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Bundesregierung tut zu wenig für WindkraftDas Offshore-Märchen

Tiefensee will 30 Windparks auf hoher See bauen. Offiziell. Doch sein Raumordnungsplan behindert konkrete Windparks. Und auf dem Festland fehlen die nötigen Stromleitungen.

Muss vorerst an Land bleiben: Windrad. Bild: reuters

Regierung und Energiewirtschaft sind sich einig, dass die Investitionen in Windparks sinnvoll sind, sagte Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) der Welt am Sonntag. "Wir setzen auf regenerative Energien und nicht auf Atomkraft", so der Minister weiter. Er erklärte, dass der Raumordnungsplan für den Offshoreausbau "ein erster Schritt dafür ist, dass 25.000 Megawatt bis zum Jahr 2030 aus der Windenergie kommen". Der Raumordnungsplan zum Bau von 30 Offshorewindparks sei fertiggestellt, was immer wichtiger werde, "je stärker der Ölpreis steigt. Die zahlreichen Anträge der Investoren belegen die Wirtschaftlichkeit", so Tiefensee.

Experten werden sich über den Minister wundern. Wissen sie doch, dass der Raumordnungsplan so ziemlich das uneffektivste und unwichtigste Instrument ist, um den Ausbau der Windkraft in Nord- und Ostsee zu beschleunigen. Schließlich hatte bereits die rot-grüne Regierung im Frühjahr 2002 Vorranggebiete für Windparks ausgeschrieben. Damals gab es 29 Anträge für den Bau von Windparks zu See. 2006, so die Prognose seinerzeit, könnte die erste Ausbaustufe abgeschlossen sein, mit 6.500 Megawatt Leistung - was 8 mittelgroßen Kohlekraftwerken entspricht. Tatsächlich aber dreht sich bis heute kein einziges Windrad in einem kommerziellen deutschen Offshorewindpark.

Schuld daran ist die Politik. Das illustriert der Bürgerwindpark Butendiek: Die OSB Offshore-Bürger-Windpark Butendiek GmbH & Co. KG warb Beteiligungen von 20.000 Bürgern ein - die Mindesteinlage betrug 250 Euro für einen Anteil. Mit diesem Geld entwickelten die Butendieker ihr Projekt: 34 Kilometer westlich von Sylt sollten 80 Windräder mit einer Leistung von 3 Megawatt installiert werden. Mit der Firma Vestas war bereits 2003 ein Vorvertrag über die Lieferung abgeschlossen worden. Und sogar das Startkapital stand schon zur Verfügung. Fehlte eigentlich nur noch der Kredit. Den aber verweigerte die Bank.

Mit gutem Recht. Denn die Butendieker hatten zwar einen fantastischen Plan für eine "Stromproduktionsstätte", was ihnen fehlte, war aber ein Transportweg für ihren Strom. Der Netzbetreiber Eon weigerte sich, ein Erdkabel zu legen. Und zwingen konnte Eon niemand: Bei all ihren hübschen Ankündigungen hatte die Regierung vergessen, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen.

Das holte sie im Dezember 2006 nach: mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das eine Anschlusspflicht für Netzbetreiber vorschrieb - zu deren Lasten. Am 4. Dezember teilte Eon mit, ins deutsche Offshore eingestiegen zu sein. Man habe den Windpark "Delta Nordsee" gekauft, in dem 80 Windräder mit 3,5 Megawatt aufgestellt werden sollen. Dafür kam für den Bürgerwindpark just in diesem Dezember das Aus: Nachdem das Projekt jahrelang nur Kosten verursacht hatte, gaben die Offshorepioniere auf. Mitte Dezember kaufte sich der irische Investor Airtricity den Bürgerwindpark.

Vattenfall, Eon, RWE und EnBW - wie wild kauften sich nun die großen vier Energieerzeuger in Windparkprojekte auf hoher See ein. Eigentlich gut, sollte man meinen. "Das Gegenteil ist der Fall", erklärt Ralf Bischof vom Bundesverband Windenergie. Die großen Konzerne hätten sich nur eingekauft, um die Projekte zu verhindern. "Eon-Chef Bernotat hat erst letzte Woche erklärt, die Offshorepläne der Regierung würden niemals aufgehen. Und das, obwohl im neuen EEG die Tarife für Offshorewindstrom um 6 Cent angehoben worden sind." Bischofs Schluss: Die Regierungspläne sollen nicht aufgehen.

