Bruno Labbadia geht nach Stuttgart: "Wir brauchen diesen Neuanfang"
Ausgerechnet Bruno Labbadia: Der Trainer, dem bislang nicht nicht viel gelungen ist, soll den taumelnden VfB Stuttgart zum Klassenerhalt führen.
STUTTGART taz | Es ist mittlerweile schon ein vertrautes Ritual in Cannstatt. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen lädt die Klubführung des VfB Stuttgart die örtlichen Medien in den Presseraum des Stadions, um einen neuen Trainer zu präsentieren. Gestern um die Mittagszeit war es wieder so weit.
In einem edlen dunkelblauen Anzug und passender Krawatte saß Bruno Labbadia auf dem Podium, flankiert von Manager Fredi Bobic und Präsident Erwin Staudt. "Es ist eine interessante Aufgabe, aber auch eine, die ich mit sehr großem Respekt angehe", sagte Bruno Labbadia. Sein Vorgänger Jens Keller war am Samstag nach nur zwei Monaten im Amt von seinen Aufgaben entbunden worden. Beim VfB geht die Angst um.
"Wir sind in der schwierigsten Situation der letzten Jahre", sagte Erwin Staudt, der jede persönliche Verantwortung für die Misere von sich schiebt. "Für den Erfolg auf dem Platz ist der Übungsleiter verantwortlich." Kein Wunder, dass der Trainer-Job in Stuttgart noch nie zu den Langzeitmodellen mit dem Anspruch auf ein entspanntes Wirken zählte. Fredi Bobic traut Labbadia jedoch den Kraftakt Rettung zu. "Wir sind davon überzeugt, dass es passt. Wir brauchen diesen Neuanfang", sagte Bobic.
Neben Keller trennte sich der VfB auch von Konditionstrainer Christian Kolodziej und dem langjährigen Urgestein und Betreuer Jochen Rücker. Labbadia bringt seinen Co-Trainer Eddy Sözer mit, der gestern während der Pressekonferenz bereits das Training vorbereitete. Labbadias Aufgabenliste ist lang. Alles muss besser werden, nachdem der VfB die vergangenen fünf Spiele nicht gewonnen hat und auf einen Abstiegsplatz gerutscht ist. Und das möglichst schnell.
Labbadia muss aus begabten Einzelkämpfern endlich ein Team formen und einer Mannschaft mit gebrochenem Herzen den Glauben zurückgeben. Ausgestattet wird er mit einem Vertrag bis 2013, der nur für die Erste Liga gilt. Der 44-Jährige präsentierte sich gewohnt wortgewandt, kam aber nicht wirklich auf den Punkt, wie er die Mission Nichtabstieg konkret bewältigen will. Er sprach von "Arbeit auf dem Platz und in den Köpfen", kleinen Schritten und einem Plan im Kopf.
Der Ruf, der dem gebürtigen Darmstädter vorauseilt, ist nicht gerade schmeichelhaft. Labbadia muss deshalb auch die Zweifel an seiner Person wegwischen. Er gilt als selbstverliebt, sehr schnell beleidigt, extrem ehrgeizig und eitel, weshalb er auch als der "schöne Bruno" verspottet wird. Bei seinen bisherigen Stationen in Leverkusen und Hamburg scheiterte er nach gutem Start weniger an seiner taktischen Ausrichtung, sondern daran, dass er beim DFB-Lehrgang in Köln beim Thema Menschenführung wohl nicht besonders gut aufgepasst hat. In Leverkusen attackierte er sein Team am Tag des DFB-Pokalfinals in einem Interview heftig, in Hamburg zerstritt er sich mit seinen Profis.
In den sechs Monaten seit seinem Rauswurf in Hamburg hat er sich kritisch mit seinem Scheitern auseinandergesetzt und sich Rat von verschiedenen Seiten geholt, unter anderem von Oliver Bierhoff. Gestern gab sich Labbadia geläutert. "Ich habe erstmals seit vielen Jahren drei Wochen Urlaub gemacht, viele Dinge reflektiert, für die ich nie Zeit hatte und fühle mich erholt für die Aufgabe", sagte Labbadia.
Ob das für den VfB reicht? Bislang arbeitete Labbadia stets mit spielstarken Mannschaften und hat noch nicht den Nachweis erbracht, dass er ein Team auch aus den Niederungen der Liga führen kann. Es ist für Labbadia wohl die letzte Chance, sich in der Liga zu beweisen - aber auch der VfB Stuttgart hat nicht mehr viele Optionen, wenn er eine total verkorkste Saison noch retten will. "Ich hoffe, dass wir die Sonne in einem halben Jahr wieder strahlen lassen", sagte Labbadia beim Blick aus dem Fenster. Die neue Zweierbeziehung sollte fruchten - für beide Seiten. Sonst steht für den VfB Stuttgart am Ende dieser Saison der erste Abstieg aus der Bundesliga seit 1975.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs