Bürgerrechtskampagne in Kenia: Flagge zeigen gegen Straflosigkeit
Kenias politische Klasse will sich nicht in Den Haag für politische Gewalt verantworten müssen. Dagegen mobilisiert sich jetzt die Zivilgesellschaft des Landes.
NAIROBI taz | "Ja zum Strafgerichtshof, Nein zur Straflosigkeit" stand auf den Transparenten, und ein Redner nach dem anderen forderte Kenias Regierung auf, internationale Ermittlungen nicht länger zu behindern. Menschenrechtler, Anwälte und Künstler hatten zu der Kundgebung am Mittwoch letzter Woche in Kenias Hauptstadt Nairobi aufgerufen, die trotz massiver Polizeipräsenz friedlich verlief.
Es war die Geburtsstunde einer kenianischen Kampagne für den Internationalen Strafgerichtshof, nachdem sich die politische Klasse des Landes mehrheitlich gegen die Versuche Den Haags wendet, Verantwortliche für politische Gewalt in Kenia vor Gericht zu bringen.
Kenias Parlament hat bereits in einem fast einstimmig verabschiedeten Beschluss die Regierung aufgefordert, das Römische Statut des Strafgerichtshofs nicht mehr anzuerkennen. Kenias Regierung hat Gespräche mit den Präsidenten von Südafrika und Uganda geführt, um beim bevorstehenden Staatengipfel der Afrikanischen Union dafür Unterstützung zu erhalten.
Im Dezember hatte Den Haags Chefankläger Luis Moreno-Ocampo sechs Kenianer genannt, die er für die politische Gewalt mit über 1.300 Toten und 600.000 Vertriebenen nach Kenias Wahlen Ende 2007 verantwortlich macht. Darunter den Vizepremierminister Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers, und mehrere hochrangige Politiker. Die Regierung der Nationalen Einheit, die zur Beendigung der Gewalt 2008 gebildet wurde, streitet seitdem intensiv über den Umgang mit den Ermittlungen in Den Haag. Im März soll entschieden werden, ob die Beweise ausreichen, um Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erlassen.
Umfragen zufolge sind 68 Prozent der Kenianer dafür, dass der Internationale Strafgerichtshof sich der Sache annimmt. Kommentatoren sagen, dies reflektiere verbreiteten Frust über das Nichtfunktionieren der Justiz und anderer Institutionen. "Unsere Führer haben versagt, und jetzt wollen sie, dass wir das Römische Statut aufkündigen", kritisiert Priscilla Nyokabi, Direktorin des Centre for Legal Empowerment in Nairobi, die an der Kundgebung vergangene Woche teilnahm. "Wir mobilisieren jetzt die Kenianer, Flagge zu zeigen. Wir sammeln eine Million Unterschriften, um zu zeigen, dass Kenianer keinen Rückzug von Den Haag wollen."
Eine Facebook-Gruppe "Eine Millionen Kenianer sagen Ja zum Strafgerichtshof" wurde bereits gegründet. Sobald die Million Unterschriften zusammen sind, sollen sie dem Parlament vorgelegt werden. Dieses befindet sich derzeit in den Ferien, will aber nach Beginn seiner nächsten Sitzung im Februar einen Gesetzentwurf zur Rücknahme der kenianischen Ratifizierung des Römischen Statuts beraten.
Die Erinnerung an das Blutvergießen von Anfang 2008, die einige Wochen lang Ängste vor Völkermord und langanhaltendem Bürgerkrieg erweckte, ist in Kenia noch frisch. Kein einziges Gerichtsverfahren gegen die damaligen Gewalttäter hat im Land bisher stattgefunden. Zugleich bereiten sich Kenias Politiker, darunter mehrere auf der Den Haager Liste, auf die nächsten Wahlen Ende 2012 vor, und es gibt verbreitete Angst, dass dann erneut Gewalt ausbricht.
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