: Bundesregierung will Schrottplätze füllen
■ Referentenentwurf schlägt KfZ-Steuerreform nach Abgaswerten vor. Autoindustrie kann mit Absatzplus rechnen
Berlin/Bonn (taz/dpa) – Für etwa 4,2 Millionen Pkw, die die relativ strenge Abgasnorm „Euro 2“ einhalten, soll ab 1997 die Steuern gesenkt werden. Wer dagegen eine stinkende Blechkiste sein eigen nennt, sollte sich spätestens nächste Silvesternacht davon trennen. Dann nämlich wird die KfZ-Steuer für 11,4 Millionen abgasträchtige Autos teurer. Je angefangene 100 Kubikzentimeter Hubraum werden 20 Mark fällig. So sieht es der Referentenentwurf der Bundesregierung vor, der gestern bekannt wurde.
Für sogenannte „schadstoffarme“ und „bedingt schadstoffarme“ Pkw – Stufen A und C, die auch bei Ozonalarm fahren dürfen – bleiben die Steuersätze von 13,20 Mark für benzinbetriebene Fahrzeuge und 37,10 Mark für Diesel- Pkw unverändert.
Eine befristete Steuerbefreiung von höchstens 1.000 Mark bekommen diejenigen Pkw-Besitzer, die bereits vor dem Inkrafttreten der noch strengeren Abgasnorm „Euro 3“ im Jahr 2001 die entsprechenden Werte einhalten. Wird der Betrag von 1.000 Mark nicht bis Ende 2002 erreicht, verfällt der Rest. Im Klartext: Nur Käufer großer Kisten bekommen den gesamten Vorteil. Dennoch ist die Bundesregierung der Meinung: „Wegen der Dauer der Steuerbefreiung besteht auch für diese (Käufer kleiner Wagen, d. Red.) ein psychologischer Anreiz.“
Die Bundesregierung hat den beteiligten Arbeitsgruppen aus dem Finanz-, Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftsministerium stets als Bedingung für die Reform vorgegeben, daß am Schluß die gleiche Menge Geld in die öffentliche Kasse kommen muß. Davon hängt auch unmittelbar die Zustimmung im Bundesrat ab – denn die KfZ- Steuer ist zwar bundeseinheitlich geregelt, steht aber zu hundert Prozent den Ländern zu. 1994 kassierten die Finanzämter 14,2 Milliarden Mark für die angemeldeten Autos. „Aufkommensneutralität darf jedoch nicht zentrales Kriterium für die Erhebung einer Lenkungsabgabe sein“, mahnt der Rat der Sachverständigen in Umweltfragen. Denn wenn sich das Kaufverhalten der Leute massiv ändert, kommt zunächst weniger Geld in den Steuersack.
Andreas Pastowski, Verkehrsexperte beim Wuppertal-Institut, hält die Steuerreform im „Prinzip für sinnvoll“. Tatsächlich seien die alten Autos ohne Katalysator in extrem hohen Maße für die Entstehung von Sommersmog verantwortlich. Absehbar sei aber, daß die Reform ärmere Bevölkerungsteile benachteiligt. „Es wird zu einer Umschichtung auf dem Gebrauchtwagenmarkt kommen“, lautet seine Prognose. Ältere Modelle werden rapide an Wert verlieren, derweil es zu einen Run auf neuere Modelle mit Kat gibt. „Letztendlich wird die Autoindustrie mit einem Absatzplus rechnen können.“ aje
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