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Buch über Walter Benjamins FamilieErinnern und vergessen

Uwe-Karsten Heye erinnert an die Frauen der Familie von Walter Benjamin. Beim Kapitel über Dora Benjamin hat er aber die Quellenangabe vergessen.

DDR-Justizministerin Hilde Benjamin: Uwe-Karsten Heye versucht das Bild der „Roten Guillotine“ zu kontextualisieren. Bild: Deutsche Fotothek, via Wikimedia Commons

Düstere Stellen gibt es im Leben des umfassend erforschten Philosophen Walter Benjamin viele, im Dunkeln liegende immer weniger. Für seine Familie gilt Letzteres nicht. Uwe-Karsten Heye, einst Sprecher von Kanzler Gerhard Schröder, hat sich in „Die Benjamins“ den Angehörigen des von den Nazis in den Tod getriebenen jüdischen Kulturtheoretikers gewidmet. Am Freitag präsentierte der Berliner Aufbau Verlag das Buch in Potsdam.

Heyes Beitrag zur Benjamin-Forschung dürfte vor allem die Auswertung bislang unbekannter Briefe aus dem Nachlass von Hilde Benjamin sein. Die ehemalige Justizministerin der DDR und Ehefrau von Walters Bruder Georg ist nicht nur wegen ihrer Beteiligung an den Waldheimer Prozessen als kommunistische Überzeugungstäterin verschrien. „Doch ihre DDR-Vita ist nicht erklärbar ohne ihre Familiengeschichte, ohne die existenzielle Bedrohung, die keiner von uns sich überhaupt noch vorstellen kann“, sagt Heye.

Konservative Kreise in der Bundesrepublik hatte Hilde als „Rote Guillotine“ und „Bluthilde“ beschrieben und sie mit dem Vorsitzenden des NS-Volksgerichtshofs, Roland Freisler, verglichen – was besonders infam war, weil Freisler der kommunistischen Anwältin 1933 Berufsverbot erteilt hatte, während ihr Mann Georg in das KZ Sonnenburg deportiert wurde. Zwölf Jahre musste Hilde den gemeinsamen Sohn Michael als sogenannten Mischling ersten Grades verstecken, nie konnte sie sicher sein, dass die Nazis nicht als Nächstes die „Mischlinge“ vernichten würden.

Unerbittlichkeit folgt der Verfolgung

Das Buch

Uwe-Karsten Heye: „Die Benjamins: Eine deutsche Familie“. Aufbau Verlag, Berlin, 361 Seiten, 22,99 Euro

Aus dieser Zeit stammen Briefe, die Heye von Hildes Schwiegertochter Ursula Benjamin zugänglich gemacht wurden: „Ich schrieb Dir ja schon, dass ich mir keine besonderen Aussichten verspreche; hoffentlich bist auch Du frei von Illusionen. Wenn es anders kommen sollte, dann umso besser“, heißt es etwa in einem Schreiben von Georg aus dem KZ. Es kam nicht anders. Georg starb 1942 in der „Schutzhaft“; auch seine Geschwister Walter und Dora überlebten den Nationalsozialismus nicht.

Heye versucht nachzuzeichnen, wie das Leid der verfolgten Kommunistenfamilie in Hildes Unerbittlichkeit bei der Verfolgung von NSlern mündete. Er habe die DDR-Justiziarin aus der „Kalten-Kriegs-Semantik herausschälen“ wollen, sagt er. Die Juristin sei „bevorzugtes Ziel“ revisionistischer Kampagnen, „verbunden mit einer Neigung, das SED-Regime derart schwarzzumalen, dass die Ungeheuerlichkeit des SS-Staates dagegen zu verblassen schien“, so Heye. Sein Buch solle „die Chance eröffnen, eher fairer“ mit Hilde Benjamin umzugehen.

Nicht immer wahrt Heye die gebotene Distanz. So schildert er einen Besuch im KZ Mauthausen, in dem Georg starb, als Zugang zur authentischen Erfahrung der Häftlinge: „Aber dann, zusammen mit einigen hundert Besuchern an diesem Tag, ist man plötzlich eingereiht und wird zu einer der Elendsgestalten, die halb verhungert vor mehr als siebzig Jahren aus den Eisenbahnwaggons am Bahnhof von Mauthausen kletterten oder einfach herunterfielen.“

Fotschrittliche Denkerin Dora

Auch den Blick auf Dora Benjamin, einer hellwachen Sozialforscherin, die ihrem Bruder Walter ins Exil gefolgt war, will Heye korrigieren. „Unterschätzt und übersehen“ hätten die Walter-Biografen die Frau, die für ihn jedoch eine beeindruckende, fortschrittliche Denkerin war.

