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Bürgerkrieg in SyrienSyrien droht mit Chemiewaffen

Die EU verschärft das Waffenembargo gegen Syrien. Im Falle einer „Aggression von außen“ werde Syrien auch Chemiewaffen einsetzen, gab ein Sprecher des Außenministeriums bekannt.

Mit Hubschraubern griffen die syrischen Truppen die Aufständigen in Damaskus an. Bild: dpa

BRÜSSEL/DOHA afp/dapd | Die Führung in Damaskus hat damit gedroht, im Falle eines „ausländischen Angriffs“ auch Chemiewaffen einzusetzen. Es würden „niemals“ Chemiewaffen „gegen unsere eigenen Bürger“ eingesetzt werden, „nur im Fall einer ausländischen Aggression", sagte der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Dschihad Makdessi, am Montag in Damaskus.

Währendessen hat die EU ihr Waffenembargo gegen Syrien verschärft, um den Druck auf das Regime von Staatschef Baschir Assad zu erhöhen. So haben nun alle EU-Länder die Pflicht, verdächtige Schiffe in ihren Hoheitsgewässern zu kontrollieren. Allerdings nicht mit Waffengewalt und nur, wenn der Flaggenstaat einverstanden ist.

Schon seit Mai 2011 ist das Waffenembargo in Kraft, es gilt auch für verdächtige Frachtflüge nach Syrien. Bislang waren die Mitgliedsstaaten aber nicht verpflichtet, Schiffe aufzubringen.

Die Außenminister setzten am Montag zudem 26 weitere Regime-Unterstützer sowie drei weitere Unternehmen auf ihre Liste. Damit verbunden sind Einreiseverbote und Kontensperrungen von Banken in der EU.

Es war bereits die 17. Verschärfung der Sanktionen, insgesamt sind nun 155 Personen und 52 Firmen oder Institutionen auf der Liste. EU-Chefdiplomatin Cathrine Ashton verteidigte die Maßnahmen gegen den Vorwurf der Nutzlosigkeit, da die Strafmaßnahmen Assad bislang nicht zum Einlenken bewegen konnten. „Die Sanktionen sollten nicht unterschätzt werden, auch wenn sie nur ein Teil sind.“

Nach dem Willen der Bundesregierung muss im Syrien-Konflikt die Zeit nach Assad vorbereitet werden. Der Staatspräsident könne „sicherlich noch mehr Menschen töten, er kann aber mit Sicherheit nicht mehr siegen“, sagte Außenstaatsminister Michael Link in Brüssel. Das Regime verliere an Boden gegenüber der Opposition, und mit der weiteren Eskalation habe sich Assad „jeden Ausweg selbst verbaut“.

„Wir sind am Wendepunkt“

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt: „Wir sind an einem Wendepunkt“. Er bezog sich zum einen auf jüngste Erfolge der Opposition, zum anderen auf die Blockade im UN-Sicherheitsrat.

Deswegen müssten andere Wege gefunden werden, die Gewalt einzudämmen, die humanitäre Hilfe zu intensivieren und Vorkehrungen für einen Wiederaufbau nach dem Ende des Assad-Regimes zu treffen, heißt es dazu in einem Papier des Auswärtigen Amtes.

Wie das geschehen soll, blieb am Montag zunächst unklar. „In einer Situation, wo Russland blockiert, müssen wir zum Beispiel im engeren Kontakt mit der syrischen Opposition klar zeigen, dass die EU handlungsfähig ist“, sagte Staatsminister Link. „Wir arbeiten daran, den Ring um Assad weiter zu schließen.“

„Sichere Hafen“ für Assad

Der Generalsekretär der Arabischen Liga bot Assad und seinen Angehörigen bei einem Rücktritt einen „sicheren Hafen“ an. Nabil Elarabi ging auf seinen Vorschlag bei einem Außenministertreffen der Liga in der katarischen Hauptstadt Doha am Montagmorgen nicht näher ein.

