Britische Städte in Googles "Street View": Zum Kotzen vor den Pub und ins Netz
Nun stehen auch die Straßen britischer Städte abfotografiert im Netz. Das Google-Angebot liefert Peinlichkeiten, die zum Teil wieder gelöscht werden mussten. Die Datenschützer sind alarmiert.
Vergangene Woche war Großkampftag bei Googles Kartenteam. Der Bilderdienst "Street View", der ganze Städte in Straßenansicht abfotografiert und dann als Panorama ins Internet stellt, ging in einer weiteren Region online: Großbritannien und Nordirland. Von Aberdeen in Schottland bis Southampton an der englischen Südküste sind seitdem Dutzende Städte in voller Pracht online besuchbar. Ebenfalls per Street View einzusehen sind inzwischen auch diverse Städte in Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden.
Als nächstes, glauben Beobachter, ist Deutschland dran: Großstädte wie Berlin, München, Frankfurt oder Hamburg wurden bereits im vergangenen Sommer mit speziellen Fotokompaktwagen abgefahren, auf deren Dächern sich Rundumkameras befanden. Die Daten dürften in den nächsten Monaten eingestellt werden, einen Termin nennt Google allerdings nicht. Bedenken von Datenschützern wischt Google bislang galant beiseite und beruft sich auf die Fotoerlaubnis im öffentlichen Raum.
Wer sein Bild aus "Street View" entfernen lassen will, muss Google über eine Meldefunktion kontaktieren, die sich in der linken unteren Ecke jedes Bildes befindet und leicht übersehbar ist. Dort darf man dann angeben, ob es sich um "Bedenken in Bezug auf die Privatsphäre" (explizit genannt werden "ein Gesicht", "mein Haus" sowie "mein Auto bzw. ein Autokennzeichen") oder ein anderes Problem handelt. Vorgesehen hat Google hier unter anderem "unangemessene Inhalte" (darunter auch "Nacktheit") sowie "Sonstiges", wozu neben "schlechter Bildqualität" auch Bilder gehören, die "die Sicherheit gefährden" könnten. Ein Zusatzkasten dient der genauen Beschreibung des Problems, dann darf man den Bildausschnitt noch auswählen und seine E-Mail-Adresse angeben.
Wie lange die Bearbeitung dauert, ist sehr unterschiedlich. Nach dem Aufruhr in Großbritannien wurde schnell reagiert - so ist etwa ein im Internet tausendfach herumgereichtes Bild eines sich auf der Straße entleerenden Pub-Besuchers ebenso gelöscht wie die Aufnahmen des Londoner Regierungssitzes Downing Street (die allerdings von Touristen jedes Jahr millionenfach geknipst werden). Prominente wie Ex-Ministerpräsident Tony Blair und seine Frau Cherie veranlassten die Herunternahme der Bilder ihres Wohnsitzes im Westteil Londons - was rund 24 Stunden dauerte.
Die Zeitung Independent meldete am Wochenende trotzdem noch diverse Klopfer im "Street View"-Angebot: So fanden sie unter anderem Aufnahmen nackter spielender Kinder sowie die von Besuchern von Sex-Shops. Der für Datenschutz zuständige regierungseigene "Information Commissioner" Richard Thomas hat sich inzwischen eingeschaltet, um die "düstere Seite" des neuen Google-Angebots zu untersuchen und notfalls direkt einzuschreiten.
Google betont bei der Einführung von "Street View" in einem neuen Land stets, man habe diverse Werkzeuge zur Verfügung, um die Privatsphäre Fotografierter zu schützen. So gebe es automatisierte Algorithmen, die Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich machten. Das Problem: Das funktioniert nicht immer konstant. So findet man in Großbritannien beispielsweise Aufnahmen, die zwar ein verschwommenes Kennzeichen, dafür aber ein recht gut sichtbares Gesicht aufweisen. Offensichtlich kommt die Technik mit den unterschiedlichen Kopfbewegungen, die ein Mensch nun einmal beim Laufen und Stehen ausführt, nicht immer klar. Auch hier hilft im Notfall nur, das Problem bei Google zu melden und darauf zu hoffen, dass das "Street View"-Team sich des Problems annimmt.
Es gibt allerdings auch noch radikalere Maßnahmen. So hat die Gemeinde Molfsee bei Kiel sich bereits im letzten Spätsommer entschieden, Googles Fotowagen erst gar nicht die Zufahrt zu erlauben. Begründet wird das mit einem Rückgriff auf die Straßenverkehrsordnung: Das Knipsfahrzeug benötige eine Sondernutzungserlaubnis. Noch kam es hier allerdings nicht zum Showdown: Google ignorierte die 5000-Seelen-Gemeinde bislang.
Nicht ignorieren können dürfte der Internet-Gigant allerdings den Bundesdatenschützer Peter Schaar. Und der hatte sich bereits im vergangenen Jahr mit teils harschen Worten gegen das Angebot gewendet: "Damit werden persönliche Lebensumstände noch intensiver ausgeleuchtet." Er forderte den Bundestag auf, zu beschließen, dass Geodaten nur nach vorheriger Einwilligung des Betroffenen genutzt werden dürfen. "Werden Kriminelle den Dienst nutzen, um interessante Objekte auszuspähen?", fragte Schaar. Auch sei unklar, wie sensible Einrichtungen wie etwa Frauenhäuser vor Ausforschung zu schützen seien. "Brisant wäre es auch, wenn die Bilder für Bonitätsbewertungen herangezogen würden und negative Konsequenzen bei der Kreditvergabe oder bei sonstigen Geschäftsabschlüssen hätten."
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