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■ BuchtipAufgeklärte „Helden“

„Als Kaiser Rotbart lobsam zum heiligen Land gezogen kam...“, endete sein Feldzug unrühmlich beim Bad im Fluß. Dort starb er kampflos. Was Ludwig Uhland 1814 mit schwäbischem Biedersinn pries, schildert der in Beirut geborene Journalist und Romancier Amin Maalouf aus der Sicht der Araber: die Kreuzzüge. Mit Hilfe arabischer Chroniken und Berichten aus der Zeit zwischen 1096 und 1221 beschreibt er den „Heiligen Krieg der Barbaren“ vom Standpunkt des Historikers. Die europäische LeserIn begegnet dort ihren verklärten „Helden“ wie Barbarossa oder Richard Löwenherz aus aufgeklärtem, säkularisiertem Blickwinkel. Und sie begegnet auch arabischen „Helden“ wie Nureddin oder Saladin. Doch die wenig mit arabischer Geschichte vertraute LeserIn verliert schon mal den Überblick im Gewirr der Namen, Orte und Ereignisse.

Maalouf zeigt die Expansionsgelüste des aufstrebenden Westens, der sich unter dem Banner des Kreuzes sammelte, um den Orient zu erobern. Und er zeigt auch die Schwächen des arabischen Kulturkreises: Machtgerangel, Willkürherrschaft, Apathie. Während die „Franken“ bei ihrer Ankunft im Orient richtige Staaten gründeten und auch die Nachfolge halbwegs geregelt war, zog in den muslimischen Staaten der Tod des Monarchen stets Bürgerkriege nach sich.

„Er verfolgte ohne Unterlaß die gleichen Ziele: Einigung der arabischen Welt; moralische Aufrüstung der Muslime mit Hilfe eines riesigen Propaganda-Apparats und militärische Aufrüstung im Hinblick auf eine Wiedereroberung der besetzten Gebiete und besonders Jerusalem“, schreibt Maalouf über den Sultan Saladin, der im 12. Jahrhundert gegen die „Franken“ kämpfte. Die Ähnlichkeit mit der aktuellen Geschichte ist verblüffend. Die Vergangenheit schleicht sich in die Gegenwart, wenn es um den Kampf zwischen Damaskus und Jerusalem, um die Kontrolle über die Golanhöhen und die Bekaa-Ebene geht. Der Konflikt zwischen dem Westen und dem Orient ist andauernde Geschichte. Das Trauma ist nachhaltig.

Wer sich durch den Dschungel fränkischer und muslimischer Dynastien schlägt und der mittelalterlichen Brutalität auf beiden Seiten gefaßt ins Auge schaut, der bekommt in Maaloufs Geschichte der Kreuzzüge eine realistische und bildreiche Darstellung ohne religiös-verbrämtes Pathos. Edith Kresta

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