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Brückner: Niemals nichts gewußt

■ Ex-Gesundheitsminister will von grauen Kassen nichts gesehen oder gehört haben

Niemals nichts gewußt hat der ehemalige SPD-Gesundheitssenator Herbert Brückner von den „grauen Kassen“ und Schmiergeldaffären im Klinikum St.Jürgen Straße. Das sagte er als Zeuge im Prozeß gegen den ehemaligen Verwaltungschef Aribert Galla gestern jedenfalls aus. Brückner nannte Gallas Ausführungen vor Gericht „eine unverschämte Lüge“: entgegen Gallas Aussage in seiner Amtszeit nichts von „grauen Kassen“ zu Ohren gekommen.

Große Zweifel an der Schuld des Angeklagten nach Ende der Zeugenvernehmungen scheint das Gericht nicht mehr zu hegen. Beim gestrigen sechsten Verhandlungstag handelten Gericht und Staatsanwalt einen zweiten Zeugen relativ schnell ab, dessen Aussage Gallas Verteidigung frontal widersprach: Denn entgegen der Aussagen des Angeklagten, all das Geld in den „grauen Kassen“ sei nur für das Krankenhaus bestimmt gewesen, erklärte der Geschäftsführer eines Unternehmens, Galla habe von ihm Schmiergelder „für sich“ gefordert.

Jürgen Bockelmann, ehemaliger Geschäftsführer der Klimagerätefirma TWG, konnte sich gut daran erinnern, an Galla jeweils fünf Prozent seines jährlichen Umsatzes mit der Klinik abgeführt zu haben – und zwar an Aribert Galla persönlich. „Er hat gesagt: „Dann bekomme ich fünf Prozent.“

Die Aussage von Bockelmann ist ein weiterer Stein, der aus Gallas Verteidigung bröckelt. Den Tatbestand der Bestechlichkeit durch die „grauen Kassen“ hat der Ex-Klinik-Chef freimütig zugegeben, doch persönliche Bereicherung, also Untreue, hat er bisher nur in Ausnahmefällen zugegeben.

Vor Bockelmann stellte auch der ehemalige Gesundheitssenator und Gallas SPD-Genosse Herbert Brückner seine Aussage gegen die des Angeklagten. Der hatte behauptet, Brückner hätte ihn am Anfang seiner Karriere in St.Jürgen erst auf die Idee mit den grauen Kassen gebracht, das Ganze eingefädelt und sei die ganze Zeit informiert gewesen. Der unvereidigte Zeuge Brückner schwor Stein und Bein: „Ich habe nie etwas von diesen grauen Kassen gewußt oder so etwas zu Galla gesagt.“ Zwar seien die Krankenhäuser in der Zeit finanziell arg gebeutelt gewesen, aber „graue Kassen waren nie nötig, das wäre ja illegal gewesen. Für Investitionen gab es einen bestimmten Etat, auch für Sonderprobleme gab es legale Finanzierungswege.“ Wenn er in Einzelfällen in anderen Kliniken von Schmiergeldannahmen gehört habe, sei er sofort eingeschritten.

Schließlich, meinte Brückner, hätte Galla teilweise auch legal eigenes Geld durch den Verkauf von Klinikmaterial machen können: „Der Haushalt sah durchaus die Verwendung von eigenen Mitteln durch die Krankenhäuser vor. bpo

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