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Bürgerliche Vandale gegen Kunst

■ Im Oldenburger Schloßpark tobte sich das gesunde Volksempfinden gearteter Bürger gegen „entartete“ Kunst in der Freiplastik-Ausstellung aus: Was der Spießer nicht kennt, will er nicht

Ein Park ist, wie der Kunsthistoriker Alfred Lichtwark meinte, ein Ort, der „eine reiche Quelle edler Lebensfreude bietet.“ Der Oldenburger Schloßpark ist ein Ort, wo Enten, Gänse und Kaninchen einträchtig auf der Wiese stehen; er ist eine Fundgrube für alte Damen, die en passant in die öffentlichen Abfallbehälter spähen, und vor allem ist er ein erstklassiges Hundeklo.

So richtig beeinträchtigt aber wird die „edle Lebensfreude“ derzeit von einem Ereignis, welches den Oldenburger Park von anderen öffentlichen Grünanlagen unterscheidet:

Bis 14. August ist er Schau-Platz einer Freiplastik -Ausstellung. Was die meisten an diesem Platz nicht suchen würden - Kunst - wollen viele offenbar noch weniger finden.

Zwei Kernprobleme lassen sich ausmachen, mit denen die Oldenburger Kulturbehörde, ebenso wie andere Veranstalter derartiger Ausstellungen, zu kämpfen hat. Eines davon ist der Vandalismus. Ein allgemeines Problem, sicherlich, das auch im Bereich der Bildenden Kunst sehr konkret Gestalt annimmt, wobei der attackierende Kunst-Feind im Bereich Kultur zu dem wird, was der randalierende Fußball-Freund für den Sport ist. Die Motivation ist klar, wenn zum Beispiel an Udo Reimanns Installation zweimal die Lautsprecheranlage entwendet wird. Dumpf und uneinsichtig ist sie da, wo „bloß“ blöde beschmiert oder im „Hau-daruf-Verfahren“ zerstört wurde.

Wo es möglich war, sind entstandene Schäden behoben worden. Dem allgemein - und nicht nur in Oldenburg - eng gesteckten Kostenrahmen solcher Veranstaltungen bekommen so verursachte Mehrausgaben freilich

schlecht - zumal pekuniäre Mangelerscheinungen einerseits und hohe Versicherungskosten andererseits die Veranstalter etwa den Bremer Senat bei der letzten Ausstellung in den Wallanlagen - bereits davon Abstand nehmen lassen, Ausstellungen zu versichern. Eine Haltung, die zunehmend zum va-banque-Spiel gerät, bei dem die Ausstellungsmacher nur hoffen können, daß die Summe, die zur Begleichung von Schäden aufgewendet werden muß, niedriger bleibt als die, die für eine Gesamtversicherung zu zahlen wäre.

In jedem Fall billiger kommt es, wenn Bürger, anstatt Kunst zu klauen, eigene Werke der Ausstellung beifügen. Drei „Bürgerbeiträge“ in Sachen Kunst sind dem Oldenburger Schloßpark auf diese Weise zugewachsen. Aufgenommen in die dreimal wöchentlich stattfindenden Führungen, sind sie auch für den Laien ein augenfälliger Beweis, daß eine Assemblage aus Ofenrohr und Campingstuhlgestänge, selbst mit ein bißchen Witz, noch keine Kunst ist.

Daß die ganze Freiplastik-Ausstellung eine Ansammlung von Schrott werden würde, war eine Vorgabe der lokalen Presse, die die öffentliche Diskussion schon vor der Eröffnung angeheizt hat. Neben der Zerstörungswut einer kleinen Gruppe zeigt sich am Beispiel Oldenburg wieder einmal ein weiteres Problem, nämlich das der Akzeptanz gegenüber Dingen, die wie zeitgenössische Kunstwerke manchmal - zunächst fremdartig sind. Das Motto könnte lauten: „Was ich nicht verstehe, hat keine Berechtigung“, wie Hedwig Schumann vom Kulturdezernat die ablehnenden Äußerungen zusammenfaßt.

Mehr als einmal sind Worte ge

fallen, die dem Sprachgebrauch des „Dritten Reichs“ entlehnt sind.

Von „entarteter Kunst“, „Wahnvorstellungen“ sowie einer „abnormen Gefühlswelt“ der Künstler ist die Rede, die abstrakte wie gegenständliche Werke gleichermaßen meint.

Unterscheiden sich auch häufig die Assoziationen - und die dadurch ausgelösten Reaktionen - bei ein und demselben Kunst

werk, je nach Altersgruppe und entsprechenden Erfahrungen aufgefächert - eines ist wohl vielen gemein:

Die Erwartung, „einbezogen zu werden“, wie der französische Kultursoziologe Pierre Bourdieu meint, wird enttäuscht.

Im Gegenteil fühlt man sich ausgeschlossen durch eine Kunst, die oftmals in krassem Widerspruch steht zu vertrauten Leistungsansprüchen. Ihren tieferen

Sinn glaubt man folgerichtig darin zu erkennen, „Nicht -Eingeweihte auf Distanz“ zu halten, das heißt Geschmack und ästhetische Vorlieben zum „klassenstiftenden, rangverleihenden Privileg“ zu erheben. Nicht zu vergessen die Anstrengung, die es kostet, sich mit dieser scheinbar verrätselten Kunst auseinanderzusetzen, ihr näher zu kommen. Schwere Kost im Zeitalter der Fertiggerichte!

S.H.

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