piwik no script img

■ Berliner TelegrammBund und Senat konkretisieren Schloßplatz-Vorgaben / Wirtschaft in den östlichen Bezirken holen auf / Internet-Prozeß gegen Angela Marquardt geplatzt / Schönbohm: Sonderurlaub ist rechtlich wasserdicht

Die Bundesregierung und der Senat haben erstmals ihre konkreten Vorstellungen über Nutzung und Aussehen des geplanten Neubaus auf dem Schloßplatz in Mitte festgelegt. Der Nachfolgebau des Palastes der Republik soll laut Ausschreibungsbroschüre in öffentlich- privater Partnerschaft finanziert werden, wie die Berliner Morgenpost berichtet. In Betracht gezogen werde, das rund 38.000 Quadratmeter große bundes- und landeseigene Grundstück für 99 Jahre zu einem Erbbauzins von 19,7 Millionen Mark im Jahr zu verpachten. Das Papier, das an über 30 internationale Investoren verschickt wird, beinhaltet auch detaillierte Vorgaben für eine mögliche Rekonstruktion des Stadtschlosses. Die barocken Außenfassaden und Fassaden des Schlüterhofs, die fünf Portalbauten und die markante Kuppel sollen in diesem Fall „archäologisch exakt wieder entstehen“.

Den größten Teil des Neubaus soll eine Bibliothek mit 24.000 Quadratmetern oder 40.000 Quadratmetern Nutzfläche in Anspruch nehmen. Als teilkommerzielle Nutzung sind ein Konferenzzentrum (11.000 Quadratmeter), ein repräsentatives Hotel (9.000) und eine Ausstellungshalle (6.000) vorgesehen. Den Platz für die kommerzielle Nutzung mit Läden, Büros und einer Tiefgarage bestimmten die Investoren. Außer dem Grundstück „werden keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt“, heißt es in dem Papier. Mit ersten Finanzierungsvorschlägen der Investoren werde noch in diesem Jahr gerechnet. 1998 sei die Auswahl des Investors geplant. ADN

Wirtschaft in den östlichen Bezirken holt auf

Bei der Produktivität hole die Wirtschaft in den östlichen Bezirken Berlins trotz der weiter schwierigen Lage vieler Unternehmen spürbar auf, berichtet die Industrie- und Handelskammer. Die Produktivität mache bereits 82 Prozent des Niveaus aus, das in den westlichen Bezirken erreicht wird. Im ersten Jahr der Wiedervereinigung waren es erst 36 Prozent. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 87.971 Mark je Erwerbstätigem liegt der Ostteil Berlins deutlich an der Spitze der neuen Bundesländer (63.338 Mark durchschnittlich). Die Gründerwelle in Berlin halte an: 1996 seien in der Stadt 6.847 neue Unternehmen hinzugekommen. taz

Die statistische Übersicht „Berliner Wirtschaft in Zahlen“ ist bei der IHK, Abteilung Volkswirtschaft, Hardenbergstr. 16-18, 10623 Berlin, Tel.: 315 10-289 erhältlich

Internet-Prozeß gegen Angela Marquardt geplatzt

Ein Prozeß gegen die 26jährige ehemalige stellvertretende PDS- Vorsitzende Angela Marquardt wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen ist gestern geplatzt. Das Amtsgericht Tiergarten setzte das Verfahren aus, weil eine Zeugin vom Landeskriminalamt (LKA) nicht erschienen war. Die Staatsanwaltschaft warf der Angeklagten vor, die Anklageschrift aus dem ersten Prozeß gegen sie rechtswidrig im Internet veröffentlicht zu haben. In dem Prozeß war Frau Marquardt am 30. Juni vom Vorwurf der Anleitung und Billigung von Straftaten im Internet freigesprochen worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Angeklagte bezeichnete die neue Anklage als eine „Farce“. Sie habe die Anklageschrift nicht veröffentlicht, sagte Frau Marquardt. Eine Hausdurchsuchung hätte bestätigt, daß sie über keine technischen Voraussetzungen für ein Einspeisen ins Internet verfüge. Wann der Prozeß erneut aufgerollt wird, steht noch nicht fest. ADN

Schönbohm: Sonderurlaub ist rechtlich wasserdicht

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hat die von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) kritisierte Regelung „Sonderurlaub statt Weihnachtsgeld“ verteidigt. Die Regelung sei „rechtlich wasserdicht“, erklärte Schönbohm gestern. Mit ihr würden die tarifvertraglich und gesetzlich bestehenden Möglichkeiten des Dienstrechts in Anspruch genommen. Einer von der DAG erwogenen Verbandsklage „wegen beabsichtigter Rechtsbeugung des Tarifvertragsgesetzes“ sehe die Innenverwaltung mit großer Gelassenheit entgegen. Der Regelung zufolge haben die Beschäftigten des Landes Berlin die Möglichkeit, in den Jahren 1997 und 1998 jeweils ein bis vier Wochen unbezahlten Sonderurlaub in Anspruch zu nehmen. Das Entgelt für diesen Zeitraum wird zunächst als Vorschuß weiter gezahlt und später im Zusammenhang mit den zur Weihnachtszeit zustehenden Bezügen verrechnet. Mit dem Modell wurde ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom September umgesetzt. Nach Ansicht von DAG-Landesverbandsleiter Hartmut Friedrich sind diese vom Innensenator entwickelten Vorstellungen unwirksam. Damit solle offenbar auf „kaltem Weg“ ermittelt werden, in welchem Umfang die Arbeitnehmer bereit seien, auf Einkommensbestandteile zu verzichten und Leistungsverdichtung zu akzeptieren. Friedrich forderte den Senator auf, sein Angebot zurückzuziehen. ADN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen