Bürgerkrieg in Sri Lanka kurz vor Ende: Tamil Tigers wieder Guerillaarmee
In Sri Lanka meldet die Armee die Einnahme der letzten von den tamilischen LTTE-Rebellen gehaltenen Stadt. Doch der Guerillakrieg könnte noch Jahre dauern.
GOA taz Der konventionell geführte Bürgerkrieg in Sri Lanka geht in seine entscheidende Phase: Einen Tag nach der Einnahme von Mullaittivu, der letzten Hochburg der Tamil Tigers (LTTE) im Norden des Landes, haben die Regierungstruppen am Montag damit begonnen, die letzten Abschnitte der Ostküste unter ihre Kontrolle zu bringen.
Am Sonntag hatte Sri Lankas Armee nach einer blutigen Schlacht die Eroberung der letzten Bastion der sezessionistischen Rebellen gemeldet. Die LTTE-Kämpfer flohen in den Dschungel westlich der Stadt und sollen dort jetzt nur noch ein etwa 300 Quadratkilometer großes Gebiet kontrollieren.
Vor ihrer Flucht hatten die Rebellen einen Staudamm gesprengt und die Umgebung der Stadt überflutet, um den Vormarsch der Regierungsarmee zu verzögern. Diese setzte daraufhin Kommandoeinheiten mit Marinebooten in den Vororten Mullaittivus ab. Als die Armee schließlich mit größeren Verbänden einmarschierte, hatten die LTTE-Kämpfer die Stadt bereits verlassen. Sie hatten sie seit 1996 kontrolliert.
Armeechef Sarath Fonseka erklärte am Sonntag in einer Fernsehansprache, der Krieg sei nun "zu 95 Prozent beendet". Im gesamten Land drängten daraufhin die Menschen auf die Straßen und feierten die Meldung über die Eroberung der letzten Rebellenhochburg.
Sorge bereitet die Tatsache, dass sich immer noch 200.000 tamilische Flüchtlinge im verbliebenen Gebiet der LTTE aufhalten. Etliche von ihnen, von denen viele bereits mehrmals vor der vorrückenden Armee geflohen sind, dürften aus Angst vor Racheakten der Soldaten im Rebellengebiet bleiben. Doch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wie die Regierung in Colombo werfen der LTTE vor, die Zivilisten als Schutzschilde zu benutzen.
Über das Schicksal dieser Menschen ist nur wenig bekannt. Sri Lankas Regierung hindert ausländische Journalisten daran, in den Norden der Insel zu reisen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Und gegen regierungskritische einheimische Journalisten gingen mutmaßliche regierungsnahe Krise in letzter Zeit gewaltsam vor. Lediglich der LTTE-nahe Nachrichtendienst Tamilnet berichtet, immer wieder kämen Zivilisten bei Artillerieangriffen und Bombardements durch Regierungstruppen ums Leben. Auch die UN-Vertretung in Colombo erklärte am Montag, bei den jüngsten Kämpfen seien zahlreiche Zivilisten getötet worden.
Schon bald könnte sich zeigen, dass Sri Lanka einen großen Preis für den Kriegskurs seines Präsidenten Mahinda Rajapakse bezahlt, der vor rund einem Jahr alle Vermittlungsbemühungen abgelehnt und seine Truppen in den offenen Krieg geschickt hatte. Seitdem dürften tausende Soldaten getötet worden sein. Armeechef Fonseka deutete an, die Armee habe "ungeheure Opfer erbracht", um die LTTE in die Knie zu zwingen. Sri-lankische Medien sprechen davon, die Rückeroberung Mullaittivus sei eine "der blutigsten Schlachten" der vergangenen zwölf Monate gewesen.
Trotz der bedeutenden militärischen Erfolge der Regierungsarmee in den vergangenen Wochen könnte es noch lange dauern, bis die LTTE endgültig besiegt ist. Denn in vielerlei Hinsicht sind die Rebellen mit der Aufgabe ihrer letzten Bastion zu ihren Wurzeln zurückgekehrt.
Die Organisation begann ihren Kampf für einen Tamilenstaat im Norden und Osten des Landes Mitte der 70er-Jahre als reine Guerilla-Armee. LTTE-Kader töteten zunächst bei Anschlägen zahlreiche Vertreter der Staates. Später griffen kleine Einheiten aus dem Hinterhalt immer wieder Regierungstruppen an und fügten ihnen schwere Verluste zu.
Die verbliebenen geschätzten etwa 3.000 Kader um Rebellenchef Velupillai Prabhakaran gelten als disziplinierte, fanatische und erbarmungslose Kämpfer. Daher räumte selbst Armeechef Fonseka bereits ein, die LTTE könnte nach einer Niederlage auf dem Schlachtfeld ihren Kampf aus dem Untergrund noch ein oder zwei Jahrzehnte lang fortsetzen. Bisher starben in dem Konflikt rund 80.000 Menschen.
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