Bundesgerichtshof verwehrt Einsicht: Geheimnis der Gasversorger geht vor
Gaskunden, die sich gegen Preiserhöhungen wehren, haben keinen Anspruch auf Einsicht in die Lieferverträge ihrer Stadtwerke, urteilt das Bundesgerichtshof.
FREIBURG taz Bei der Kontrolle der steigenden Gaspreise wird die Justiz keine große Hilfe sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte gestern, dass Verbraucher vor Gericht nicht die absoluten Beträge, sondern nur Preiserhöhungen kontrollieren lassen können. Außerdem müssen die Gasversorger dabei nicht ihre Kalkulation offenlegen.
Geklagt hatte ein Gaskunde aus Dinslaken. Sein Versorger, die Stadtwerke Dinslaken, hatten den Preis 2005 binnen einem Jahr dreimal angehoben, von zunächst 3,05 Cent auf zuletzt 4,25 Cent pro Kilowattstunde. Die Stadtwerke begründeten die Erhöhung mit gestiegenen Einkaufskosten. Dem Kunden kam das suspekt vor. Er berief sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Demnach darf ein Kunde die Angemessenheit einer einseitigen Preiserhöhung gerichtlich prüfen lassen, wenn diese während der Vertragslaufzeit erfolgt.
Diese Kontrolle beschränkt sich aber auf die jeweilige Erhöhung, teilte der Vorsitzende Richter Wolfgang Ball gestern mit. Schließlich habe der Gesetzgeber - anders als früher beim Strom - eine staatliche Kontrolle von Gastarifen insgesamt immer wieder abgelehnt.
Genau das hatte der BGH auch schon im Juni 2007 entschieden. Auch im zweiten Punkt bekamen die Versorger Recht. Sie müssen bei der Kontrolle von Preiserhöhungen nicht ihre gesamten Einkaufsverträge und internen Kalkulationen offenlegen. Das Landgericht Duisburg hatte das in der Vorinstanz noch gefordert. Dagegen betonte der BGH jetzt das "verfassungsrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse an Geschäftsdaten". Die Gasunternehmen wollen ihre Verträge nicht veröffentlichen, weil sonst auch Konkurrenten die jeweilige Kalkulation nachlesen könnten. Der BGH lässt es nun auch genügen, wenn die gestiegenen Einkaufspreise über Zeugenaussagen oder Gutachten "schlüssig" dargelegt werden.
Die Hoffnungen von Verbraucherschützern liegen jetzt bei EU, Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt. Die EU-Kommission versucht, den EU-Staaten mehr Wettbewerb im Gasmarkt vorzuschreiben.
Die Bundesnetzagentur regelt seit drei Jahren einheitliche Bedingungen für die Nutzung der Gasnetze. Und das Bundeskartellamt kontrolliert, dass die Gasversorger ihre meist noch monopolartige Stellung nicht bei der Preisgestaltung missbrauchen. Gegenüber dem Kartellamt müssen die Versorger auch ihre Kalkulationen offenlegen.(Az.: ZR VIII 138/07)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren