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Bundesgerichtshof urteiltPrivates W-LAN-Netz braucht Passwort

Wer Fremde unkontrolliert ins Internet lässt, muss Abmahnkosten tragen, falls der W-LAN-Zugang missbraucht wird, so der BGH. Schadensersatz droht erst im Wiederholungsfall.

Ein Notebook steht inzwischen in vielen Wohnzimmern. Nicht immer ist die Wlan-Verbindung gesichert. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Die Inhaber privater W-LAN-Netze müssen diese künftig ausreichend sichern. Sonst werden sie für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, die unbekannte Dritte über diesen Internet-Zugang begehen. Dies entschied am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Plattenfirmen können allerdings nur Unterlassung sowie den Ersatz der Abmahnkosten verlangen, keinen Schadensersatz.

Ein W-LAN-Netzwerk (wireless local area network) erlaubt das drahtlose Surfen im Internet. Ein privater Sender strahlt, je nach Bebauung, in verschiedene Zimmer einer Wohnung und vielleicht auch noch in den Garten. Wenn der Zugang nicht besonders gesichert ist, können sich auf diesem Weg auch Nachbarn oder Besucher ins Internet begeben.

Im konkreten Fall hatte ein Privatmann aus Hessen ein privates W-Lan-Netz betrieben, das nicht passwort-geschützt war. Als der Inhaber nachweislich im Urlaub war, wurden über diesen Internet-Zugang auf der Tauschbörse eMule Musikstücke illegal zum Tausch angeboten. Offensichtlich hatte zwischenzeitlich ein "W-LAN-Pirat" das Netzwerk genutzt.

Eines der zum Tausch angebotenen Stücke war "Sommer unseres Lebens" von Sebastian Hämer, ein kleiner Sommerhit im Jahr 2006. Die Rechte an dem Stück hat der Frankfurter Musikproduzen Moses Pelham mit seiner Firma 3P. Er verklagte den Inhaber des W-LAN-Netzwerks auf Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte 2008 die Klage von Pelham abgewiesen. Es sei einem Privatmann nicht zuzumuten sein W-LAN-Netz besonders zu sichern, solange er keine Hinweise auf dessen Missbrauch hat.

Anders entschied nun der Bundesgerichtshof in letzter Instanz. Auch private W-LAN-Betreiber hätten eine Pflicht ihr Netz "angemessen" zu schützen. Was konkret verlangt wird, hänge davon ab, wann die Anlage beschafft wurde. Der Inhaber muss sie jeweils so gut schützen, wie es zum Zeitpunkt der Anschaffung marktüblich war. Er habe aber keine Pflicht, die Sicherung seines Netzwerks laufend nach dem jeweiligen Stand der Technik nachzurüsten und dafür auch noch Geld aufzuwenden.

Der hessische W-LAN-Inhaber habe aber seine Pflichten verletzt, entschied jetzt der BGH, weil er kein Passwort vergeben hatte. Bei einer 2006 beschafften Anlage sei es durchaus "üblich und zumutbar" gewesen ein "persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort" einzurichten. Da der Inhaber dies unterlassen hat, schuf er eine Gefahrenquelle und muss jetzt als "Störer" haften.

Produzent Pelham durfte den hessischen Privatmann also abmahnen und von ihm die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangen. Der BGH stufte die Abmahnung in solchen Fällen als "einfachen" Fall ein, bei dem seit 2008 nur noch maximal 100 Euro Abmahngebühren verlangt werden. Schadensersatz, der oft mehrere tausend Euro beträgt, kann Pelham dagegen nicht fordern, denn der W-LAN-Betreiber hatte das Sommer-Lied weder selbst zum Tausch angeboten noch hatte er den Vorsatz, einem unbekannten Dritten beim illegalen File-Sharing zu helfen.

Durch die Deckelung der Abmahnkosten und den Ausschluss von Schadensersatz dürfte die Jagd auf offene W-LAN-Netze für Plattenfirmen und angeschlossene Anwälte künftig nicht mehr sehr attraktiv sein. Es wird deshalb wohl eher wenig Abmahnungen dieser Art geben.

Allerdings sollte die BGH-Entscheidung auch nicht als Aufmunterung zur Sorglosigkeit verstanden werden. Höhere Abmahnkosten könnten möglich sein, wenn es nicht nur um einen einzigen Song, sondern um Hunderte geht. Und wer nach Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung sein W-LAN-Netz weiterhin nicht sichert, muss spätestens beim zweiten Missbrauch auch Schadensersatz zahlen.

Auswirkungen dürfte die Entscheidung auch für gewerbliche Anbieter von offenen W-LAN-Netzen haben. In vielen Kneipen und Fast-Food-Restaurants können Besucher heute schon drahtlos und ohne Anmeldung surfen. Das dürfte nun passé sein, wenn die Betreiber Haftungsrisiken vermeiden wollen. Der BGH hat darüber zwar noch nicht konkret entschieden, aber nach dem jetzigen Urteil dürfte er in Cafés nicht nur die Einrichtung eines Passwortes verlangen, sondern auch eine ständige Nachrüstung der Schutzmaßnahmen.

Wenn man die BGH-Entscheidung weiterdenkt, stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt noch einen unkontrollierten anonymen Zugang zum Internet geben darf. Muss bei der Weitergabe eines W-LAN-Passworts im Café künftig stets der Personalausweis vorgezeigt und registriert werden? Muss vielleicht sogar jedes Internet-Café künftig seine Nutzer registrieren? Das wären dann Zustände wie in China. Aber bis dahin wird es wohl noch einige Prozesse geben.

(Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 1 ZR 121/08)

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9 Kommentare

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  • WR
    Wolfgang R

    Der Richterspruch ist unlogisch, ich lehne ihn ab.

     

    Werden die Autovermieter auch abgemahnt, in Regress genommen, wenn der Mieter mit dem Fahrzeug eine Straftat begeht? Werde ich belangt, wenn mein Nachbar (ohne mein Wissen) mit meinem Werkzeug, das in einem offenen Karport lagert, einen Einbruch begeht?

     

    Werden Provider haftbar gemacht, wenn ich über ihre Netze illegal Daten beschaffe? Wie sieht es in Firmennetzen aus, wenn Mitarbeiter trotz Verbot illegal Daten aus dem Netz ziehen?

     

    Imkmerhin wurde die Rechtssprechung präzisiert, vor einiger Zeit musste in einem ähnlich gelagerten Fall ein privater W-LAN-Nutzer Scheadensersatz an Bushidos Plattenfirma zahlen.

  • MH
    Mehr Hirn für unsere Richter

    WLAN bedeutet nicht zwangsläüfig Internet-Zugang. Das sind erst einmal zwei Netze. Das eine ist ein lokales Netzwerk, das andere ein weltweiter Verbund von Rechnern. Natürlich kann man beide Netze verbinden. Muss man aber nicht. Die Darstellung der taz ist es falsch.

     

    Alle (!) WLAN-Zugangsbeschränkungen sind unzulänglich. Sie können mit wenig Aufwand ausgehebelt werden. Somit besteht immer die Möglichkeit, dass Nachbarn oder Besucher sich "ins Internet begeben". Wer glaubt ein "persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort" hilft, kennt sich nicht mit den WLAN-Verschlüsselungsverfahren aus.

     

    Der Bundesgerichtshof hat nur die "Gefahrenquelle WLAN" für die Unterhaltungsindustrie und die "Störer" betrachtet. Freie WLAN-Netze wie zum Beispiel Freifunk.net hat das BGH nicht betrachtet. Frei Netze wie Freifunk.net haben erst einmal nichts mit dem Internet zu tun, auch wenn es zum Beispiel Dienste wie E-Mail-Zugang gibt.

     

    Es hätte ein Abwägung geben müssen. Einerseits besteht die "Gefahr" des Austauschs von 99 Cent-Artikeln. Andererseits steht die Informationsfreiheit der Bürger auf dem Spiel. Letztes hat dank des BGH verloren. Wir nähern uns chinesischen Verhältnissen.

     

    Die Unterhaltungsindustrie sabotiert unsere Netze seit Jahren. Wer Produkte dieser Industrie kauft, finanziert auch deren Angriffe auf unsere Informationsgesellschaft und Freiheit.

     

    Sowohl die taz-Redaktion als auch das BGH hätten sich besser zu dem Thema WLAN informieren können.

  • T
    Tomcat

    > Muss vielleicht sogar jedes Internet-Café künftig seine Nutzer registrieren? Das wären dann Zustände wie in China.

     

    Das trifft den Nagel auf den Kopf. Das überholte Urheberrecht und die Pfründe der Musik- und Filmindustrie hier scheinen ebenso wichtig zu sein wie dort der Schutz des totalitären Systems. Ist eine Frage der Zeit, bis man im Internetcafe seinen Personalausweis zeigen muss und der Besitzer verpflichet wird, einem über die Schulter zu gucken, Man könnte ja sonst beim anonymen Surfern eine Urheberrechtsverletzung begehen, und die scheint einen so schweren Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen.

     

    Auch beim Thema Websperren und bei der Vorratsdatenspeicherung ist die Content-Industrie die wichtigste treibende Kraft. Sie befindet sich damit leider auf Kollisionskurs mit der Demokratie, die einen freien Austausch von Information so sehr braucht wie die Luft zum Atmen.

     

    Verschlimmert wird das ganze noch durch die Abmahnpraxis, die letztlich nur halbkriminelle Elemente fördert. Wenn ich jedem Autofahrer, der mit handytelefonierenderweise die Vorfahrt nimmt oder auf dem Radweg parkt, mit gerichtlicher Unterstützung 3000 Euro in Rechnung stellen könnte, bräuchte ich nie wieder zu arbeiten. Das ist nichts anderes als ein fortgesetzter Mißbrauch des Rechtssystems.

  • U
    User

    Das Urteil des Bundesgerichtshof kann ich nachvollziehen und habe hierfür durchaus Verständnis. Auch wenn des World Wide Web ein offenes und globales Medium ist, gibt es hier genauso wie im realen Leben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Diese Pflicht, ausreichende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, muss jedoch genauso für die Urheber gelten. Wenn diese ihre Kunstwerke oder Musikstücke online stellen, sollten sie sich nicht beklagen wenn diese Werke ohne deren einverständnis heruntergeladen und vervielfältigt werden.

  • AE
    Andreas Elvers

    "Zustände wie in China" trifft es genau. Das ist letztlich die Konsequenz aller Maßnahmen die die Content-Industrie in den nächsten Jahren einleiten wird. Ohne die Überwachung jeder Aktion eines Benutzers im Netz und den Verbot von Verschlüsselung ist eine Unterbindung von Urheberrechtsverletzungen nicht möglich. Die Kosten dieser Maßnahmen werden auf die Gesellschaft abgewälzt werden.

     

    Eine kleine Utopie zu diesem Thema gibt es unter http://www.gnu.org/philosophy/right-to-read.de.html zu lesen.

     

    Freut Euch auf Überwachung.

  • D
    Dennis

    Nett, denn das heisst gegenüber der MI soviel wie: F*ckt Euch selbst ins Knie.

     

    Ich finde es trotzdem saudumm und nur sehr typisch wie in Deutschland mit der "Störerhaftung" der Ausbau eines offenen Bürgernetzes verhindert wird. Die wirtschaftliche Kraft die das haben könnte wird immer gerne zugunsten der eigenen Hoheit und der Industrie unter den Tisch gekeehrt.

     

    Passt den deutschen einfach nicht ins Weltbild das es sowas geben könnte.

     

    Und selbst aller Bekenntnisse der Kanzlerin zum Breitban-Ausbau, es gibt in keiner deutschen Großstadt ein offenes WLAN für Touristen, reisende und Bürger.

     

    Nein, jeder hier im Land muss einen Telefonanschluss für 25 Euro buchen.

     

    England und andere Euro-Staaten gehen da andere Wege.

  • W
    Wolf.B

    ...wie im Beitrag dann ersichtlich: ...kann...bei unbeugter Nutzung...

     

    Dies halte ich für ein wahrhaft salomonisches Urteil, weil hier auch der "Abnahmindustrie" etwas Mühe auferlegt wird.

     

    gruß wolf

  • S
    Strahler

    Wunderbar, dann ist das ja auch geklärt.

    Dann können die kleinen Babys und ihre glücklichen Mütter ja ganz beruhigt weiter im HOT SPOT des WLAN strahlen.

    Oder gab es da noch irgendwelche gesundheitliche Bedenken z.B.der Mitarbeiter der Pariser Bibliothek, die nach

    WLAN Installation über Übelkeit, Konzentrationsverlust,

    Schwindelgefühle und Kopfschmerzen litten, worauf das

    WLAN wieder abgeschafft wurde und es den Mitarbeitern wieder besser ging ???

    Schöne,moderne und vor allem bequeme Welt der Strahlungstechnik,gelle ?

  • M
    manni

    Dann fahren wohl ab sofort hunderte dieser unseriösen Abmahnanwälte mit ihrem Laptop durch die Republik.....