BUNSENBRENNER: Buckyball
■ Die dritte Formdes Kohlenstoffs
Ein mikroskopisch kleiner Fußball sorgte Ende November für ungewöhnliche Aufregung auf einer Tagung der „Gesellschaft für materialforschung“ in Boston (Massachusetts). Diskussionen um eine Neuentdeckung liefen bis nach Mitternacht auf Hochtouren. Verantwortlich für den Aufruhr war eine Kugel, von ihren Erfindern liebevoll „Buckyball“ genannt.
Kohlenstoff ist der Stoff des irdischen Lebens. Alle Lebewesen bauen ihre Substanz aus verschiedensten Kohlenstoffverbindungen auf. Reiner Kohlenstoff dagegen existiert nur in zwei Formen, glaubten die Chemiker bisher: In Schichten übereinandergestapelt als Graphit und zum Tetrahedron kristallisiert als Diamant. Jetzt aber gibt es den Buckyball.
Sechzig Kohlenstoffatome bilden ein rundes, hohles Molekül mit 32 Flächen. Genannt ist der Ball nach dem verstorbenen Architekten Buckminister Fuller, der seine Gebäude mit luftigen geodätischen Kuppeln ausstattete. Mit minimalstem Materialaufwand lassen sich mit dieser Bauweise Räume einschließen, predigte der Architekt seinen Studenten. So leicht seien seine Gebäude, betonte er, man könne sie in den Weltraum befördern.
Luftig und leicht ist auch der Buckyball. Wozu er gut sein soll, weiß jedoch niemand. Die Entdecker der schönen Kugel machten ihren Fund rein zufällig, während sie auf der Suche nach der Beschaffenheit von Staubpartikeln im Weltall waren. Interstellarer Staub, mutmaßten die Forscher schon länger, enthält Kohlenstoff in unirdischen Konfigurationen.
Wolfgang Krätschmer vom Max-Planck-Institut für Kernphysik an der Universität Heidelberg und Donald Huffmann von der Universität Arizona wollten interstellaren Staub fabrizieren. Dazu verdampften sie Graphit und wuschen das erhaltene Kondensat mit dem Lösungsmittel Benzol aus. Ein Blick durchs Mikroskop ließ die Forscher sprachlos werden. Huffmann: „Wir sahen diese wunderschönen, kleinen Kristalle. Etwas gänzlich unbekanntes, noch nie zuvor gesehenes!“
Die reine Schönheit erfreut jedoch nur kurze Zeit. Das Rätselraten um den Nutzen der neuen Kohlenstofform hat bereits begonnen. Vertreter aus Industrie und Regierung gesellten sich zur Zunft der Chemiker in Boston. Als Schmiermittel könnten die Kugeln Verwendung finden oder als mikroskopische Behälter für radioaktive Isotope. Kohlenstoff ist billig und im Überschuß vorhanden. Und Buckyballs könnten selbst Schüler in ihrem Chemielabor herstellen.
Einstweilen, meint Huffmann, lehren die Buckyballs zweierlei: Wissenschaft muß nicht unbedingt viel Geld kosten, und es gibt in unserem Universum noch immer Neues zu entdecken. Silvia Sanides
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