■ Britische Zustände nun endlich auch in Irland:: Bastard outet Staatssekretär
Dublin (taz) – Bislang sind die IrInnen stolz darauf gewesen, daß die sexuellen Praktiken und Vorlieben ihrer PolitikerInnen – anders als in Großbritannien – deren Privatsache waren. Seit Montag abend ist das vorbei. Der Staatssekretär für Wohnungsbau, Emmet Stagg, mußte öffentlich eingestehen, daß er im Mittelpunkt der sogenannten „Phoenix-Park-Kontroverse“ stehe, über die in den Medien seit drei Monaten in immer mehr Einzelheiten berichtet wurde.
Am Sonntag hieß es dann in verschiedenen Zeitungen, daß die Polizei im Dubliner Phoenix Park, der als Homosexuellen-Strich gilt, Ende vergangenen Jahres die Personalien eines „verheirateten Mitglieds der Regierungskoalition“ festgestellt habe. Der Politiker habe einen Homosexuellen bei sich im Auto gehabt. Die Medien durften wegen der Gesetze zum Schutz der Privatsphäre zwar keine Namen nennen, doch aufgrund der detaillierten Beschreibungen blieb Stagg schließlich nichts anderes übrig, als das Geheimnis, das kaum noch eins war, zu lüften. In einem emotionalen Fernsehinterview drückte er mit stockender Stimme sein „tiefes Bedauern“ vor allem gegenüber seiner Frau und seinen Kindern aus.
Der 49jährige Stagg ist mit zwölf Geschwistern auf einer Kleinfarm im Nordwesten Irlands aufgewachsen. Einer seiner Brüder, Frank Stagg, starb 1976 im Hungerstreik in Großbritannien, wo er wegen Mitgliedschaft in der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) im Gefängnis saß. Emmet Stagg hat die IRA dagegen stets verhement abgelehnt. Er gehört dem linken Flügel der Labour Party an, der er 1960 beigetreten ist. Später wechselte er zur Kommunistischen Partei, kam jedoch zu Labour zurück und wurde 1979 zum Bezirksverordneten und 1987 zum Abgeordneten gewählt. Anfang 1992 schied er aus der Fraktion aus, weil er mit den Koalitionsofferten seiner Parteispitze nicht einverstanden war. Als Labour ein Jahr später tatsächlich eine Koalition mit der konservativen Fianna Fail einging, hatte Stagg seine Meinung geändert und erhielt den Posten als Staatssekretär. Die Regierung will zunächst die öffentliche Reaktion auf die „Phoenix-Park-Kontroverse“ abwarten, bevor man über Staggs Zukunft entscheidet.
Homosexualität ist in Irland erst im vergangenen Jahr legalisiert worden. Offenbar paßt das verschiedenen Elementen in der Polizei nicht: Die Einzelheiten über Staggs Verhalten können nur von den Beamten, die damals auf Streife waren, an die Medien lanciert worden sein. Der Abgeordnete der rechten „Progressiven Demokraten“, Pat Cox, bezeichnete den verantwortlichen Polizisten als „gnadenlosen Bastard“ und verlangte vom Dubliner Polizeichef, er solle herausfinden, wer „diese Ratte ist, die das Ganze in dieser erniedrigenden und verantwortungslosen Weise an die Öffentlichkeit gezerrt“ habe. Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft verlangte von Cox, die Schimpftirade zurückzunehmen, doch der schwule Senator und Joyce-Experte David Norris pflichtete dem Abgeordneten bei. Er fügte hinzu, daß Stagg auf keinen Fall zurücktreten dürfe. Man sei schließlich nicht „in Großbritannien, wo Minister wegen privater sexueller Handlungen gehen müssen, während sie ohne Angst vor Konsequenzen mit Waffen handeln dürfen“.
Viele JournalistInnen glauben jedoch, daß die irische Presse am Scheideweg steht: Wegen der Konkurrenz durch britische Boulevardzeitungen, die nun auch Irland überschwemmen, müssen die irischen Blätter in Zukunft vielleicht ebenfalls die Bettgeschichtchen der PolitikerInnen bringen, vor deren Veröffentlichung diese bisher sicher waren. Ralf Sotscheck
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