Aber noch ein ganz anderer Punkt spricht dafür, dass auch in den nächsten zehn Jahren der Offshoreboom ausbleibt: Überall an den deutschen Küsten sollen neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Im mecklenburgischen Lubmin etwa plant der dänische Staatskonzern Dong ein 1.600-Megawatt-Kraftwerk. Eon will zudem ein Gaskraftwerk bauen. Wenn beide ihren Strom ins Netz einspeisen, ist für den Strom, den die Ostsee-Offshoreparks "Ventotec" und "Arkonabecken" erzeugen könnten, am Netzknoten Lubmin keine Kapazität mehr übrig. In Brunsbüttel sollen gleich drei neue Kohlekraftwerke entstehen: Hier aber ist auch der Einspeiseknoten für vier Nordseewindparks geplant.

Das größte Hemmnis für den Offshoreausbau sind die Leitungsnetze nach Süden. Dort soll der Strom verbraucht werden, den die Windräder zu See produzieren. Werden zuvor aber all die Kohlekraftwerke in Wilhelmshaven, Emden oder Hamburg gebaut, sind die Transportkapazitäten von Nord nach Süd erschöpft. Windstrom wird dann schlichtweg nicht gebraucht.

Der nun von Tiefensee gefeierte "Raumordnungsplan" beschreibt Gebiete, in denen künftig Offshorewindparks gebaut werden dürfen. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Projekten, die bereits genehmigt sind, aber außerhalb der jetzt vorgesehenen Zonen liegen. Ralf Bischof: "Der Raumordnungsplan ist also eher ein Behinderungsplan als ein Ausbauplan."

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10 Kommentare

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  • J
    jansche

    Hmm, also nach meinem Stand geschieht die Einspeisung aus dem Borkum Cluster 1 und 2 im UW Diele und nicht im UW Conneforde ...

     

    Conneforde dürften wohl allenfalls den Strom aus dem Offshorepark Riffgat der EWE (264MW) aufnehmen ...

     

    Letztlich bleiben die Fragen :

     

    1. Will hier wirklich jemand unterstellen, daß EON Netz in Zukunft Augleichszahlungen für Zwangsabschaltungen der bspw. 3GW Offshore-WKA von Bard zukünftig zahlen will (um Kohlekraftwerke am Netz zu halten) und gleichzeitig selbst nicht in den Ausbau einsteigen ?

     

    2. Sind Steinkohlekraftwerke neuerdings per se Grundlastkraftwerke, die obendrein in der Merit-Order vor WKA kommen ?

     

    (snip)

     

    Was die Vorstellung von "Solarmodulen" an Windkraftanlagen angeht - bei aller Liebe - versuchen sie mal ein paar Zahlen zu verwenden - dann wird es schon mit dem Verständnis einiger Fragen zur Wirtschaftlichkeit ...

     

    Die Vorstellung unter den Fundamentstrukturen von WKA gerade CAES-Kraftwerke zu errichten ist ebenfalls absurd - das Konzept von General Compression (so heißt die US-Firma) sieht etwas anders aus - ist aber imo keinesfalls (weder wirtschaftlich noch im technischen Ansatz) der Verwendung von adiabatischen CAES-Kraftwerken auf Basis von ausgelaugten Salzkavernen entlang der Nordsee überlegen ... (und genau solche Projekte sind ja u.a. von der ENBW bspw. geplant und werden anlagenseitig von ABB bspw. derzeit entwickelt) ...

     

    (snip)

     

    Ich bin wirklich nicht der Meinug, daß die Utilities in Deutschland in der Vergangenheit hisichtlich Windkraft eine besonders glorreiche Rolle gespielt haben, aber der Meinung zu sein, daß diese Herrschaften nun immer noch nicht den Zug der Zeit erkannt haben, daß zeugt doch von einer gewissen Ignoranz - am Ende werden wir wohlmöglich noch einen Artikel finden, der die Profite von RWE in Frage stellt, die sie einfahren könnten, wenn Sie einen Teil der 250 Anlagen - über die sie mit Repower verhandeln - in die deutsche Nordsee stellen - weil die Bedingungen in den Niederlanden doch nicht so sicher sind und sie in UK vielleicht aufgrund der im Regelfall viel küstennäheren Parks doch eher bspw. auf Siemens mit Ihren 3.6MW-Anlagen ausweichen können ...

