Bronze für Hambüchen: Gefühlter Verlierer
Turner Fabian Hambüchen war am Reck auf Gold fixiert. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille ist er nahezu verzweifelt.
PEKING taz Einmarschieren, losturnen. Fabian Hambüchen ist als Erster dran. Antderthalb Stunden zuvor war er Vierter am Barren geworden. Da war er noch zufrieden mit sich. Endlich hatte man sie wieder einmal gesehen, die geballten Fäuste. Hat er sein Selbstvertrauen zurückgewonnen? Er muss dieses Mal vorlegen. Die anderen müssen reagieren. Ein Vorteil? Oder ein Nachteil? Vater Wolfgang Hambüchen hebt den Sohn ans Reck. Zwei Tage zuvor, als sein Bub im Bodenfinale turnte, war er bettlägrig. Ein Infekt. Jetzt steht er wieder da. Wie immer. Alles gut? Nicht einmal eine Minute später landet Hambüchen auf der Matte. Ein kleiner Diener vor den Kampfrichtern. Keine geballten Fäuste. Kein Gold. Fabian Hambüchen scheint es sofort zu spüren, dass der ganz große Sieg ausgeblieben ist. Kann er sich über Bronze denn freuen?
"Ich bin der Weltmeister im Improvisieren", hatte er nach der Qualifikation gesagt. Nach dem Kolman-Salto bekommt er diesmal die Stange zu greifen. Doch er ist zu nah am Gerät gelandet. Der Schwung fehlt. Er muss einen neuen Anlauf nehmen. Die Sicherheit ist dahin. Hambüchen würgt sich durch die Übung. Er kämpft. Der Abgang endet im sicheren Stand. Am Ende hat er 15,875 Punkte. Sein Vortrag war nicht schwierig genug. Schwierigkeitsgrad 6,8 wird ihm attestiert. Zu wenig für Gold. Neun Mal hatte er die Zauberkür mit der Schwierigkeit 7,3 in diesem Jahr bei Wettkämpfen schon geturnt. Turnt er diese Übung, ist er unschlagbar. Vater Hambüchen ist froh, dass sein Sohn nicht gemacht hat, was er während der Übung zwischenzeitlich überlegte. Er wollte einen Übungsteil aus der Zauberkür noch reinschummeln, um seine Fehler auszubügeln. "Dafür wäre das Reck zu weich hier", sagt Wolfgang Hambüchen. Zou Kai überholt seinen Sohn. Der Chinese turnt wohl die Kür seines Lebens. Auch im letzten Männerwettbewerb geht Gold an China. Sieben von acht Titeln gingen an die Chinesen.
Jetzt sitzt Fabian Hambüchen da, schüttelt den Kopf, muss zusehen, wie die anderen turnen, wie sie sich trauen, was er sich nicht zugetraut hat. Er wirkt verzweifelt. Erst als er auf das Siegerpodest steigt, kann er wieder lächeln. Als er aus der Halle geht, sagt er: "Ich war so auf Gold fixiert, dass es mir schwer fällt, mich über Bronze zu freuen." Er hat die Medaille um den Hals hängen. Er fasst sie an. "Nach dem Abgang habe ich schon gedacht, jetzt bin ich zum vierten Mal Vierter geworden hier." Vielleicht kann er sich doch schon bald freuen.
Die Kapselverletzung am Finger? Von der spricht Fabian Hambüchen nicht. Er will fair sein in der Niederlage. Er fühlt sich als Verlierer. Ohne Schmerzmittel konnte er auch gestern nicht ans Gerät. Die Verletzung ist schwerer, als Hambüchen es sagen mag. Kein Thema nach dem Wettkampf. Hambüchen erzählt, wie er dem Sieger ("Mit ihm muss man ganz langsam sprechen, damit er etwas versteht") und dem Zweitplatzierten US-Turner Jonathan Horton gratuliert hat. "Sie haben es absolut verdient." Auch Typen, die in der Niederlage Größe zeigen, lassen sich gut verkaufen, sagte Klaus Kärcher, Hambüchens Manager, in dieser Woche. Er versteht, Menschen zu inszenieren. An Anni Friesinger hat er vorexerziert, dass man sogar eine Eisschnellläuferin zum Glamorgirl stilisieren kann. Kann Hambüchen ein Star bleiben? Kärcher wird es schon schaffen, den kleinen Mann im Gespräch zu halten. Und Fabian Hambüchen? Der wird weiterturnen. Vielleicht noch lange. Der Kerl ist erst 20.
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