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Bundestag debattiert AfD-VerbotNeuer Schwung für Verbotsantrag

Der Bundestag debattiert nächste Woche über das AfD-Verbot. Weil die Partei zuletzt hemmungslos radikal auftrat, bekommt der Antrag mehr Zustimmung.

Berlin, 21. Januar 2024: Das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ demonstriert für ein AfD-Verbot Foto: Stefan Boness

Berlin taz | Endspurt für den Antrag auf das AfD-Verbot: Während seit Jahresbeginn 70.000 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen sind, hat eine überparteiliche Gruppe von Bundestagsabgeordneten ihren Antrag auf die Tagesordnung der letzten vollen Sitzungswoche des Bundestags vor den Neuwahlen gesetzt. Die Gruppe um den CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz fordert eine Überprüfung der AfD durch das Bundesverfassungsgericht und hat am Montag mitgeteilt, dass sie den AfD-Verbotsantrag beim Bundestagspräsidium angemeldet hat. Eine Debatte im Plenum steht damit in der nächsten Woche an.

Mittlerweile unterstützen 124 Abgeordnete den Antrag. Carmen Wegge aus der SPD appellierte an alle Abgeordneten, sich die Gefahren der AfD für die Demokratie bewusst zu machen und das parlamentarische Verfahren zu starten: „Ob die AfD verfassungswidrig ist oder nicht, entscheidet nicht der Bundestag, sondern das Bundesverfassungsgericht. Der Bundestag muss den Weg nach Karlsruhe freimachen!“

Zuletzt hatte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel die rassistischen Stichworte der Identitären Bewegung von der Parteitagsbühne gerufen und hatte unter anderem angekündigt, im Falle ihrer Regierung die Wissenschaftsfreiheit anzugreifen. Notorisch weist die Partei zudem Verbindungen zu zahlreichen Rechtsterrorkomplexen auf – zuletzt bei den sogenannten „Sächsischen Separatisten“. Geschichtsrevisionismus bis zum Rande der Holocaust-Leugnung waren beim Parteitag von Riesa allgegenwärtig.

Der bisherige Wahlkampf lief nicht weniger radikal: In Karlsruhe verteilte die AfD menschenverachtende „Abschiebetickets“ und in den sozialen Medien hetzt die Partei pauschal und rassistisch gegen Minderheiten. Und obwohl von ihrem Programm vor allem die Reichen profitieren würden, hat die AfD mit ihrem Radikalkurs Rekordzustimmungswerte um die 20 Prozent. Mäßigung ist entsprechend nicht in Sicht.

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„Letzte Chance nutzen“

Der federführende CDU-Abgeordnete und ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung Wanderwitz sagte am Montag: „Bei ihrer ständigen weiteren Radikalisierung äußert die AfD immer unverhohlener auch geschichtsrevisionistische Positionen, wie jüngst Frau Weidel, dass Hitler Kommunist gewesen sei.“ Er sehe den Antrag als „inzwischen tatsächlich alternativlos“ an, so Wanderwitz. Ebenso bezeichnete Till Steffen von den Grünen den Antrag als dringender denn je.

Auch Martina Renner von der Linken forderte, dass der aktuelle Bundestag seine letzte Chance nutzen sollte, um eine Überprüfung der AfD in die Wege zu leiten: „Nicht zuletzt in Riesa hat die AfD bewiesen, dass sie weder einen gemäßigten noch bürgerlichen Flügel hat – sie ist in ihrer Gänze eine rechtsextreme, antidemokratische und verfassungsfeindliche Partei“, so Renner.

Zuletzt hatten sich mehr als 200 Ju­ris­t*in­nen in einem offenen Brief an Bundestagsabgeordnete und die Bundesregierung gewendet: Nach ihrer Einschätzung seien sämtlich Voraussetzungen für einen Verbotsantrag gegeben. Weitere Untersuchungen, wie sie zuletzt eine Gruppe um die Grünen-Politikerin Renate Künast gefordert hatten, seien nicht nötig. Im Dezember hatten bereits 50 zivilgesellschaftliche Organisationen den Antrag gefordert.

Davor hatten im November 17 renommierte Ver­fas­sungs­recht­le­r*in­nen einem Verbotsantrag gute Erfolgsaussichten bescheinigt. Die Partei offenbare ihre „verfassungsfeindlichen Absichten“ immer offensichtlicher, verfolge ein „völkisch-nationalistisches Programm“ sowie einen kulturell-homogenen Volksbegriff, der breit geteilt werde. Der Bundesvorstand grenze sich davon nicht ab.

Tatsächlich ist häufig gar das Gegenteil zu beobachten: Nachdem Spitzenkandidatin und AfD-Chefin Alice Weidel sich selbst nicht zu schade war, den NS-Diktator Adolf Hitler geschichtsrevisionistisch in einen Kommunisten umzudeuten, verurteilten auch Nachkommen ehemaliger kommunistischer KZ-Häftlinge das Zögern beim Verbotsantrag: „Ich verstehe wirklich nicht, warum wir bei dem AfD-Verbot nicht weiterkommen“, sagte etwa Andrea Halbritter, Mitglied der Lagergemeinde des KZ Dachau, der Süddeutschen Zeitung. Man müsse endlich die Reißleine ziehen.

Tut sich was in der SPD-Fraktion?

Eine Bundestagsmehrheit galt trotz lautstarker Forderungen aus der Zivilgesellschaft zuletzt als eher unwahrscheinlich. Auch die Bundesregierung wäre ebenso wie der Bundesrat antragsberechtigt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich allerdings mehrfach skeptisch gegen einen Verbotsantrag ausgesprochen. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sprach sich gegen den Antrag aus – ähnlich sieht das auch eine sehr große Mehrheit der Unionsfraktion. Einige halten den Antrag für verfrüht oder angesichts der Zustimmungswerte der AfD für politisch unklug, andere wollen die AfD in ihrer Opferrolle nicht weiter bestärken.