Die Organisation sagte zudem finanzielle Unterstützung für syrische Flüchtlinge in Höhe von umgerechnet mehr als 82 Millionen Euro zu.

Der tunesische Präsident Moncef Marzuki hatte Assad bereits im Februar Asyl angeboten, falls dies den Konflikt beende. Der Staatschef war am Sonntag kurz im Staatsfernsehen aufgetreten, um seinen neuen Stabschef der Streitkräfte, General Ali Ajjub, zu empfangen. Die Regierungstruppen sollten mit der „Verfolgung der Terroristen“ fortfahren, wies Assad diesen an.

Rotes Kreuz schlägt Alarm

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist zunehmend besorgt über die humanitäre Lage in Syrien. „In den vergangenen zwei Tagen sind 30.000 Menschen vor allem aus Damaskus in den Libanon geflüchtet“, sagt DRK-Mitarbeiter Jean-Marie Falzone aus Beirut. Viele Syrer würden bei Verwandten und Bekannten im Libanon unterkommen.

Durch die Kämpfe in Damaskus habe sich in der vergangenen Woche die Versorgungslage Lage für zahlreiche Menschen in der Hauptstadt verschlechtert. „Viele Geschäfte haben geschlossen. Alles ist teurer geworden“, sagt Falzone, der am Samstag auch über schwere Kämpfe in der Stadt Aleppo berichtet hatte.

Lebensmittel fehlen

Innerhalb Syriens ist nach Angaben des Roten Kreuzes die Versorgungslage für etwa 1,5 Millionen Zivilpersonen durch den Bürgerkrieg schwierig geworden.

Tausende Familien hätten ihre Häuser verlassen und seien vor den Kämpfen in sichere Gebiete geflüchtet. „Es fehlt an Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten und Milch für Kinder“, sagt Falzone.

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6 Kommentare

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  • HE
    Heinz Eckel

    Ihr seid ja wohl nicht mehr ganz dicht: wer bedroht hier eigentlich wen? Die Aussage des Pressesprechers der syrischen Regierung stellte ja lediglich eine Antwort auf Vorwürfe dar, man wolle Chemiewaffen gegen die Opposition einsetzen. Klargestellt wurde, dass dies nicht beabsichtigt sei und diese Waffen allenfalls bei einer ausländischen Intervention zum Einsatz kommen könnten.

    Mit Chemiewaffen "drohen" dagegen andere, nämlich vor allem die USA und auch Israel. Und zwar in dem Sinne, dass anscheinend mal wieder Massenvernichtungswaffen (diesmal - im Unterschied zum Irakkrieg - allerdings real existierende) dazu herhalten sollen, eine miltärische Intervention unter Umgehung des UN-Sicherheitsrats zu ermöglichen. Israel denkt dabei offenbar sogar an einen direkten "Befreiungsschlag" gegen die grenznahen syrischen Militärstützpunkte, auf die Chemiewaffen nach Angaben syrischer Oppositioneller schon vor Wochen gebracht worden sein sollen. Das könnte allerdings zu einer "Befreiung", jedoch in einem ganz anderen Sinne, führen: nämlich zur potentiell tödlichen Freisetzung der chemischen Gifte aus diesen Waffen - für Freund wie Feind. Vorausgesetzt, die israelischen Flugzeuge (oder die gedungenen Attentäter) erreichen überhaupt ihr Ziel - der Abschuss eines türkischen Militärflugzeugs vor einigen Wochen durch die syrische Flugabwehr könnte Israel eigentlich eine Lehre sein.

     

    P.S.: meine Einschätzung wurde vor wenigen Stunden auch noch mal vom iranischen Rundfunk (unter Bezug auf die syrische Nachrichtenagentur Sana) bestätigt. Hier die entsprechende Meldung:

     

    Syrien besorgt über Irak-ähnlichen Überfall unter Vorwand von Chemiewaffen

     

    Damaskus (ISNA) - Das syrische Außenministerium äußerte seine Sorge um die Vorbereitungen für einen ausländischen Angriff auf das Land unter dem Vorwand der Existenz von Chemiewaffen.