Doch in seinen Ausführungen zu ihr hat sich Heye dabei bei einer Historikerin bedient, ohne dies deutlich zu machen. Vor Auslieferung der ersten Bände musste der Aufbau Verlag deshalb einen „Errata“-Zettel auf die Seite 3 des Buchs kleben. Etwas unvermittelt steht da, das Kapitel „Wo bleibt Dora?“ folge „in Aufbau, Text und Quellen weitgehend“ einem Aufsatz der Bremer Wissenschaftlerin Eva Schöck-Quinteros. Heye erwähnt einmal – auf der siebten Seite des Kapitels – einen „Sonderdruck der Universität Bremen“ von 1997 über die „Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland“, nennt jedoch weder den Namen des Aufsatzes noch dessen Verfasserin.

Dabei hat er auf 21 von 25 Seiten des Kapitels wörtliche Übernahmen benutzt, ohne diese als Zitat kenntlich zu machen. Teils sind ganze Absätze übernommen. „Ich muss ehrlich sagen, bei der Fülle von Quellen ist mir das untergegangen“, sagt Heye dazu. „Ich habe geschrieben, dass es diese Konferenz in Bremen gab, aber die Autorin nicht erwähnt, das ist ein Versäumnis, das ich bedaure.“

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2 Kommentare

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  • Heye - klar das geht nicht;

     

    aber - der erneute - Versuch

    (vorher Jakop Epler Modell Rote Hilde - inne taz)

    Hilde Benjamin eine

    Aufhellung angedeihen zu lassen,

    geht auch nicht -

    ist schlicht peinlich, menschenverachtend

    und unhistorisch;

     

    der Hinweis auf die

    nicht hinnehmbaren Vergleiche

    der Reaktionäre in den 50/60ern

    mit Roland Freisler etc

    hilft da gar nicht;

     

    vielmehr erscheint es dadurch

    um so durchsichtig-hilfloser;

     

    wenn euch so eine integre Figur

    wie Hans Litten für die

    Vornazizeit nicht reicht -

     

    dann - bitte -

    Marianne Brentzel Die Machtfrau (1997)

     

    "...Hilde Benjamin wurde Vizepräsidentin des Obersten Gerichts der DDR. Die Bilanz ihrer Richtertätigkeit ist eindrucksvoll: Als Vorsitzende des 1. Strafsenats von 1949 -1953 führte sie 13 große Verfahren, sprach 67 Verurteilungen aus, darunter zwei Todesurteile, 15 mal lebenslänglich und insgesamt circa 550 Jahre Zuchthaus.

    Gemeinsam mit dem Generalstaatsanwalt Melsheimer inszenierte sie Schauprozesse und unterwarf die Angeklagten demütigenden Verhören.

    ..."

     

    kurz: "Strikte Parteilichkeit der Justiz "

    - ihr Motto - :

     

    d.h. - RichterInnen in der DDR

    waren Sheriffs der Partei

    und das ist vor allem ihr -

    Hilde Benjamins Werk.

  • U
    Uticensis

    Die "vergessene Quellenangabe" erledigt das Buch ja eigentlich schon. Und ob Heye eine geeigneter Autor ist, so ein Thema wissenschaftlich-seriös anzugehen? Sicher eher nicht, so als politischer Journalist, der v.a. durch unberufene Meinungsäußerungen / Meinungsmache usw. aufgefallen ist.

     

    Vor allem ist aber der Grundansatz, das Verhalten der Hilde Benjamin zu erklären (dh wohl in milderem Licht erscheinen zu lassen), unverständlich und fragwürdig. Es ist doch genau umgekehrt: Gerade weil sie offenbar in der Familiengeschichte "existenzielle Bedrohung" und Unrecht erlebt hat, ist es um so unverständlicher, dass sie selbst sich so vollständig in den Dienst der anderen Diktatur gestellt hat und verbrecherische (und später aufgehobene) Todesurteil gefällt hat, selbst zur Mörderin auf der Richterbank wurde. Ihrer Erfahrungen bis 1945 lassen ihr Tun doch als noch unverständlicher Erscheinen, weil es völlige Verblendung zeigt, neben dem Fehlen einer moralischen Orientierung. Sie war eben eine deutsche Exponentin des Stalinismus, so dass ihre schlimmsten Taten mit dem Tod Stalins auch zu Ende waren.

     

    Im Übrigen gehen Bezeichnungen wie „Rote Guillotine“ und „Bluthilde“ lt. Wikipedia keineswegs auf "konservative Kreise in der Bundesrepublik" zurück (als ob übrigens SPD-Kreise sie milder beurteilt hätten), sondern sind im "im Volksmund" der DDR aufgekommen.