Wanderwitz sagte der taz, es sei nun wichtig, in der nächsten Woche zunächst die Debatte zu führen, die voraussichtlich am Donnerstagnachmittag stattfinden werde. Er sprach davon, dass die „diversen Rechtsradikalitäten der letzten Wochen mehr Zuspruch gebracht hätten“.

Die bisher skeptische SPD-Abgeordnete Angelika Glöckner aus Pirmasens etwa signalisierte mittlerweile ihre Zustimmung. „Die Partei wird mit jedem Prozentpunkt, den sie in den Umfragen dazugewinnt, extremistischer“, sagte sie der Rheinpfalz. Sie habe den Eindruck, dass sich in der SPD-Fraktion etwas tue – und sei optimistisch, dass der Verbotsantrag gar eine Mehrheit finden könne.

Realistisch ist nach der Debatte tatsächlich eine Überweisung des Antrags in die Ausschüsse. Aber auch das müsste noch nicht das Ende sein: Am 10. und 11. Februar hätte der Bundestag noch vor der Wahl eine letzte Gelegenheit, über den Antrag abzustimmen.

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11 Kommentare

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  • Was machen die 20% Wähler, wenn die AfD verboten wird?



    Sie wählen deshalb ganz sicher nicht SPD, CDU... Sie warten mit noch mehr Wut im Bauch bis eine AfD2 kommt und wählen diese. Und eine AfD2 würde sicher innerhalb weniger Wochen da sein.



    So einfach werden wir diese 20% extrem rechtslastige Wähler nicht los.

  • Parteiverbot der AfD mehr als überfällig.

    Wenn wir unbegrenzte Toleranz sogar gegenüber Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gemeinschaft gegen den Ansturm der Intoleranten zu verteidigen, dann werden die Toleranten zerstört und mit ihnen die Toleranz.

    Karl Popper

  • Dieser Verbotsantrag wäre ein so klares Signal an die Wähler*innen, dass er am 23.2. einen Riesen-Unterschied machen kann.



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    Denn selbst in der Weimarer Republik - die soviel weniger resilient aufgestellt war als wir es heute sind - gab es noch bis zum letzten Moment "Kipppunkte", die die Machtergreifung Hitlers hätten verhindern können.



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    Dazu die @omasgegenrechts_buehl_achern ausführlicher hier auf Instagram



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    www.instagram.com/...h=cHU0Y2w1ZzBjcnB3



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    Es ist jetzt m.E. auch die Zeit, alles, was demokratisch ist, zusammenzukratzen.



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    Aufrütteln ist wichtig, wenn wan was im Keim ersticken will, ausmalen, zu welcher großen Gefahr es heranwachsen kann.



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    Jetzt aber darf wan an keiner Stelle mehr übertreiben, die Gefahr so groß wie möglich zeichnen, zeigen, wer angeblich mit im Bunde ist: das schweisst den Gegner nur zusammen und schürt womöglich Panik, in der wan auch falsche Entscheidungen treffen kann.



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    Der Verbotsantrag kommt ursprünglich aus der Union www.tagesschau.de/...anderwitz-100.html , ihre Stimmen werden gebraucht, sie muss mit ins Boot m.youtube.com/watch?v=9q7a4LwH9H8&fbcl

  • Ich bete darum, dass der Verbotsantrag endlich gestellt wird. Nichts ist jetzt dringender als das.

  • Waren die wirklich alle nur im Geschichtsunterricht von Bernd Höcke ?



    Nix aus der Geschichte gelernt ??!

  • Könnte die Bundesregierung den Verbotsantrag nicht kurz vor der Wahl im Geheimen einreichen? Wenn das ginge wäre das optimal. Es kann ja noch nach der Wahl durch Eröffnung des Verfahrens öffentlich werden?

  • Zu spät.

    • @cosmo:

      Nein, deshalb nicht "zu spät" weil selbst dann, wenn der Antrag am Wahltag "nur" beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist, es einen großen Unterschied macht, ob die AfD wie eine demokratische Partei auf den Stimmzetteln steht, oder ob potentiellen Wählern so klar gemacht wird: 'nur unter Vorbehalt! Es ist sehr gut möglich, dass eine Stimme für die AfD gar nicht zählt, ihre Sitze im Bundestag leer bleiben müssen, weil Karlsruhe die Partei für verfassungswidrig erklärt hat!'



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      Es kann auch gut sein, dass die anderen Parteien endlich aufwachen und nicht mehr versuchen, AfD-Positionen doch irgendwie aufzugreifen, sondern proaktiv und selbstbewusst ihre demokratischen Inhalte wieder in den Vordergrund stellen



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      Und eben z.B. nicht die xte Grausamkeit zu "Migration", ein Thema, das nur aus Angst vor der AfD so groß geworden sein dürfte...

    • @cosmo:

      Nein, für elementare Sachen darf es nie zu spät sein. Ein starkes Zeichen zu setzen stünde unserer Demokratie gut.

      • @Buonsenso:

        Seh ich aber auch so wie Cosmo! Das würde die Bundestagswahl sowas von beeinflussen und zum Nachteil aller anderen Parteien werden.

  • Was würde es jetzt noch bringen? Die AfD würde massiv im Wahlkampf davon profitieren und die Wahl zu einer „Freiheitswahl“ stilisieren. Wenn dann doch noch tatsächlich kurzfristig ein Verbot durch das BVerfG ausgesprochen würde, wäre an einen normalen Wahlgang nicht zu denken. Die Zeit und Kraft sollte besser in „Soziale Medien“ und reale soziale Kontakte investiert werden.