     

    P.S.: Natürlich ist es bedauerlich, daß Butendiek gescheitert ist - aber letzten Endes ist auch festzustellen, daß das Projekt in Butendiek möglicherweise u.a. aufgrund der Konstellation nicht den langen Atem hatte, der notwendig war, um bis zu den Veränderungen im EEG und bei Netzanbidnungsfragen durchzuhalten ... (während andere genau das konnten und die zeit genutzt haben, um Ihre Projekte und ggf. Wertschöpfung zu optimieren ...)

  • BW
    bernhard wagner

    Übrigens könnten auch schon bestehende Windräder an den Masten auf der jeweiligen 'Sonnenseite' mit Solaranlagen nachgerüstet werden, z.B. mindestens ca. 1,5m x 10m Fläche je Mast.

     

    (natürlich besser nicht rechteckig, sondern ca. trapezförmig, oben schmaler als unten, entsprechend der Mastform, und z.T. auch an die Rundung angepasst).

     

    Bei der Gelegenheit: Ich finde grau-rot eine blöde Farbkombination u. daher sollten die Rotorblätter selbst entweder weiß sein oder vielleicht außer dem Signalrot für die Flugzeuge etc. noch mit gelb/orange verschönert werden (aus dem Kulturhaushalt zu bezahlen, ggf. auf Kosten der Subventionierung der Opernhäuser - deren Maler & Bühnenbildner dafür herangezogen werden könnten).

    Eine schwarz-rot-gelb/orangene Farbgebung der Rotorblätter würde zudem die Sympathien vieler Leute aus der sog. "bürgerlichen Mitte" neu für die Windkraft gewinnen können ;-)) und leider ist ja auch d e r e n Unterstützung für eine "Energiewende" notwendig, also das Angenehme gleich mit dem Nützlichen verbinden!

  • JM
    Jochen Martin

    In Wilhelmshaven ist ein Steinkohlekraftwerk mit einer elektrischen (Netto-) Leistung von 730 MW in Betrieb. Zwei weitere stecken mit zusammen 1.300 MW Netto-Leistung in Planfeststellungsverfahren. Der Strom aus den drei Kohlestrommeilern soll über eine ca. 40 km lange 380 kV-Leitung bei Conneforde in das Hauptnetz eingespeist werden.

    Die E.ON-Netz und die Gewerbeaufsicht wiesen in einem diesbezüglich angesetzten Scoping Termin darauf hin, dass die geplante Leitung nicht für die Stromaufnahme aus den Offshore Windparks ausgelegt sei.

    Dies scheint die Blockadepolitik der Strommulties zu bestätigen.

  • BW
    bernhard wagner

    Schade ist auch, dass aufgrund von Markt-Mechanismen u.a. Gründen anscheinend immer noch nicht selbstverständlich ist,

     

    in die Windradmasten zugleich an der Sonnenseite Solarmodule zu integrieren und außerdem in die Sockel auch Luftdruckspeicher, so dass die Energie - zumindest teilweise - zuerst direkt gespeichert würde und so besser dosiert nach Bedarf (Grid-System) - dann in elektrische Energie umgewandelt - ins Netz eingespeist werden könnte

     

    (Modelle der letztgenannten Technik werden anscheinend erst an der US Ostküste erprobt).

     

    Also: Nicht nur PolitikerInnen "schlafen", aber @ W. Rech: nicht die ganze Menschheit! davon abgesehen ist die Mehrheit mit einem verdammt hartem Überlebenskampf befasst, aufgrund von extremer Armut mit verschiedensten Ursachen u. Wirkungen - wofür "schlafen" dann doch eine etwas unpassende Metapher wäre; die würde ich eher auf die wohlsituierte, bequeme "Mittel- u. Oberschichten" in allen Ländern anwenden.

     

    Mangel an Wissen und Überfluss an Vorurteilen sind da die Huaptprobleme, wie übrigens schon Pierre Bayle - so fast wörtlich (in franz. Sprache) - um 1700 richtig feststellte!

  • J
    jansche

    zu "Es wird keinen Windpark geben, kein Gezeitenkraftwerk, keinen Solarpark. Das alles würde die Gewinne der großen Energiekonzerne gefährden."

