Bundesregierung stellt Studie vor: Familie - für Chefs ein Fremdwort
In vielen Firmen sind Kinder ein Karrierehindernis, wie eine vom Familienministerum vorgelegte Studie zeigt. Wer es sich leisten kann, verlässt diese Unternehmen.
Journalisten sind wahnsinnig neugierig auf die Welt und decken unheimlich gern Ungerechtigkeiten auf? Auch. Am Mittwoch konnte man in Berlin besichtigen, dass JournalistInnen sich doch auch sehr für ihre eigenen Belange interessieren: Da stellte nämlich Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Studie über "Kinder und Karrieren: Die neuen Paare" vor - und zu diesen finanzkräftigen Paaren, die Karriere- und Kitastress zu vereinen suchen, zählten sich wohl auch viele der so verdächtig zahlreich erschienenen JournalistenkollegInnen.
In der Studie ging es nicht um Durchschnittsverdiener, die zwar die Kita locker zahlen können, die Kinderfrau aber schon nicht mehr. Nein, in einer ersten qualitativen Runde hatten Bertelsmann-Stiftung und Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) 25 Führungskräfte-Paare befragt, deren Jahreseinkommen bei etwa 100.000 Euro anfing und bei 1 Million aufhörte. Und wie der Zufall es will, strahlen uns diese Familien glücklich aus der Broschüre entgegen und es kommt zu so schönen Aussagen der Kinder wie: "Papa kann mittags zu Hause sein, weil er selbst der Chef ist."
Doch auch diese Auswahl ist interessant. Denn oft heißt es, dass gerade Führungspositionen sich mit Familienpflichten nun wirklich gar nicht vereinbaren lassen - und dieses Vorurteil wollen die ForscherInnen entkräften. "Diese Paare sind eine gesellschaftliche Avantgarde", erklärte EAF-Geschäftsführerin Helga Lukoschat. "Als Führungskräfte, die sich selbst für eine familienfreundliche Arbeitswelt einsetzen, sind sie Promotoren für mehr Chancengleichheit."
Zu dieser qualitativen Befragung wurde noch eine Onlineumfrage unter 1.200 Paaren ausgewertet, die ebenfalls Fach- und Führungspositionen innehatten oder anstrebten. Mit einer eher egalitären Verteilung von häuslichen und beruflichen Anforderungen waren die meisten Paare extrem zufrieden. Allerdings arbeiteten 77 Prozent der Männer mehr als 40 Stunden im Beruf, gegenüber nur 46 Prozent der Frauen. Die Frauen verbrachten dementsprechend mehr Zeit zu Hause. Die Bedingung für diese Zufriedenheit ist allerdings, dass man extrem gut und viel miteinander kommuniziert und immer wieder bereit ist, kreative Lösungen für die Kinderbetreuung und den Beruf zu finden. Im Klartext: "Zwischen 1.000 und 2.000 Euro gehen zuerst einmal in die Kinderbetreuung", so Lukoschat. Und die Karriereschritte müssen aufeinander abgestimmt werden: "Da kann es schon einmal sein, dass einer einen guten Job ausschlägt."
Das größte Problem für ihre Lebensweise sehen diese "Trendsetter" in der Arbeitskultur ihrer Unternehmen. Noch nicht einmal für die Hälfte der Befragten war es selbstverständlich, dass im Beruf über die Familie geredet wird. Fast die Hälfte berichtet von Nachteilen beim beruflichen Aufstieg und einer Kultur, in der extrem lange Anwesenheit im Büro ausschlaggebend für Karrierechancen ist. Nur 12 Prozent der Paare geben an, dass in ihrer Firma mit Familienpflichten der Angestellten gerechnet wird. Doch konnten sie es sich leisten, den Job zu wechseln, wenn er zu familienfeindlich war - und taten es auch.
Auf diesen Umstand wies Familienministerin von der Leyen besonders hin: "Die Wirtschaft braucht Fachkräfte. Aber die wird sie nicht zu jedem Preis bekommen", mahnte sie die Unternehmen. Gerade, wenn zwei Einkommen da seien, könne ein Beschäftigter sich leisten, einen schlechten Job zu kündigen.
Von der Leyen verwies darauf, dass die Politik mit dem Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung nicht nur die reicheren Paare beim egalitären Leben unterstützte. Zudem will sie schon im Sommer einen Vorschlag ins Kabinett einbringen, wie Kinderfrauen und andere "haushaltsnahe Dienstleistungen" einfacher von der Steuer abgesetzt werden können.
Doch für Eltern, die sich eine Kinderfrau für die zwei Stunden nach der Kita nicht leisten können, geschweige denn so viel Steuern zahlen, dass sie diese absetzen können, ist keine Lösung in Sicht. Von der Leyen will "Vermittlungsagenturen" für solche Dienstleistungen schaffen. Aber teuer sind sie dann immer noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!