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Buch über Mathematik als WirtschaftsmotorEine verpasste Chance

Zum Wissenschaftsjahr 2008 bringt der Springer-Verlag ein Buch heraus, das mit großen Namen dekoriert ist - doch der Erkenntnisgewinn ist rar.

Ein schöner Buchtitel, durchaus: "Mathematik - Motor der Wirtschaft". Das klingt nach spannenden Geschichten aus Ökonomie und Technik, die den Nutzen der Rechenkünste lebensnah vor Augen führen. Einblicke in eine oft vergessene Welt also.

Anlass der Publikation ist das aktuelle Jahr der Mathematik. Seit dem Jahr 2000 richtet das Bundesforschungsministerium solche Wissenschaftsjahre aus. Nächstes Jahr ist die Astronomie an der Reihe.

Das Buch zum Mathe-Jahr, das Anfang Mai herauskommt, ist nicht von schlechten Eltern. Es erscheint im Springer-Verlag in Zusammenarbeit mit dem renommierten Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach, und es befasst sich mit dem Einsatz der Mathematik in 20 großen Firmen und Institutionen. Da hätte echt was draus werden können.

Hätte. Denn das Buch entpuppt sich als PR-Plattform - schließlich schreiben die Firmenchefs selbst. Linde-Chef Wolfgang Reitzle ist nur ein Beispiel von vielen: "Die moderne Mathematik ist Schlüsselfaktor für die Innovationsfähigkeit des Unternehmens." So formuliert niemand, der Wissen transportieren will, so schreiben Werbeabteilungen.

Oder nehmen wir Bahnchef Hartmut Mehdorn, wenn er über die "hohe systemtechnische Kompetenz" des Unternehmens palavert und darüber, dass "Mathematik das Handwerkszeug für viele unsere Technikfelder" ist. Konkretes ist rar, der Erkenntnisgewinn gleich null.

Was hätte man für schöne Geschichten schreiben können. Um bei der Bahn zu bleiben: Die Entscheidung, ob ein Zug wartet, um Anschlüsse zu gewährleisten, braucht komplexe mathematische Optimierungsverfahren. Ein Blick in die Leitzentrale der Bahn wäre interessant gewesen.

Anderes Beispiel: der Energieriese RWE. Die Prognose von Stromverbrauch und nötiger Erzeugung für den nächsten Tag erfordert ausgefeilte Algorithmen. In Brauweiler, wo die Systemführung der RWE-Netze angesiedelt ist, hätte man Stoff für eine solche Geschichte gefunden. Stattdessen rühmt sich der Versorger blumig "tiefgreifender Kenntnisse der Theorie stochastischer Prozesse" - und lässt am Ende doch alles offen.

Eigentlich sollte das Buch helfen, die Gräben zwischen der Mathematik und der Öffentlichkeit zu überbrücken. Man wollte das Thema anschaulich, lesbar und letztendlich für junge Leute attraktiv machen. Denn daran hapert es: Das Institut Oberwolfach stand vor einigen Jahren vor dem Aus, weil man versäumt hatte, das eigene Tun ausreichend zu kommunizieren. Doch auch das aktuelle Buch wurde nur wieder ein Beleg für die Distanz zwischen mathematischer Forschung und der realen Welt.

Weltfremd überließen die Mathematiker - unterstützt sogar vom Forschungsministerium - den Unternehmen die Buchseiten, im naiven Glauben, auf diese Weise Erhellendes zutage zu fördern. Man hätte stattdessen Autoren suchen sollen, die in der Vermittlung von Wissen erfahren sind.

Und auch ein wenig Kritikbewusstsein wäre wohltuend gewesen. Mit diesem ausgestattet hätte man zum Beispiel die Einlassungen des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann nicht in dieser Form gedruckt: "Aus den Finanzmärkten und Banken ist die Modellierung des Risikos nicht mehr wegzudenken", schreibt er, "Bankmanagement wäre ohne quantitative Analysemethoden nur als unverantwortlicher Blindflug zu bezeichnen." Zu analysieren, ob bei den aktuellen Milliardenabschreibungen der Deutschen Bank nun die Mathematiker versagt haben oder ob die Ökonomen sich über deren Logik hinwegsetzten, wäre eine lesenswerte Geschichte gewesen. Auch sie wurde leider nicht geschrieben.

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1 Kommentar

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  • EL
    Edmund Lauterbach

    Der Wertung, die der Artikel vornimmt, kann man nur zustimmen. Die Faszination der Mathematik, wie auch von anderen Wissenschaften, liegt auch darin, dass sie für den Außenstehenden meist sehr kompliziert und unverständlich wirkt. Gute populärwissenschaftliche Texte schaffen es, eine Brücke zwischen der Kompliziertheit auf der einen und der Verständlichkeit für ein breiteres Publikum auf der anderen Seite zu bauen. Man wird weder der Mathematik noch den interessierten Leser gerecht, wenn man auf die eine Seite der Brücke ganz erzichtet, und nur auf der simplen und banalen Seite verharrt. Das bedient letztlich nur Vorurteile.

     

    Apropos Deutsche Bahn und Mathematik - in einer Zeitung, deren Name sich von der taz nur um einen Buchstaben unterscheidet, findet sich heute folgende Bemerkung: "Nach Mitteilung der DB hat diese dabei die Preise seit 2004 fünfmal um 3,4, 3,1, 2,9, 5,6 und 2,9 Prozent erhöht. Macht zusammen 17,9 Prozent." Das ist wohl die seit PISA übliche Form der Prozentrechnung.