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Brüder zur Sonne, zum Kanzleramt

■ SPD-Parteitag soll Willen zur Macht zeigen

Berlin (taz/dpa) – Ein Signal der Entschlossenheit soll der heute in Wiesbaden beginnende Bundesparteitag der Sozialdemokraten aussenden. Er soll, so will es der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping, den Willen zum Machtwechsel in Bonn demonstrieren. Unter Leitung von Scharping billigten gestern die 45 Vorstandsmitglieder SPD eine Reihe von Initiativanträgen, die heute den rund 480 Delegierten vorgelegt werden. Vorbereitet wurde unter anderem eine Resolution gegen Rechtsextremismus und Gewalt sowie eine Erklärung zur Gestaltung der deutschen Einheit.

An dem Antrag zur Wirtschaftspolitik, den der stellvertretende Parteivorsitzende Oskar Lafontaine ausgearbeitet hatte, nahm die Antragskommission noch eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen vor. Lafontaine hatte in den vergangenen Wochen bei den ostdeutschen Sozialdemokraten scharfe Kritik mit seiner Forderung ausgelöst, die Löhne in Ostdeutschland müßten langsamer steigen. In der Erklärung zur Einheit heißt es nun, gleicher Lohn für gleiche Arbeit sei „ein eherner sozialdemokratischer Grundsatz“. Der Vorstand beschloß weiter einen Antrag, in dem der Abzug der deutschen Soldaten aus Somalia gefordert wird.

Führende SPD-Politiker rechnen damit, daß die Delegierten im Streit um die Rolle der Bundeswehr und den großen Lauschangriff der Linie der Parteispitze folgen werden. Im außenpolitischen Leitantrag wird eine Teilnahme deutscher Soldaten an UN-Blauhelm-Missionen befürwortet, Kampfeinsätze werden aber weiter abgelehnt. Der innenpolitische Leitantrag sieht vor, das elektronische Abhören von Wohnungen unter bestimmten Bedingungen zu erlauben. In einer gemeinsamen Erklärung „Warnung an den SPD-Parteitag“ haben dagegen die Humanistische Union, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Gewerkschaft ÖTV und die Strafverteidigervereinigungen an die SPD-Delegierten appelliert, dem „großen Lauschangriff“ keine verfassungsändernde Mehrheit zu verschaffen. Die SPD dürfe den liberalen Rechtsstaat nicht kurzfristigen populistischen Neigungen opfern. Ein Abrücken von früheren Beschlüssen brächte der SPD keine neuen Wähler, sie würde aber bei ihrer liberalen Stammwählerschaft unglaubwürdig. Mit dem Lauschangriff würden „weder Schwerkriminelle noch Wähler der Republikaner eingefangen“.

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