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Bürgerkrieg in SyrienKriegsverbrechen auf beiden Seiten

Wegen der Gewalt des syrischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung hat die OIC die Mitgliedschaft des Landes suspendiert. Die UN erheben Vorwürfe gegen beide Seiten.

Suche nach Überlebenden nach einem Luftangriff. Bild: dapd

MEKKA afp | Die islamische Welt geht immer mehr auf Distanz zur syrischen Führung um Präsident Baschar al-Assad. Angesichts der anhaltenden Gewalt setzte die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) am Donnerstag die Mitgliedschaft Syriens vorläufig aus. Der UN-Menschenrechtsrat hat unterdessen sowohl dem syrischen Regime, als auch den Rebellen Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Die Teilnehmer des OIC-Sondergipfels im saudi-arabischen Mekka seien sich über die „Notwendigkeit“, die Mitgliedschaft Syriens zu suspendieren, einig geworden, hieß es in der Abschlusserklärung, die in der Nacht veröffentlicht wurde. Die Gewalt in Syrien müsse „unverzüglich“ aufhören. Unter den 57 Mitgliedsländern hatte lediglich der Iran als Verbündeter von Damaskus die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens abgelehnt.

OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu sagte, die Entscheidung der Organisation sei eine „starke Botschaft der islamischen Welt an das syrische Regime“. Ein Land, das sein Volk massakriere und Flugzeuge, Panzer und schwere Artillerie gegen die Zivilbevölkerung einsetze, werde unter den Mitgliedsländern nicht akzeptiert. Bereits am Montagabend hatten die OIC-Außenminister eine Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens gefordert.

Die USA lobten den vorläufigen Ausschluss. Die Entscheidung zeige die wachsende internationale Isolation der Führung um Assad, sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland. Zugleich verdeutliche sie die breite Unterstützung für das syrische Volk und dessen „Kampf für einen demokratischen Staat“, der Menschenrechte akzeptiere. Syrien war bereits im vergangenen Jahr aus der Arabischen Liga vorübergehend ausgeschlossen worden.

UN spricht von Kriegsverbrechen

Unterdessen sprachen die Vereinten Nationen erstmals von Kriegsverbrechen in Syrien gesprochen. Ein am Mittwoch in New York veröffentlichter Bericht des UN-Menschenrechtsrats machte Regierungstruppen und ihnen nahestehende Milizen für das Massaker in Hula im Mai verantwortlich, bei dem mehr als 100 Zivilisten getötet wurden. Aber auch die Rebellen hätten in mindestens drei Fällen Kriegsverbrechen verübt, hieß es in dem lange erwarteten Bericht.

Im Bericht hieß es, Mord, Folter und sexuelle Gewalt deuteten „auf eine Beteiligung höchster Regierungs- und Militärkreise hin“. Auch Aufständische hätten Kriegsverbrechen begangen, allerdings in geringerem Maße. Mit ihrer Einordnung der Taten als Kriegsverbrechen stützte sich der Ausschuss auf eine Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Seit Mitte Juli bezeichnet das IKRK den bewaffneten Konflikt in Syrien als Bürgerkrieg. Demnach gilt im ganzen Land nun das humanitäre Völkerrecht. Die Experten hatten zu den Ereignissen in Syrien im Zeitraum vom 15. Februar bis 20. Juli 1.062 Interviews geführt.

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5 Kommentare

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  • KS
    Kritische Stimme

    In Nov. 2010 wurde die neue NatoTaktik von den EUlaendern akzeptiert,welche jetzt in Syrien ausgetestet wird.Ein Regime stuerzen indem man die Ereignisse vorort ausnutzt.US+UK+Israel+Frankreich haben schon ueber Jahre Agenten hierfuer ausgebildet welche jetzt vorort aktiv sind,Anschlaege organisieren und die Massen bezahlen+beeiflussen.Es ist ein Natokrieg ohne Kriegserklaerung,deswegen sind konzequent alle Friedensermittlungen von den genannten Laendern sabotiert.Hieraus geht hervor dass saemtliche Natolaender fuer die Opfer in diesem schmutzigen Krieg mitverantwortlich sind.Es ist hoechste Zeit die Nato in eine EU-Organisation abzuaendern damit die EU sich distanzieren kann von der US-Kriegstreiberei und solche Unfaelle nicht wieder passieren.Die Zeit das die EU+Nordamerika von den restlichen Laendern auf unserem Planeten sanktioniert werden kommt immer naeher.Was das fuer ein Exportland wie Deutschland bedeutet wird jedem klar sein,der EU-Niedergang wird sich ueber viele Jahrzehnte fortsetzen