     

    (snip)

     

    Darf man fragen, wozu man von RWE hört, daß sie mit Repower über 250 5 bis 6MW-Offshore-Maschinen verhandeln und mit Siemens sowie einem weiteren Hersteller wohl ebenfalls in Verhandlungen stehen (die in Teilen ebenfalls bis Ende des Jahres abgeschlossen werden sollen ) ?

  • J
    jansche

    Vielleicht darf man den Verfasser auch kurz nachfragen, ob ihm der Passus aus der aktuellen EEG-Novelle bekannt ist, nachdem der Netzbetreiber zum Ausgleich von Netzabschaltungen verpflichtet ist, sofern diese auf einen unzureichenden Ausbau des Netzes zurückzuführen sind ?

     

    Im weiteren sei es vielleicht erlaubt darauf hinzuweisen, daß es vielleicht einer etwas intensiveren Recherche bedarf, wer die entsprechenden Kohle- und G&d-Blöcke plant - EON, RWE, Vattenfall und die ENBW sind es in erster Linie jedenfalls nur bedingt - insofern ist es im Rahmen einer stringenten Argumentation schon bemerkenswert, wenn diesen 4 Utilities anderen Netzkapazitäten abtreten und Ihre eigenen Windparks, die sie bis auf die Küstenentfernung in Lädnern wie UK zu (nach der EEG-Novelle !) ähnlichen Konditionen bauen in D obsolet werden lassen sollten ...

     

    Am Rande sei bemerkt, daß es auch ein paar nicht konzerngebundene Entwickler gibt, wie Energiekontor, Prokon Nord/Multibrid sowie Bard, die Ihre Projekte wohl unter den Rahmenbed. der EEG-Novelle ans Netz bringen werden.

    Das daran Interesse auch von anderer Seite Interesse besteht zeigt bspw. die Kooperation einiger Stadtwerke(Trianel) mit Prokon Nord oder aber die Koopeation der Stadtwerke München mit der EWE in Bezug auf Riffgat ...

     

    P.S.: Vielleicht sollte man daher nicht ausschliesslich lamentieren, sondern sich die heraussuchen und unterstützen, die etwas bewegen - dann sieht man vielleicht bereits im nächsten Jahr neben dem Offshore-Park Baltic 1 (WPD und ENBW) in der Ostsee, sowie Alpha Ventus(EON, EWE, Vattenfall, Multibrid) auch das erste auf "klassischer" Projektfinanzierung basierende Offshore-Projekt Nordergründe in der Nordsee ...

  • WR
    Wolfgang Rech

    Was muss noch passieren, damit wir Menschen aufwachen und unsere Zukunft auf nachhaltige Beine stellen?

    Wollen wir warten bis der Klimawandel derart irreversibel in Gang gekommen ist und wir noch mehr Kipp-Punkte des Ökosystems in Richtung "no future for human beeing" umgelegt haben?

    Hieß es da nicht mal: "Wir, also das Volk, sind Deutschland?"

    Und wenn die überwiegende Mehrheit der Bürger sich für einen nachhaltigen Weg ausspricht - dann wäre es die Pflicht der Entscheidungsträger unserer Meinung Folge zu leisten!

    So einfach wäre das, wenn wir ein wenig mehr Achtung vor der Bewahrung des Lebens hätten, aber anscheinend verdrängen wir die Zukunft unserer Enkel auf den hintersten Platz unseres Bewusstseins.

  • V
    vic

    Es wird keinen Windpark geben, kein Gezeitenkraftwerk, keinen Solarpark. Das alles würde die Gewinne der großen Energiekonzerne gefährden.

    Wir können sicher davon ausgehen, dass kein wie auch immer gearteter, vernünftiger Beschluss diese Regierung passieren wird.

    Nach uns die Sintflut, dabei ist die schon da.

  • J
    jansche

    P.S.: Und sind G&D- sowie Steinkohlekraftwerke nicht eigentlich Mittellastkraftwerke, die komplementär zu Offshore-WKA mit ihren 4000 Vollaststunden betrieben werden können ?

  • J
    jansche

    Ist es nicht so, daß Offshore-WKA vorangig - also in der Merit-Order vor Steinkohlekraftwerken - einspeisen dürfen und können ?