: Brüchige Eisdecke
Proof — Der Beweis ■ Von Renate Kemper
Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache: Es ist lebenswichtig, um Beziehungen aufzubauen, und verhält sich doch oft wie eine brüchige Eisdecke, kann schnell in Verrat umschlagen. In ihrem Regie-Debüt Proof — Der Beweis ist es der Australierin Jocelyn Moorhouse gelungen, diesen Balanceakt in Filmbilder umzusetzen. Martin ist blind. Und Martin ist Fotograf. Die Kamera wird für ihn zum Medium, seine Umgebung erfaßbar zu machen. Was zunächst paradox klingt, löst sich in der Freundschaft zwischen Martin und dem jungen Aushilfskoch Andy wieder auf: Mit kurzen Sätzen beschreibt Andy, was auf den Fotos zu sehen ist. Er „erzählt“ Martin die von ihm gemachten Bilder und läßt dadurch Menschen, Plätze und Situationen vor dessen geistigem Auge neu entstehen.
Der dadurch bedingte Vertrauensvorschuß wird zur Grundlage für die Freundschaft der beiden. Gemeinsam durchkreuzen sie mit dem Auto die Stadt, legen sich mit einer Punker-Bande an und tricksen schließlich die sie mit Blaulicht verfolgenden Ordnungshüter aus. Dabei entstehen komische Situationen, die auch ein Lächeln über Martins Umgehen mit seiner Blindheit zulassen. Natürlich gehört auch die Liebe mit zum Spiel in dieser Freundschaft. Celia umsorgt Martins Haushalt und ist in ihn verliebt, aber Martin weist ihre Liebe schroff zurück. Trotzdem drängt sie sich in sein Leben hinein, oft genug schwankend zwischen Verführung und Bosheit: etwa wenn sie unbemerkt Martins Blindenhund im Park zurückhält, um Martin für Sekunden ohne Orientierung allein zu lassen.
Auch Martin wird nicht zur durchweg sympathischen Figur stilisiert, sondern zeigt wütende, barsche und verbitterte Seiten. Am Ende zerbricht die labile Dreierbeziehung von Martin, Celia und Andy so, wie es fast kommen mußte. Doch ohne kitschiges Pathos. In diesem Sinne ist Proof — Der Beweis die realistische Geschichte einer Freundschaft durch blindes Vertrauen — und des Bruchs, der mit dem Vertrauensmißbrauch eingeleitet wird. Ein feinfühliger und mit leisem Humor inszenierter Film, der wieder Hoffnung auf eine gutes Kino vom Fünften Kontinent weckt.
Jocelyn Moorhouse: Proof — Der Beweis. Australien 1990, 90 Minuten. Mit Hugo Weaving, Genevieve Picot, Russel Crowe, Heather Mitchell u.a.
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