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Bürgerkrieg in SyrienUN-Beobachter verlassen das Land

Die Hälfte der in Syrien eingesetzten UN-Beobachter werden ersatzlos abgezogen. Die Kämpfe in Aleppo und Damaskus gehen weiter. Die Zahl der Flüchtlinge liegt inzwischen bei über 100.000.

Bye-bye, Damaskus: UN-Beobachter beim Check-out. Bild: dpa

DAMASKUS afp | Vor dem Hintergrund der sich ausweitenden Kämpfe in Syrien haben die Vereinten Nationen die Hälfte ihrer 300 Beobachter aus dem Land abgezogen. 150 Mitglieder der UN-Überwachungsmission hätten Syrien verlassen, sagten zwei der Beobachter in Damaskus der Nachrichtenagentur AFP. Sie seien am Dienstagabend und Mittwoch ausgereist „und werden nicht zurückkommen“, fügte einer der Beobachter hinzu.

Der UN-Sicherheitsrat hatte das Mandat für die Beobachter in der vergangenen Woche nach schwierigen Verhandlungen nochmals um 30 Tage verlängert. Die USA verwiesen allerdings darauf, dass die Verlängerung nur noch dazu diene, den Beobachtern einen „sicheren und geordneten Rückzug“ zu ermöglichen.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am 14. April die Entsendung von unbewaffneten Beobachtern nach Syrien beschlossen. Aufgabe der UN Supervision Mission in Syria (UNMIS) war es, die Einhaltung einer Waffenruhe zwischen den Aufständischen und den Sicherheitskräften von Präsident Baschar al-Assad zu überwachen. Die Mission konnte das Blutvergießen jedoch nicht stoppen. Mehrfach wurden die Beobachter daran gehindert, Orte zu besuchen, teils wurden sie auch selbst beschossen.

Derweil bekämpften syrische Regierungstruppen die Aufständischen in den Metropolen Damaskus und Aleppo mit rigoroser Härte. In der Hauptstadt beschossen Kampfhubschrauber das südliche Viertel Al-Hadschar al-Aswad, wie Aktivisten am Mittwoch berichteten. Das Gebiet ist eine der letzten Hochburgen der Rebellen in Damaskus, nachdem sie in den vergangenen Tagen von den Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad aus etlichen anderen Stadtvierteln verdrängt worden waren.

Rebellen verlieren an Boden

In mehreren Bezirken der nordsyrischen Metropole Aleppo lieferten sich Regierungstruppen und Rebellen am Mittwoch heftige Gefechte. Umkämpft waren unter anderen das Einwohnermeldeamt und das lokale Hauptquartier der regierenden Baath-Partei, meldeten syrische Aktivisten. Auch in Aleppo hatte das Regime in den letzten Tagen Gebiete von den Rebellen zurückerobert.

Am Dienstag sollen bei Kämpfen und Razzien der Regierungstruppen landesweit mehr als 160 Menschen ums Leben gekommen sein, unter ihnen 119 Zivilisten. Das teilten die syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mit.

Nach Übergriffen syrischer Oppositioneller auf türkische Lastwagen schloss die Türkei ihre Grenze zu Syrien für den Güterverkehr. Lastwagen, die Syrien nur als Transitland nutzen wollten, dürften weiterhin passieren, sagte Wirtschaftsminister Zafer Çaglayan am Mittwoch. Ausnahmen gebe es auch für Lastwagen aus Syrien, die Güter zur Versorgung der Bevölkerung aus der Türkei holen wollten.

Am vergangenen Samstag hatten Angehörige der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA) 30 aus der Türkei kommende Lastwagen ausgeraubt und beschädigt. Neun Lkw wurden zudem in Brand gesteckt. An der 900 Kilometer langen Grenze der Türkei zu Syrien gibt es 13 Grenzübergänge.

Unterdessen wächst die Zahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern. Mehr als 120.000 sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Jordanien, im Libanon, in der Türkei und im Irak registriert. Nach Angaben der Regierungen seien die Zahlen noch weitaus höher, erklärte das UNHCR am Mittwoch in Bonn. Viele Flüchtlinge seien auf humanitäre Hilfe und auf Spenden angewiesen. Drei Viertel von ihnen seien Frauen und Kinder.

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5 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Trotz der Desertationsmeldungen und einigen Zwischenerfolgen der Oppostion, muss man realsitisch bleiben.

    Das Regime wird gehen... aber es ist noch nicht am Ende.

     

    Was mich interessieren würde ist, wie bsw. Kommentator JÖRN zu seinen Ansichten gelangt ist.

    Speziell wenn es um die Opposition geht - so finde ich es sehr einseitig, die Verbrechen einzelner an anderen Religionsgruppen bzw. Ethnien zu beschreiben - die natürlich Verbrechen sind und die Schuldigen dafür vor Gericht gehören! - aber das Gesamtverbrechen des Regimes dabei unerwähnt lässt.

    Das Gesamtverbrechen besteht bsw. darin, dass es keinerlei politische Initiative zeigt, die Situation im Land zu deeskalieren, die Bevölkerungsgruppen wieder zusammenzubringen und die Probleme des Landes zu lösen.

    Das Gesamtverbrechen besteht im wahllosen Morden und der Zerstörung ganzer Stadtteile durch Panzer und Artillerie.

