: Bündnisgrüne drücken feste auf die Spartube
■ Fraktion will 1997 bei Polizei und Flughäfen kürzen, um andere Härten zu vermeiden
Das große Kürzen geht weiter: Verwaltungsbeamte planen bereits jetzt neue Einsparungen, die jene weit übertreffen werden, die das Parlament Ende März beschlossen hat. Hat das Abgeordnetenhaus für das laufende Jahr Kürzungen, Vermögensverkäufe und Gebührenerhöhungen in einer Größenordnung von 5,3 Milliarden Mark beschlossen, so müssen Hauptverwaltung und Bezirke im kommenden Jahr ein Haushaltsloch von über 10 Milliarden Mark stopfen. Entsprechende Vorschläge müssen die einzelnen Senatsverwaltungen der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) bis Ende Mai unterbreiten. Die Bündnisgrünen machen nun ihrerseits Einsparvorschläge in Milliardenhöhe, mit denen Streichungen und Kürzungen im sozialen und wissenschaftlichen Bereich verhindert und zum Teil sogar zurückgenommen werden können.
So wollen die Grünen erreichen, daß bei der Polizei eine in der Bundesrepublik einzigartige Pausenregelung abgeschafft wird, wodurch 850 Stellen gespart werden können. Der Wechsel von der bisherigen 12-Stunden-Schicht zur 8-Stunden-Schicht soll weitere 321 Stellen bringen. Die Streichung des Polizeiorchesters und die Auflösung der Reiterstaffel bringt weitere 191 Stellen. Auf diese Weise könnten Löhne und Gehälter für 1.332 Stellen gespart werden, die dann etwa im Bildungsbereich nicht abgebaut werden müßten, argumentiert Oliver Schruoffenegger, Finanzreferent der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ein zweiter großer Brocken ist die Gewerbesteuer, die die Grünen rückwirkend zum Jahresanfang auf das Niveau anderer Städte wie Hamburg, Köln oder München anheben lassen wollen. Das brächte 350 Millionen Mark.
Alle Kürzungen bei Drogenprojekten und im Frauenbereich könnte die Große Koalition allein dann schon zurücknehmen, wenn sie die 13 Millionen Mark Zuschüße an die Werbeagentur Partner für Berlin streicht, sagt Referent Schruoffenegger. Drei weitere Frauenprojekte könnten erhalten werden, wenn die Pacht für den Internationalen Club von 150.000 Mark im Jahr auf über eine Million Mark erhöht wird.
Ein Abbau der Studienplätze um 15.000 auf 85.000 (Einsparung: rund 60 Millionen Mark) wäre unnötig oder könnte abgemildert werden, wenn außeruniversitäre Einrichtungen, die Zuschüsse vom Land Berlin erhalten, zur Unterrichtung von Studenten verpflichtet würden. Die Zahnmedizin an der FU bräuchte nicht geschlossen werden (acht Millionen Mark), wenn die Chefärzte der Uniklinika für die Benutzung der stattlichen Einrichtungen mehr Geld zahlen als bisher. Auch die Einführung einer Prüfungsgebühr für Jurastudenten in Höhe von 500 Mark wäre verzichtbar, wenn die Prüfer auf ihre zusätzlichen Honorare von 1,4 Millionen Mark verzichten müßten.
Statt die Sozialkarten bei der BVG zu streichen (34,6 Millionen Mark) fordern die Grünen höhere Landegebühren in Tegel und Schönefeld, sowie die Schließung Tempelhofs. Der Zuschuß an die Flughafen-Holding in Höhe von 41 Millionen Mark würde überflüssig werden. Das Hofbegrünungsprogramm soll weiterfinanziert werden, indem das Hahn-Meitner-Institut verpflichtet wird, radioaktive Abfälle nur noch dann anzunehmen, wenn die Verursacher die vollen Entsorgungskosten tragen (Mehreinnahme: 1,75 Millionen Mark im Jahr).
Im Baubereich seien Einsparungen bei der Polizei möglich, sagt Schruoffenegger. Während nämlich die Bezirke bei Schulen, Kitas und Seniorenheimen durchschnittlich die Ausgaben um ein bis zwei Fünftel gekürzt haben, habe die Polizei bei ihren Bauinvestitionen nur ein Zwanzigstel gestrichen.
Auch könne das Land aus den Bauverträgen bei der Schwimmhalle Landsberger Allee und bei der Schiffsbauhalle des Museums für Verkehr und Technik aussteigen. Zwar wären Konventionalstrafen von bis zu 60 Millionen Mark fällig, doch für rund 180 Millionen Mark könnten die beauftragten Firmen dann Kitas oder Schulen bauen.
Die Bündnisgrünen sind bereit, beim Sparen auf Zuschüsse an die Fraktion und Privilegien für Mandatsträger zu verzichten. So könnte das Land die Zahl der 100 personengebundenen Dienstwagen in Hauptverwaltung, Bezirken und nachgeordneten Behörden reduzieren und dadurch fünf Millionen Mark erwirtschaften. Dieses Geld soll wiederum dazu dienen, die Kürzungen bei den Lehr- und Lernmitteln zurückzunehmen. Würden alle Fraktionen auf 400 Mark bei den monatlichen Zuschüssen für jeden einzelnen Abgeordneten verzichten, würden 750.000 Mark erwirtschaftet.
Die Bündnisgrünen haben noch weit mehr Vorschläge. Die Fraktion hofft, mit ihrer Arbeit Einfluß auf die Hauptverwaltung zu nehmen. Schruoffenegger ist optimistisch. Finanzsenatorin Fugmann- Heesing sei im Parlament bei ihr unbekannten Einsparvorschlägen bisher „sehr aufmerksam“ gewesen. Dirk Wildt
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