     

    Die syrische Nachrichtenagentur SANA meldete, das syrische Außenministerium habe in einer Erklärung bekannt gegeben, dass einige Medien die Äußerungen des syrischen Außenamtsprechers Moghaddasi gefälscht haben, um damit die Welt auf einen militärischen Angriff auf Syrien vorzubereiten. Dazu bräuchten sie die gelogenen Agitationen bezüglich Massenvernichtungswaffen. In der Erklärung wird betont: Die Presseerklärung des Sprechers sollte eine Antwort sein auf die Medienpropaganda, die Syrien ins Visier genommen hat, um damit militärische Einmischugnen vorzubereiten. Sie hatten behauptetet, Syrien könnte chemische Waffen gegen bewaffnete Terrorgruppen oder Zivilisten einsetzen. Das syrische Außenministerium betonte, dass Moghaddasi ausschließlich die Verteidigungspolitik des Landes als Antwort auf die falschen Behauptungen der Medien klartstellen wollte. Die Medien sollten professionell arbeiten und die Worte im richtigen Kontext wiedergeben.

     

    http://german.irib.ir/nachrichten/nahost/item/208918-syrien-besorgt-ueber-einen-irak-aehnlichen-ueberfall-unter-vorwand-von-chemischen-waffen

  • KH
    Kai Hansen

    Mit der Drohung, chemische Waffen einzusetzen, so das offiziell ist, entzieht die Assad-Regierung sich der letzten Legitimation.

     

    Ein Nicht-Reagieren der UN schwächt ebenfalls und wirft die Frage nach legitimen politisch-normativen Mechanismen auf.

     

    Befinden wir uns in einer Demokratie-Dämmerung oder soll das alles als "normal" angesehen werden?

  • U
    Ute

    Nicht nur Assad, auch die Regierungen des Westens hatte viele Chancen verpasst, Syrien im letzten Jahrzehnt einen demokratisierenden Wandel widerfahren zu lassen.

    Nun ist der Schlamassel dar, den all jene, die sich ihn ausmalen hätten können, billigend in Kauf genommen haben.

    Es erscheint auch nicht plausibel, dass Israel aus Sorge um seine Bevölkerung Interventionsabsichten ins Spiel gebracht hat.

    Wenn Assad etwas erreichen will, dann wohl auch zu überleben.

  • KF
    Öko Fritz

    Völkerrecht...

     

    Es wäre sinnvoll, wenn die "Weltvölkergemeinschaft" gegen Tyrannen und Dikatatoren vorgehen würde!

     

     

    Nur eben Deutschland braucht da den Mund nicht weit aufmachen, als 4.größer Waffenexporteur weltweit... und USA ebenso!

     

     

    D.h. unterm Strich ist das alles sehr verlogen!

     

     

    Da machen sich Böcke zu Gätznern!

  • TH
    Thomas H

    Nur mal so zur Erinnerung an die Fakten:

     

    Laut Assad-Propaganda gibt es keinen bewaffneten innersyrischen Aufstand gegen sein korruptes und massenmordendes Minderheitsregime, sondern lediglich eine "ausländische Militärintervention miteinander verschworener feindlicher Mächte".

     

    Die syrische Opposition und deren bewaffnete Aufständische werden von Assad und seinen ebenso paranoiden Bündnispartnern folglich nur als "Aggressoren", "ausländische Terrorbanden", "zionistische Söldner" usw. wahrgenommen, was zwar nichts mit der tatsächlichen Realität des seit eineinhalb Jahren sich ausbreitenden Aufstands der unterdrückten Bevölkerungsmehrheit gegen das brutale Assad-Minderheitsregime zu tun hat, was aber die verschwörungsgläubige Mentalität von Assad und seinen Unterstützern offenbart.

     

    Und aus dieser paranoiden Fehlwahrnehmung und Mentalität heraus werden Assad und die letzten bei ihm verbliebenen Getreuen versuchen zu handeln, wenn ihnen das Wasser endgültig bis über Oberkannte Unterkiefer steht.

