiges Instrument. "Keine vier Wochen später" habe das nicht mehr gegolten, sagte Schäffler. Der "Schuldenschirm" habe die europäische Verschuldungskrise "nicht entschärft, sondern verschärft", urteilte Schäffler, der mehrfach angekündigt hatte, gegen die EFSF-Erweiterung zu stimmen. Es werde nur "teure Zeit" gekauft.
Schäffler bezeichnete einige europäische Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise als Recht- und Verfassungsbruch, darunter das Rettungspaket für Griechenland. Es werde eine Politik gemacht, "die Recht und Freiheit schleift", sagte der FDP-Politiker. Europa sei "auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft".
Mit Spannung war erwartet worden, ob Schwarz-Gelb in der namentlichen Abstimmung eine eigene Mehrheit oder gar die nötigen Stimmen für eine Kanzlermehrheit bekommt. Dazu waren mindestens 311 Koalitionsstimmen nötig. Der Bundestag hat insgesamt 620 Abgeordnete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus