Bürgerkrieg im Kongo: Der Kreislauf des Krieges
Sobald die Regierung sich mit einer Gruppe verständigt, rebelliert eine andere: Der Osten Kongos versinkt immer tiefer in Gewalt, die Flüchtlingszahlen steigen.
Von den meisten Plastikplanen auf den aus Holz, Pappe, Stroh und plattgedrückten Konservendosen notdürftig zusammengezimmerten Hütten sind kaum mehr als Fetzen übrig geblieben. Jetzt in der Regenzeit, wenn die Tropfen am Nachmittag wie ein dichter Vorhang vom Himmel fallen, verschwinden nicht nur die Wege, sondern auch die Unterkünfte der gut 5.000 Vertriebenen im Lager Mugunga 1 in einer stinkenden Mixtur aus Dreck und Schlamm. "Wir haben nichts, um die Dächer auszubessern", klagt Fikiri Jamboku, ein Mann Anfang 40, der jeden Morgen in seinen blauen Polyesteranzug steigt, auf den größten Platz des Lagers marschiert und wartet. Worauf, das weiß er selbst nicht genau. "Es gibt immer weniger Hilfe, im Monat bekomme ich noch drei Kilo Mehl, ein Säckchen getrockneter Bohnen und einen halben Liter Öl - das muss für die ganze Familie reichen." Zurück ins Dorf will Jamboku dennoch nicht. "Es gibt hier keine Arbeit, es gibt keine Felder, und die Kinder werden in der feuchten Hütte krank - aber wenigstens sind wir am Leben."
Trotz der Gewalt im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben die Regierungen Kongos und Ruandas ihre Zusammenarbeit verbessert. Am Wochenende vereinbarten sie zusammen mit Burundi die Öffnung der Grenzposten zwischen ihren Ländern 24 Stunden am Tag und die Erleichterung des kleinen Grenzverkehrs. Davor einigten sich Kongo und Ruanda auf ein gemeinsames Projekt zur Stromerzeugung in Höhe von 200 MW aus Methangas in den Gewässern des Kivu-Sees. Bisher gibt es bloß 10 MW aus einer ruandischen Pilotanlage. Nun werden Investoren für die Kosten von 300 Millionen Dollar gesucht. Dominic Johnson
Wie die meisten im Camp Mugunga am Rand der Provinzhauptstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo, so stammt auch Jamboku aus der Stadt Masisi in der gleichnamigen Bergregion weiter westlich. Er landete vor fast einem Jahr hier, auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen Kongos Armee, Rebellen des "Nationalkongresses zur Verteidigung des Volkes" (CNDP) des Tutsi-Generals Laurent Nkunda, örtlichen Mai-Mai-Milizen und den nach dem Völkermord aus Ruanda geflohenen Hutu-Extremisten der "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR). "Ich habe nichts retten können", erinnert sich Matata Kalamiva, ein grauer, hochgewachsener Mann, der ein T-Shirt und ein leuchtend rotes Basecap trägt. "Alles, was ich besitze, ist noch in Masisi, wir mussten Hals über Kopf vor Nkundas Leuten fliehen."
Doch im Januar schöpften Kalamiva, Jamboku und die anderen Hoffnung: eine gemeinsame Militäroperation Kongos und Ruandas sollte die Rebellenbewegungen zur Aufgabe zwingen. Es ging vor allem gegen die Hutu-Milizen der FDLR, aber Höhepunkt der Aktion war die Verhaftung Nkundas auf ruandischem Boden. "Da haben wir schon gefeiert: bald geht es zurück", sagt mit leiser Stimme Kanyangesi Kapalata, ein gebeugter Alter im beigen Hemd. "Aber dann wurde alles noch schlimmer."
Denn statt des erhofften Friedens wird in Masisi und in anderen Teilen der Provinz Nord-Kivu so heftig gekämpft wie lange nicht. Die FDLR haben viele ihrer alten Positionen zurückerobert. "Den Menschen geht es eindeutig schlechter als vor der Offensive", sagt Marcel Stoessel vom Hilfswerk Oxfam. "Mädchen und Frauen werden brutal vergewaltigt, Häuser werden abgefackelt, ganze Dörfer geplündert." Nicht nur die FDLR-Milizen, auch die Soldaten der unterbezahlten kongolesischen Armee gehören zu den Tätern - manche sagen, sie sind für die meisten Gräueltaten verantwortlich. "Jeder steht unter Generalverdacht", so Stoessel. "Ständig gibt es sogenannte Racheattacken gegen die Zivilbevölkerung." Mehr als 300.000 Menschen sind seit Anfang dieses Jahres aus ihren Dörfern geflohen.
Ein Analyst der UN-Mission, der seinen Namen nicht gedruckt sehen will, macht für die gestiegene Gewalt einen Ende März unterzeichneten Friedensvertrag verantwortlich. "Die CNDP ist jetzt offiziell Teil der Armee und hat dadurch Orte erreicht, wo sie vorher nie war", sagt er. Dies habe andere Gruppen geärgert. Schon hat die erste Partei den Vertrag aufgekündigt. "Ich sprach letzte Woche mit einem Mai-Mai-Anführer aus Masisi, der hat angekündigt, man werde sich mit den Hutu-Extremisten zusammentun."
Entlang der Straße von Goma nach Masisi entstehen derzeit fast täglich neue Lager wie Mugunga I. Von "vorsorglicher Flucht" sprechen die humanitären Helfer in Goma, dem Versuch, erwarteten Massakern zu entgehen. Ähnliches sehen die Helfer bereits in der angrenzenden Provinz Süd-Kivu. "Wenn die Militäroperation gegen die FDLR wie geplant in Süd-Kivu fortgesetzt wird, dann wird es dort mindestens genauso schlimm werden wie hier", so Stoessel.
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