  • A
    Ant-iPod

    @toddi:

     

    Sorry.. aber Sie tun es ja schon wieder: Sie verwenden bsw. SANA so, als wäre dies eine glaubwürdige Quelle - dabei ist es das Propagandamedium des Assad-Regimes. RT-Reporter sind alles andere als politisch neutral - diese vertreten die offizielle russische Sichtweise und sie geben sich nicht einmal Mühe, diese völlige Einseitigkeit zu verschleiern.

     

    Sie sind doch einer derjenigen, die Al-Arabia und Al-Jazeera dafür gängeln, wie wenig neutral und dafür interessengesteuert diese Sender seien.

    Und da bringen Sie SANA und RT als Gegenentwurf?

     

    Gut - wohlwollend könnte man sagen, dass Sie die Propaganda der anderen Seite bringen.

     

    Da werden dann aus Scharfschützen des Assad-Regimes ganz plötzlich zivile Postangestellte... da die Opposition nun offenbar auch etwas gegen Schriftverkehr und Pakete hat....

    Oder aus einer Ablehnung der Greueltaten der Opposition wird dann plötzlich "Unterstützung für Assad" - obwohl das wahrlich nicht dasselbe ist.

    Man kann nämlich auch grundsätzlich gegen Greueltaten sein und da zeigen jüngste Studien ja, dass die Vergehen auf Regierungsseite ungleich größeres Ausmaß und unverhältnismäßige Grausamkeit aufweisen.

    Deswegen kann man gegen die Greueltaten der Opposition sein - wie wir beide - und gleichzeitig noch weitaus mehr gegen das Assad-Regime - wie anscheinend nur einer von uns...

     

    Ich wundere mich halt ein wenig, wie Sie auf der einen Seite die vermeintlich unfreie Presse und Kriegshetze verurteilen... und dann genau diese Art der Medien von der anderen Seite völlig unreflektiert zitieren.

  • A
    Ant-iPod

    Ohne auch nur einen Oppositionellen, der sich Verbrechen schuldig gemacht hat, in Schutz zu nehmen:

     

    Da die Regierung Assad jedwede politische Initiative zur Lösung der Probleme des Landes fehlt und politisch nichts unternommen wird, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden - jedoch sehr viel Gewalt eskaliert wird... liegt letztlich auch die Gesamtverantwortung für die Verbrechen bei der Regierung.

     

    An jedem einzelnen Tag hätte Assad Gesetzesinititativen einbringen können, um die Korruption einzudämmen, die Machtbefugnisse der Geheimdienste zu beschneiden und auf demokratiefähiges Maß zurückzuschrauben, die Macht auf die drei Staatsgewalten zu verteilen etc.etc.etc. - dazu braucht er nicht einmal einen Dialog mit der Opposition, wenn er mit denen nicht reden will.

    Das darf er laut syrischem Gesetz alles tun - einzig: er will es nicht!

     

    Deshalb bleibt es zwar richtig darauf hinzuweisen, welche Verbrechen von wem begangen wurden - aber Baschar darf hierzu nicht aus seiner Verantwortung für sein Verhalten entlassen werden.

    Dafür gehört er nach Den Haag und dort vor Gericht.

  • P
    pauli

    "Unter den 57 Mitgliedsländern hatte lediglich der Iran als Verbündeter von Damaskus die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens abgelehnt."

    falsch, algerien hat dies ebenso abgelehnt. kasachstan und pakistan wandte sich wohl gegen eine einseitige verurteilung.

  • T
    toddi

    Kommen wir mal zu denen "einer" Seite, noch dazu zu Beispiele die bewiesen ,häufig fotodokumentiert sind. Zitat HdF:

    Ein schreckliches Amateur-Video ist auf YouTube aufgetaucht, das Gräueltaten gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Syrien zeigt. Die Aufnahmen zeigen eine Menschenmenge die kaltblütig die Leichen erschlagener Postangestellter vom Dach eines Postamtes wirft. Das Video, dessen Quelle nicht unabhängig verifiziert werden konnte, zeigt wie mehrere Dutzend Menschen die Treppe des Gebäudes umstehen, einige von ihnen skandieren "Allahu akbar!" Sie beobachten wie die Leichen herunter geworfen werden und die Stufen hinunter rollen. Außerdem haben mehrere Leute das Dach erklommen und werfen die scheinbar toten Körper der Postangestellten herunter. Als die den Boden erreichen, stürzt das Publikum herbei, die erschreckenden Bilder mit den Handys einzufangen.

    "Dokumente bestätigen, Syriens bewaffnete Opposition hat eine Todesliste mit Wissenschaftlern, Ingenieuren, Ärzten und Beamten darauf", sagte Ammar Safi, ein plastischer Chirurg aus Damaskus, zu RT.

    Sein Bruder war Faris Safi einer der erfahrensten zivilen Piloten Syriens. Mit US-Ausbildung hatte er mehr als 20.000 Stunden rund um den Globus vorzuweisen. Er wurde vom Flughafen nachhause kommend von bewaffneten Männern in seinem Auto angegriffen.

    Bereits im August brachte ein anderes Amateur-Video das weltweite Netzwerk auf. Es zeigte eine Massenhinrichtung von Assad-Unterstützern in Aleppo durch die Rebellen der "Freien Syrischen Armee". Mehrere blutende Männer wurden gezwungen, sich vor einer Mauer hinzuknien, inmitten einer Schar aufgeregter Männer, ihre Maschinengewehre zur Schau stellend.

    Ebenfalls im August übernahm eine militante islamistische Gruppe die Verantwortung für die Hinrichtung des Moderators des syrischen Staatsfernsehens Mohammed al-Saeed. Al-Said wurde am 19. Juli dieses Jahres entführt. Die Al-Nusra Front, eine wenig bekannte islamistische militante Gruppe postete am 4. August ein Statement in einem Al-Qaida nahestehende Internet-Forum:

    "Die Helden der westlichen Ghouta [in Damaskus Provinz] kerkerten am 19. Juli den Shabih [pro-Regime Miliz] Moderator ein... Er wurde getötet, nachdem er verhört worden war." zitiert AFP ihre Erklärung. Pro-Regime-Journalisten und TV-Stationen sind stets Gegenstand der Angriffe der Rebellen. Die Syrische staatliche Nachrichtenagentur SANA sagt, einer ihrer Reporter, Ali Abbas, wurde in seiner Wohnung in Damaskus am Samstag getötet. Der Bericht beschuldigte eine bewaffnete terroristische Gruppe, gab aber keine weiteren Informationen. Ein weiterer Journalist wurde bei einem Bombenanschlag getötet, während eines Berichtes aus al-Tal, einem Vorort im Norden von Damaskus. Am 6. August wurde eine Bombe in einem staatlichen Fernseh- und Radiogebäude in der Hauptstadt Damaskus gezündet, drei Menschen wurden verletzt.

    Sieben Journalisten und Arbeiter wurden getötet, als im Juni eine bewaffnete Gruppe das Hauptquartier des syrischen „al-Ikhbaryia TV“ angriff.

    Der in Großbritannien ansässige Journalist Neil Clark sagt, die Gewalt der Rebellen lässt die gewöhnlichen Syrer sich von der Opposition abwenden. Wenn die Rebellen vorher geglaubt haben, all die Unterstützung zu haben, "ist es jetzt umgekehrt."

    "Wir hatten Menschen, die Assad am Anfang unterstützten. Ich meine, eine Menge Leute waren nicht sicher, welcher Weg zu gehen sei. Sie werden von den Greueltaten abgestoßen. Und ich würde sagen, dass möglicherweise die Unterstützung für Präsident Assad nun stärker ist als im März 2011 ", sagte Clark RT.

    Die Berichte über die Greueltaten an Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kommen gerade als Washington und Ankara die Einführung einer "Flugverbotszone" über Syrien diskutieren, um den Rebellen zu helfen, und haben eine gemeinsame Gruppe gegründet haben, „um einen Regimewechsel zu erleichtern."

    Aber die Tatsache, dass die Rebellen nach einer ausländischen Intervention rufen, betont nur die verzweifelte Situation in der sie sich befinden, glaubt Dr. Ali Mohamad, Editor-in-chief der „Syrian Tribune.“

    mehr unter (und viele andere gut recherchierte Nachrichten unter: http://hinter-der-fichte.blogspot.de/

    ein Angebot für Menschen die sich ihre eigene Meinung bilden wollen – die Position der „anderen Seite“ ist in den „freien Medien“ glaube ich hinreichend dokumentiert ;-) …