Bundesparteitag der Piraten: „Saalflucht“ gegen rechts
Auf dem Parteitag in Neumünster tragen die Piraten einen Richtungsstreit aus. Der linksliberale Berliner Verband fordert den Bundesvorstand heraus.
BERLIN taz | Das wird sicher heiter: 169 Programmanträge, 50 Satzungsänderungsanträge, 20 sonstige Anträge, dazu Wahlen in sämtlichen Bundesämtern und eine anhaltende Debatte über Rechtsextremismus – mit diesem Mammutprogramm will die erfolggeplagte Piratenpartei am Wochenende im schleswig-holsteinischen Neumünster ihren Bundesparteitag bestreiten.
Dabei dürfte die Partei eine wegweisende Schlacht um ihre zukünftigen Namen und Inhalte erwarten. Bis zu 2.500 abstimmungsberechtigte Mitglieder der Piratenpartei werden dazu in der kreisfreien Stadt ab Samstag erwartet.
Nachdem die Piraten in den vergangenen Wochen in Meinungsumfragen immer stärker zugelegt und einen massiven Mitgliederzuwachs zu verzeichnen haben, sind für das Wochenende allein über 200 Journalistinnen und Journalisten angemeldet – ein abwechslungsreiches Programm ist ihnen sicher.
Formell steht bei dem Parteitag vor allem die Wahl des neuen Parteivorstands im Mittelpunkt. Seit Wochen diskutieren die Piraten bereits über eine neue Besetzung in ihrem Bundesvorstand. Dabei wurde der bisherige Bundesvorsitzende – der eher zurückhaltend und bedacht agierende Sebastian Nerz – in den vergangenen Wochen wiederholt öffentlich attackiert.
Insbesondere der starke und linksliberal ausgerichtete Berliner Landesverband steht Nerz kritisch gegenüber. Gegen ihn treten am Wochenende mindestens zehn weitere KandidatInnen für das Amt des Vorsitzenden an – unter ihnen viele völlig unbekannte Gesichter. Anders als es bei anderen Parteien meist Praxis ist, kann bei den Piraten jede und jeder kandidieren. Wie die Wahl ausgehen wird, ist damit durchaus offen.
Umgang mit Rechts
Neben der Suche nach Personen, die die Partei in den kommenden Monaten in der Öffentlichkeit präsentieren sollen, dürfte auch die Wahl des Schiedsgerichts der Partei interessant sein – denn Konflikte gibt es angesichts des Zustroms neuer Mitglieder genug. Diese Konflikte dürften sich auch am Wochenende offen zeigen.
So ist zu erwarten, dass sich die Piraten insbesondere mit der Frage beschäftigen werden, wie sie künftig mit rechtsgerichteten Mitgliedern umgehen wollen. In den vergangenen Tagen waren die Piraten von zahlreichen Politikern und einigen Medien teils scharf unter Beschuss genommen worden, weil vereinzelt Mitglieder und Funktionäre teils missverständliche, teils rechtsgerichtete Aussagen gemacht hatten.
Mit einem „Aufruf zur Saalflucht“ haben zahlreiche Piraten nun erklärt, dass sie am Wochenende ein Zeichen gegen rechtspopulistische Tendenzen in der Partei setzen wollen. Sie wollen das Parteimitglied Carsten Schulz, das sich dafür einsetzt, dass die Leugnung des Holocaust nicht länger als Straftat geahndet wird und Hitlers Buch „Mein Kampf“ frei verkauft werden darf, mit Nichtbeachtung strafen und bei seinen Reden den Raum verlassen.
Schulz gilt vielen als einer der sogenannten Trolle, die am Wochenende aufgrund der basisdemokratischen Wahlverfahren wieder eine Bühne bekommen werden: Bereits bei einem Parteitag in Niedersachsen hatte er seine stets aussichtslosen Kandidaturen als politische Schaubühne genutzt.
Weil bei den Piraten alle Mitglieder für alle Ämter kandidieren dürfen und vor jedem Wahlgang erneut die Möglichkeit zu einer persönlichen Vorstellung gegeben wird, sind neben den programmatischen Debatten auch immer wieder unterhaltsame Elemente garantiert.
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