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Buchmesse entdeckt die Moral

■ Iran-Verlage nach heftigen Protesten wieder ausgeladen

Frankfurt (ap/taz) — Die iranischen Verlage werden nun doch von der Frankfurter Buchmesse im Oktober ausgeschlossen. Der Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Aufsichtsrat der Ausstellungs- und Messe GmbH faßten am Donnerstag einen entsprechenden Beschluß, „um die Arbeitsfähigkeit der Buchmesse 1991 sicherzustellen“. Messedirektor Peter Weidhaas hatte erst am Mittwoch die Zulassung der Verlage trotz der fortbestehenden Morddrohung gegen Salman Rushdie zwar bedauert, aber deren Unwiderruflichkeit betont.

Die überraschende Kehrtwende ist offenbar Folge der scharfen Kritik des deutschen PEN-Zentrums, der Medien von taz bis 'FAZ‘, der Absage von Günter Grass, den Verlagen Das Arsenal und Steidl sowie des Protests von elf namhaften Verlegern. Erst gestern fand Hans Magnus Enzensberger in der ‘Zeit‘ für den politischen Druck, unter dem die Buchmesse offenbar steht, deutliche Worte: „Der Export ist die Staatsräson.“ Die Zulassung der iranischen Verlage lasse nur den Schluß zu, „daß die Messeleitung und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ebenfalls der Ansicht sind, Umsatz gehe vor Leib und Leben der Autoren“. Ein berechtigter Schluß: Der Iran ist einer der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik im Nahen und Mittleren Osten, das Handelsvolumen wird in diesem Jahr voraussichtlich sechs Milliarden Dollar erreichen. Erst Ende Juni diesen Jahres war Wirtschaftsminister Möllemann zu Gesprächen nach Teheran gereist, Anlaß war die erste Tagung der deutsch-iranischen Wirtschaftskommission seit der islamischen Revolution 1979. Im Zuge dessen war auch die Höchstdekkungsgrenze für Hermesbürgschaften bei deutschen Ausfuhren in den Iran von bis dahin 500 Millionen Dollar aufgehoben worden.

Daß das Lebensrecht eines Schriftstellers und die Freiheit des Worts nicht wirtschaftspolitischen Interessen zum Opfer fallen dürfen, hat die Buchmesse spät, wenn auch nicht zu spät begriffen. Über die diplomatischen Verhandlungen im Hintergrund kann man nur mutmaßen: Zwei Stunden vor dem Widerruf der Buchmesse äußerte sich der iranische Botschafter in Bonn, Seyed Hossein Mousavian, in einem 'dpa‘- Interview: Zwar wies er darauf hin, daß das „Rechtsurteil des Imam Khomeini“ von allen islamischen Rechtsschulen getragen werde und von den 46 Mitgliedern der islamischen Konferenz-Organisation (OIC) bestätigt worden sei. Aber sein Land respektiere das Völkerrecht und den Grundsatz der freien Meinungsäußerung. Eine Formulierung, die sich als diplomatisch verklausuliertes Einverständnis mit der Entscheidung der Buchmesse lesen läßt, dem öffentlichen Protest nachzugeben und Solidarität mit dem Autor der Satanischen Verse zu üben.

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