Buch über Neue Deutsche Welle: Erkläre deine Jugend
Der Autor Hollow Skai brachte einst selbst Bands wie Bärchen und die Milchbubis und Hans-A-Plast heraus. Nun veröffentlicht er ein Buch über die Neue Deutsche Welle.
Wenn jemand ein Buch zur Neuen Deutschen Welle veröffentlicht, dann ist die allererste Frage: Hatten wir das nicht alles schon? Diese halbbesoffene Euphorie, diese Wiederauferstehung der Zeit, als Punk nach (West-)Deutschland kam und zwischen Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Berlin eine halb jugendclubartige, halb richtig neue Aufbruchstimmung entstand.
Jürgen Teipel, der 2001 seinen Doku-Roman "Verschwende Deine Jugend" zum Thema Punk und New Wave in Deutschland herausgebracht hat, ist jedenfalls verantwortlich dafür, dass die alte Welle kurzzeitig wieder neue Kraft bekam. Musiker wie Peter Hein wurden allerorten in den Musikgazetten interviewt und die "Fehlfarben" gingen wiedervereinigt auf Tour - gewissermaßen als Band zum Buch.
Nun hat der Journalist und Autor Hollow Skai in seinem Buch "Alles nur geträumt" eine ganz andere Art, über Punk, Kunst, Musik und die Achtzigerjahre zu schreiben, als Jürgen Teipel. Während Teipel eine seriöse und in der Tradition der Oral History stehende Popgeschichtsschreibung betreibt, ist Hollow Skai vielmehr Teil der Jugendbewegung und bis heute ein Enthusiast, was Punk angeht. Mit seinem Label No Fun Records hat er in Hannover Bands wie Bärchen und die Milchbubis und Hans-A-Plast herausgebracht. Mit wenig Budget wurden Singles gepresst - und man guckte mal, was draus wird. Das war ungestüm, unberechenbar und erstaunlich sorglos.
Die Neigung zu irrsinnigen Späßen und subversivem Stumpfsinn (zum Beispiel in Punk-Songs wie "Rolltreppe, Rolltreppe, Eisen und Stahl" von Male oder "Da vorne steht ne Ampel" von Der Plan) durchzieht auch Skais Buch. Er schreibt lakonisch und gleichzeitig verspielt. Kapitelüberschriften wie "Das hast du toll gemacht, Alfred!" hören sich ein bisschen an wie Songtitel aus der frühen NDW. Diese Art, mit Sprache umzugehen, führt dazu, dass "Alles nur geträumt" nicht nur ein Buch über Punk, sondern auch ein punkiges Buch ist. Das lässt einen über die nostalgischen Passagen leicht hinwegkommen, wenn mal wieder Rodenkirchen brennt oder über die Düsseldorfer Kneipe Ratinger Hof berichtet wird, wo kaum jemand eine Gitarre halten konnte.
"Nicht nur für den Fehlfarbengitarristen Thomas Schwebel war die Neue Deutsche Welle das einzig nennenswerte Pop-Ereignis in Deutschlands populärer Musik seit Gründung der Bundesrepublik. Umso mehr deprimierte ihr Ende die Akteure, die an ihr beteiligt waren", schreibt Hollow Skai. Das ist die tiefer liegende Botschaft seines Buchs: NDW war wichtig, unkommerziell, subkulturell, ja geradezu leidenschaftlich.
Wenig davon ist noch zu spüren, wenn man einen NDW-Sampler hört, auf dem sich vor allem Leute wie Hubert Kah oder Frl. Menke tummeln, die mit NDW aus Sicht von Insidern nichts zu tun haben. Dieses Selektieren, wer zur Welle dazugehörte und wer nicht, kann man nerdig finden. Aber dahinter steckt die Trauer darüber, wie Trittbrettfahrer den deutschen Punk zu einem Verkaufsschlager in der ZDF-Hitparade machten - der dann bald verschwand, weil sich diesen Blödsinn niemand länger antun wollte.
Die Analyse der Vermarktungsmechanismen von Musik und das Kreisen um die ewige Frage, wie subversiv und unbestechlich eine relevante musikalische Bewegung sein muss, sind eine weitere Stärke von Hollow Skais Buch. Dem Mann ist es ein Bedürfnis, solche Themen in die Welt des Turbokapitalismus rüberzuretten, und das ist gut so.
Was dagegen manchmal befremdlich ist: Der Kulturpessimismus, den Herr Schwebel und Herr Skai verbreiten, wenn sie darauf bestehen, dass es nach der Neuen Deutschen Welle nie wieder eine interessante Bewegung in der hiesigen Musik gegeben hat. Diesen Standpunkt teilen wahrscheinlich wirklich nur die Musiker, die genau dort und damals dabei gewesen sind. Die Hamburger Schule, der deutschsprachige Hip-Hop und die gesamte DJ- und Techno-Kultur sind genau solche interessanten Entwicklungen gewesen und dauern bis heute an. Aber klar: Es kann durchaus sein, dass sie ohne die NDW in den Achtzigern in dieser Form nicht möglich gewesen wären.
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