Britney Spears mit neuem Album: Der unvergängliche Popstar
Britney Spears ist ein Gesamtkunstwerk. Auf ihrem Album "Femme Fatale" liefert sie Discohits ab, die weder originell noch allzu langweilig sind.
Das neue Album von Britney Spears, ihr nunmehr siebtes, heißt "Femme Fatale". Das musste ja so kommen. "Sexbomb" hätte es nicht heißen können, denn das ist zu vulgär, "From Britney With Love" hätte es nicht heißen können, das ist zu blöd. "Detroit" hätte es nicht heißen können, weil darin zu wenig Sex ist.
Ihre Alben hießen sexuell aufgeladen "Baby One More Time", oder "Oops!? I Did It Again", dann, als sie schon Star war, einfach nur "Britney". "Blackout" von 2007 wiederum spielte auf ihren Karriereknick an, doch die erste Single hieß wieder "Gimme more". Das Album "Circus", das vor drei Jahren erschien, war das Album zu der Tournee, die allen zeigen sollte, dass die mittlerweile entmündigte, unbrave Tochter sich wieder zur Unterhaltungsmaschine zurückentwickelt hatte, und nun folgt eben "Femme Fatale".
Es ist ein grundsolides Album geworden, Max Martin, der ihren Welthit "Baby One More Time" produziert hatte, half wieder, doch auch will.i.am von den Black Eyed Peas, der Britney mit "Big Fat Bass" einen Stampfer auf den Leib hämmerte. Will heißen: Noch immer kann Britney Spears jeden Produzenten haben, und sie liefert mit gewohnter Schnörkellosigkeit Discohits ab, die weder originell noch allzu langweilig sind.
Dennoch müssen wir alle über das Album schreiben, denn Britney Spears ist nicht nur eine Künstlerin, sie ist ein Gesamtkunstwerk. Britney Spears kann ohne Inszenierung nicht mehr gedacht werden, der Name ist eine Marke, die Marke liefert qualitativ hochwertige, aber vergängliche Saisonware. Hinter der Marke aber steht ein unvergänglicher Popstar.
Man fragt sich ja immer, wer die Katy Perrys dieser Welt sind, sieht sie - wie Britney Spears - mit langen Beinen, tiefem Ausschnitt und großen Kuhaugen in die Welt starren, mit Smokey Eyes auf verrucht getrimmt, Haare fliegen im Wind. Pickel- und herpesfrei sind sie, und nur selten schwitzen sie - wenn sie aber schwitzen, dann zum Beleg ihrer Sportlichkeit und "harten Arbeit", selbst der Schweiß ist Teil der Inszenierung. Sie küssen Madonna auf der Bühne, aber sie haben niemals Sex vor der Ehe und können per definitionem nicht lesbisch sein.
Als die Cheerleaderin zusammenbrach, wurde sie uns ähnlich
Britney Spears hat diese Inszenierung durchbrochen wie sonst nur Amy Winehouse, indem sie dem Management aus dem Ruder lief und ihr eigener Mensch werden wollte. Zunächst heiratete sie und ließ sich sofort wieder scheiden, dann heiratete sie erneut und übte sich als zweifache Mutter und Kleinfamiliärin, was so gar nicht zu ihrer Bühnenshow passte.
Sie wurde etwas beleibter, leistete sich öffentliche Aus- und Zusammenbrüche und wurde später zwangsweise ihrem Vater und seiner Verwaltung unterstellt. Sie wurde zurückgeführt in die amerikanische Karrieristenfamilie. Der ehemalige Kinderstar, der vor seiner Weltkarriere als notgeile Cheerleaderin bereits im Disney-Club moderierte, konnte weiter ausgebeutet werden, Drogen und Alkohol wurden ihr entzogen, der Körper mit einem harten Training gestrafft.
Doch nicht ihre jetzige Schönheit, nicht ihr Gesang, nicht ihre Tänze, die sie allesamt mit einer seltsamen Unbeteiligtheit absolviert, machen Britney Spears zu dem Superstar, der sie zweifellos ist und bleiben wird, sondern eben die Geschichte ihres Ausbruchs. Erst als die Cheerleaderin zur Schlampe wurde, wurde sie uns ähnlich, erst als sie zusammenbrach, konnten wir sie erkennen.
Und wir erkennen diesen Star, der in diesem Jahr erst dreißig wird, noch immer, während wir andere Cheerleader des Jahres 1999 längst vergessen haben. Und wenn wir die ebenfalls einfach grundsolide Hitsingle "Hold It Against Me" hören, wenn wir "So if I said I want your body now / Would you hold it against me" hören, dann denken wir dieses Menschliche, das in dem vor Künstlichkeit triefenden Song nicht ist, einfach dazu. Und schon lieben wir es.
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