     

    Der vom Regime selbst nun offen angekündigte bevorstehende Einsatz von Massenvernichtungswaffen kann also jederzeit beginnen.

    Denn aus der wahnhaften Sicht von Assad und den Seinen ist die große Mehrheit des im antidiktatorischen Aufstand befindlichen eigenen Volkes ja der imaginierte "ausländische Aggressor" -und damit der zur Vernichtung freigegebene "Feind".

  • A
    Ant-iPod

    Aha.. da herrscht seid Monaten ein blutiges Gemetzel in Syrien und wir haben noch immer Spielraum für eine Verschärfung der Sanktionen? Warum kommt das erst jetzt? Waren vorher noch nicht genügend Syrer gestorben?

    Hat irgendjemand eine Verhaltensänderung bei Baschar und seiner korrupten Mischpoke feststellen können?

    Worauf hat die EU eigentlich gewartet, um diese Schritte nun einzuleiten?

     

    Ich glaube mittlerweile, dass dies kein Zufall, sondern gewollte Politik ist:

    Die EU kann einem instabilen und im Bürgerkrieg befindlichen Syrien offensichtlich Positives abgewinnen, weswegen sie an ihrer unmittelbaren Peripherie augenscheinlich völlig desinteressiert an Stabilität ist.

    Die Vorgehensweise hat Methode: Pressewirksam den Diktator verurteilen, dann aber nur kleckerweise kleine und wenig bedeutende Sanktionen erlassen.

    Russen und Chinesen wortstark für deren Haltung geisseln, aber selbst nichts konstruktives unternehmen.

    Saudi-Arabien und Katar - auf die bsw. Deutschland als viertgrößte Industrienation keinen unwesentlichen diplomatischen und ökonomischen Einfluss hat - stillschweigend dabei zusehen, wie diese aus Eigeninteresse bestimmte Gruppen in Syrien bewaffnen und gleichzeitig denen eine Heckler&Koch Gewehrfabrik hinstellen und öffentlich über bis zu 800 Kampfpanzer als Rüstungshilfe diskutieren.

    Assad - völlig zu Recht - fehlende Einsicht, Reformfähigkeit etc. zu attestieren, aber trotz der umfangreichen eigenen Möglichkeiten keine Angebote zu unterbreiten.

     

    Das ist kein Zustand, der von Außen über uns hereingebrochen ist, sondern das ist unsere Politik und deren Konsequenzen.

    Der Hauptleidtragende ist dabei das syrische Volk.

     

    Das ist eine Schande für uns und geschieht sicher nicht in meinem Namen.

     

    Warum unsere Presse- und Medienlandschaft dies bisher nicht aufgreift und als das benennt, was es ist - nämlich eine völlig verfehlte Außenpolitik - kann ich schwerlich nachvollziehen.

     

    Unsere unmittelbare Nachbarregion, die noch vor kurzem durch so "gebildete" Wissenschaftler wie Huntington oder Sarrazin als kultureller Gegner diffamiert wurde, befindet sich in einem Prozess, an dessen Ende eine Angleichung der Kultur im Bereich der Staatsführung und Justiz stehen soll.

    Danach rufen die Demonstranten auf der Strasse.

    Anstatt den strategischen Wert zu erkennen, setzen wir immer noch auf Dominanz durch Unterdrückung.... und einige Ungebildete fragen sich dann auch noch ganz verdutzt, woher eigentlich der Terror kommt...

    und die ganz Dummen schieben dass dann auf religiösen Fanatismus.

     

    Die Menschen wollen leben, wie wir es tun, in einem freien, korruptionsarmen Rechtsstaat.

    Was kann uns eigentlich besseres passieren, welches Kompliment an unsere Gesellschaftsordnung könnte größer sein... und wie gehen wir damit um?

     

    Es gibt Tage, da schäme ich mich für unsere politische "Führung".