Bundespräsidentenwahl in Österreich: Generationswechsel steht bevor
Alexander Van der Bellen bleibt Bundespräsident. Er steht für Stabilität – aber sein Rückhalt war unter den Jüngeren geringer als im Durchschnitt.
A lexander van der Bellen ist als österreichischer Bundespräsident klar wiedergewählt – mit voraussichtlich 56 Prozent. Unklar war vorher, ob es schon im ersten Wahlgang reichen würde. Schließlich hatte er sechs Gegenkandidaten, die ihn von rechts und links attackierten.
Als ehemaliger Parteichef der Grünen war er vor sechs Jahren von außen gekommen. Nie zuvor hatte jemand anderer als ein von ÖVP oder SPÖ aufgestellter Politiker das Amt bekleidet. Jetzt trat er mit der wohlwollenden Unterstützung fast aller Parteien als „Systemkandidat“ an, bekam also stellvertretend den Frust all jener zu spüren, die sich von der Regierung oder der Politik im Allgemeinen unverstanden oder schlecht behandelt fühlen.
Wenn der 78-jährige Van der Bellen also schon im ersten Wahlgang relativ deutlich gewonnen hat, so ist das seiner souveränen Amtsführung zu verdanken und erklärt sich aus dem Wunsch der Bevölkerung nach Stabilität in stürmischen Zeiten. Er hat das Land mit sicherer Hand durch die Ibiza-Krise geführt. Er ließ nicht zu, dass aus einer der innenpolitischen Turbulenzen eine Staatskrise erwuchs, und ging mit seinen durchaus weit gefassten Vollmachten immer zurückhaltend um. Angesichts der Korruptionsskandale attestierte er seinen Landsleuten, was inzwischen zum geflügelten Wort wurde: „So sind wir nicht.“ Vielleicht etwas voreilig. Jedenfalls verlor er nie seinen Humor.
Mehr als zwei Amtszeiten sieht die Verfassung nicht vor. Spätestens in sechs Jahren werden die Traditionsparteien SPÖ und ÖVP darüber nachdenken müssen, warum sie bisher keine geeigneten Frauen für das höchste Amt hervorgebracht haben. Die völlige Abwesenheit von Kandidatinnen ist in diesem Wahlkampf schmerzhaft aufgefallen. Nicht verändert hat sich, dass ein Drittel der Wählerschaft rechts wählt. Und noch immer gewinnt man mit den Stimmen der über Sechzigjährigen. Das ist die größte Bevölkerungsgruppe und die, die für das Althergebrachte stimmt. In diesem Fall war das Van der Bellen.
Die Wachablöse steht aber bevor: Von den unter Dreißigjährigen, also der Generation, die in Zukunft die Politik bestimmen wird, vertrauen nur 14 Prozent der Politik. Sie hätten Van der Bellen in eine Stichwahl mit Dominik Wlazny, dem 35-jährigen Punk-Musiker und Chef der Bierpartei, gezwungen. Marco Pogo, wie er sich als Künstler nennt, bekam in dieser Wählergruppe 20 Prozent, Van der Bellen 47. Inhaltlich vertritt Wlazny ähnliche Positionen wie die Grünen, die sich in der Regierung mit der ÖVP stark verbraucht haben. Sie sind nicht mehr die Partei der Jungwähler. Auch bei ihnen sollte das Wahlergebnis einen Nachdenkprozess auslösen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten