Bundesbanker beleidigt Migranten: Ist Sarrazin ein Volksverhetzer?
Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Sarrazin über Einwanderer volksverhetzend waren. Der frühere Berliner Finanzsenator hat sich nach Protesten bereits entschuldigt.
BERLIN afp/rtr/dpa | Die umstrittenen Äußerungen von Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin über Zuwanderer in Berlin könnten ein juristisches Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Berlin prüften, ob ein Anfangsverdacht auf Volksverhetzung vorliege, sagte ein Polizeisprecher. Wenn dem so sei, würden Ermittlungen gegen den ehemaligen Finanzsenator der Hauptstadt aufgenommen.
Der frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin (SPD) hatte in einem Interview mit der Zeitschrift Lettre International türkische und arabische Einwanderer beleidigt. Große Teile von ihnen seien "weder integrationswillig noch integrationsfähig", sagte Sarrazin. Sie hätten "keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel". Auch die Bundesbank distanzierte sich "entschieden in Inhalt und Form von den diskriminierenden Äußerungen".
Der grüne Finanzexperte und Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick nannte die Äußerungen "widerlich". Sarrazin habe mit dem umstrittenen Interview dem Ansehen der Bundesbank geschadet und klar gegen den Verhaltenskodex verstoßen, sagte Schick der Frankfurter Rundschau. Darin heißt es: Die Mitglieder des Vorstands "verhalten sich jederzeit in einer Weise, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank erhält und fördert".
Als "skandalös" und "rechtsradikal" bezeichnete der Gewerkschafter Uwe Foullong in der Zeitung das Interview. Der für den Finanzsektor zuständige Vorstand der Dienstleistungsgesellschaft Verdi warf Sarrazin vor, dem Ansehen der Bundesbank und den dort Beschäftigten zu schaden. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hatte eine Entschuldigung von Sarrazin gefordert.
Nach der heftigen Kritik war Sarrazin noch am Donnerstag zurückgerudert und hatte erklärt, nicht jede Formulierung sei "gelungen" gewesen. Es sei nicht sein Ziel gewesen, "einzelne Volksgruppen zu diskreditieren". Sarrazin fügte hinzu: "Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere ich dies sehr und entschuldige mich dafür."
Ihm sei bewusst geworden, "dass Aussagen eines Vorstands der Deutschen Bundesbank wegen der besonderen Stellung der Person und der Institution von der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit und Sensibilität" wahrgenommen würden. "Ich werde deshalb in Zukunft bei öffentlichen Äußerungen mehr Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen", sagte Sarrazin.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht sieht die Debatte über abfällige Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin zu Einwanderern in Berlin nun als beendet an. "Sarrazin hat sich entschuldigt und eingeräumt, dass seine Aussagen missverständlich waren", sagte der TGD-Vorsitzende Kenan Kolat am Freitag in Berlin. "Der Fall ist damit für uns erledigt. Wir hoffen, dass Sarrazin in Zukunft keine Äußerungen dieser Art mehr macht."
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