    Den Völkermord an den Sunniten haben die Regierungstruppen begonnen - was natürlich keinen der Racheakte rechtfertigt oder auch nur relativiert.

    Wenn aber eine kleine Minderheit von nicht eimal 10% der Bevölkerung Massenmord an einer Gruppe begeht, die ca. 75% der Bevölkerung ausmacht... dann sollte man dies nicht unerwähnt lassen und nur auf die Racheaktionen der Opposition verweisen.. denken Sie nicht?

     

    Ferner kann ich nicht erkennen, dass es die Rebellen sind, welche die Gewalt haben eskalieren lassen?

    Wer hat den begonnen, Panzer, Artillerie, Kampfhubschrauber und mittlerweile auch Kampfflugzeuge einzusetzen - alles Mittel, über welche die Opposition nicht einmal verfügt.

     

    Ferner ist es unredlich, durch das auslassen der politischen Komponente, die Opposition so darzustellen, als gäbe es da nur gewalttätige Verbrecher - als wenn die wie die Schabiha-Miltz wären.

    Nochmals: Ich bestreite nicht, dass es solche Elemente gibt, sondern nur, dass diese Verbrecher repräsentativ für die Opposition stehen.

     

    Es mag eine korrekte Analyse sein, dass es weder den USA, noch Russland oder sonst einem anderen Land in Syrien um Demokratie geht - was im Falle der USA ein schwerer, strategischer Fehler wäre.

    Das ändert aber nichts daran, dass die Masse der Opposition eben diese Demokratie in Syrien einführen will.

     

    Die gewalttätigen Auswüchse - welche Sie als "ethnische Säuberungen" bezeichnen - müssen selbstverständlich unterbunden werden, keine Frage.

    Die sind aber nicht die Essenz, nicht der Kern, nicht die Mehrheit und nicht der Ausdruck von Opposition in Syrien. Es so darzustellen ist nicht korrekt.

  • T
    toyak

    An Thomas H.

     

    Letztes Mal waren die Quellen nicht existent.

     

    Wie sieht es dieses Mal mit den Quellen?

     

    Nennen Sie mir bitte Ihre Quellen.

     

    Die meisten Behauptungen von Ihnen sind frei erfunden...

    Weiter so lieber Thomas, allerdings befürchte ich, dass Ihre Propaganda in die Leere gehen wird.

  • HL
    Henning Lilge

    Sehr geehrte Redaktion,

     

    sie titelten "der Sieg ist nah" . Haben Sie dies aus dem "Stürmer" abgekupfert oder selbst "erfunden"? Es verstört dies als Titel in der TAZ zu lesen. Wie tief wollen Sie noch sinken?

     

    Mit freundlichen Grüssen

    Henning Lilge

  • TH
    Thomas H

    Unterdessen meldet der Sender Al Arabiya das Überlaufen hunderter Regierungssoldaten zur FSA, im schwer umkämpften Aleppo.

     

    Und nachdem Gestern die syrische Botschafterin auf Zypern zur Opposition übergewechselt ist, hat sich heute der syrische Botschafter bei den VAE ebenfalls von Assad losgesagt und sich auch der syrischen Opposition zur Verfügung gestellt.

     

    In den vergangenen 24 Stunden sind zwei weitere Brigadegäneräle der syrischen Armee mit dutzenden weiteren teils hohen Offizieren desertiert, um sich der FSA anzuschließen, melden übereinstimmend diverse arabische und türkische Quellen.

     

    Bashars einstiger enger Freund, Weggefährte, Vertrauter und Militärausbilder, der desertierte Brigadegeneral Manaf Tlass (Sohn des einstigen syrischen Verteidigungsministers) ist erstmals mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gegangen, in welcher er zur Demokratisierung und zum Erhalt der nationalen Einheit in Syrien aufruft, für die Zeit nach dem Sturz des Assad-Regimes.

     

    Der Zerfall der Regimekräfte innerhalb Syriens setzt sich also beschleunigt fort.

  • J
    Jörn

    Die UN-Beobachter sind nur noch auf Druck Russlands im Land. Die USA hätten diese schon viel früher abziehen wollen. Als Kompromiss wurde vereinbart, dass die Beobachtermission nur noch einmal um 30 Tage verlängert wird. In diesem Licht erscheint es nicht verwunderlich, dass diese "Verlängerung" von den USA als "Abzugszeitraum" interpretiert wird.

     

    Sicher ist Assad ein Diktator der Menschenrechtsverletzungen auf dem Kerbholz hat. Russland hat mit seiner syrischen Mittelmeerbasis ebenfalls eigene Interessen. Das Gleiche gilt jedoch auch für die USA, Israel, Iran und Saudi-Arabien. Es geht leider nicht um Demokratie sondern einen ethnisch und geostrategisch motivierten Bürgerkrieg. Selten liest man darüber, dass die Rebellen ethnische "Säuberungen" durchführen. Viele Syrer fliegen vor allem davor.

    Alle Versuche die Kämpfe zu stoppen, wurden von den Rebellen und den USA torpediert. Entweder wurde trotz Annan-Friedensplan weitergekämpft oder Resolutitonen verhindert, die die Belieferung beider Seiten mit Waffen verboten hätte.

    Die hiesigen Medien verbreiten weitgehend unreflektiert Agenturmeldungen, die voll von einseitiger Propaganda sind. Leider macht die taz da keine Ausnahme.