Buch über TV-Zuschauerbriefe: Du, Fernsehen ...
Glotzende Nachrichtensprecher, Lottobestellungen und Schildkröten: Ein neues Buch präsentiert kuriose Zuschauerpost ans öffentlich-rechtliche TV.
Das Rohmaterial ist grandios, die Idee eigentlich auch: Jan Hofer, Chefsprecher der "Tagesschau", hat sich durch die Archive der Zuschauerredaktionen in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gelesen. Und ist dabei auf allerhand belustigende ("Ich möchte gerne wissen, mit was für ein Motor die Sonne, die morgens aufgeht und abends untergeht, angetrieben wird. Bitte schicken Sie mir eine anatomische Tafel") bis beängstigende Post ("Langsam bin ich es leid, mich von der Sprecherin der Tagesschau beim Abendessen beglotzen zu lassen") aus der Feder der Fensehzuschauerschaft gestoßen.
Daraus hat Hofer nun ein Buch gebastelt, mit dem etwas länglichen Titel "Liebe Lottofee, anbei meine Zahlen für kommende Woche. Die kuriosesten Zuschriften ans Fernsehen".
Der rote Faden ist die Idee, des Volkes Post an sein Fernsehen als Liebesbeziehung zu lesen. Nur: Diese naheliegende wie langweilige These der Hassliebe zwischen Zuschauer und Fernsehprogramm trägt einfach kein ganzes Buch. Vielleicht hätte sie ein ganzes Buch getragen, wenn Hofer und sein Co-Autor, der Journalist Peter von Kempten, nicht versäumt hätten, auf den gut 175 Seiten noch eine zusätzliche Perspektive aufzumachen.
So aber bleiben nach der Lektüre vor allem Fragen übrig, die eigentlich auf der Hand liegen: Was für ein Bild macht sich ein Moderator über die Jahre eigentlich von seinen Zuschauern, wenn die ernsthaft einen öffentlich-rechtlichen Kanal für Hundefernsehen gründen möchten? Oder detailliert ausgearbeitete Programmvorschläge für das Sommerloch anbieten: "Wir würden Ihnen gerne, für das Regionalfernsehen, ein Foto unserer Schildkröte Kurt schicken, die von einer Schnecke überquert wurde, weil der Boden für die Schnecke überflutet war"?
Fehlende Antworten
Wie antwortet die Zuschauerredaktion darauf? Deren Antworten fehlen dem Buch leider völlig. Erst im letzten Kapitel wechseln sich Abdrucke der an Jan Hofer gerichteten Zuschauerpost mit dessen Antworten ab.
Über weite Strecken machen sich Hofer und von Kempten aber einfach nur über die Kuriositäten lustig, die die Archive der Zuschauerredaktionen so hergeben. Was auf die Dauer ein bisschen lahm wirkt - denn dass man es hier mit allerhand Neurotikern, Spinnern und Wichtigtuern zu tun hat, begreift man ja schnell.
Festzustellen, dass die Beziehung zwischen Publikum und Fernsehprogramm Züge einer zwischenmenschlichen Partnerschaft aufweisen kann - okay. Aber was sagt es uns eigentlich, dass es tatsächlich Leute gibt, die eine Vorabendserie so bewegt, dass sie Analysen über die fiktiven Charaktere der Protagonisten verfassen? Warum hat man das nicht einfach genutzt, um ein paar ernsthaftere Reflexionen über die deutsche Fernsehgesellschaft anzustellen?
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