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Britische SpesenkriseGordon Brown im "Chaos"

Großbritanniens Abgeordnete beschränken ihre Möglichkeiten, Spesen abzurechnen. Oppositionschef Cameron attackiert Premier Brown scharf. Bei der Europawahl könnten kleine Protestparteien profitieren.

Macht mit seiner zögerlichen Haltung keine gute Figur in der Spendenaffäre: Großbritanniens Premier Brown. Bild: ap

BERLIN taz | Die Tageszeitung Daily Telegraph präsentierte auch am Mittwoch wieder der erzürnten Öffentlichkeit bisweilen bizarre Details aus den Spesenabrechnungen der britischen Parlamentarier. So hat der konservative Abgeordnete James Gray angeblich 2.000 Pfund für eine Neudekoration seines Zweitwohnsitzes geltend gemacht – am Tag als der Mietvertrag endete.

Am Mittwoch saß er mit seinen Kollegen auf den Bänken des Unterhauses, wo in einer Fragestunde im wahrsten Sinne des Wortes um die Zukunft des eigenen Berufstatndes debattiert wurde.

Am Dienstag hatten sich die Parteichefs auf schnelle Übergangsreformen der Ausgabepraxis der Abgeordneten einigen können, bevor demnächst eine unabhängige Kommission ein endgültiges Regelwerk erarbeiten soll. Das hatte am Abend Parlamentspräsident Michael Martin verkündet, der zugleich auch seinen Rücktritt erklärte.

Er ist damit der erste Unterhaussprecher seit 300 Jahren, der seinen Hut nehmen musste. Quer durch alle Parteien war man der Ansicht, er habe die Spendenaffäre zu einem großen Teil mit zu verantworten, da er sich als oberster Hausherr stets gegen den „gläsernen Abgeordneten“ ausgesprochen habe.

Labour-Fraktionssprecherin Harriet Harman konkretisierte in der Fragestunde die Reformen. Künftig sollen für Mieten und Hypotheken nur höchstens 1250 Pfund monatlich geltend gemacht werden können. Diese für einen Zweitwohnsitz abzurechnen und dann in eine andere Wohnung ode einr Haus als Zweitwohnsitz zu wechseln, um auch dort Ausgaben ersetzt zu bekommen, in Großbritannien „flipping“ genannt, soll den Abgeordneten für die Jahre 2009 und 2010 verboten werden. Die Erstattung von Ausgaben für Möbel oder Reinigungsarbeiten soll in Zukunft entfallen.

Herrschte bei den Abgeordneten noch Einigkeit, dass der massive Schaden, den der Spesenskandal ihrem Ansehen bei der Bevölkerung zugefügt hat, schnellstmöglich beseitigt werden sollte, beharkten sich in der Frage nach dem Zeitpunkt der nächsten Wahlen Regierung und Opposition aufs Heftigste.

So wies der konservative Oppositionsführer David Cameron geradezu genüsslich daraufhin, dass Premier Gordon Brown praktisch seine Hosen fallen gelassen habe. „Hier ist es“, sagte er. „das erste Eingeständnis, dass er davon ausgeht, die nächsten Wahlen zu verlieren.“ Cameron meinte die Aussage Browns, dass Parlamentswahlen zum jetzigen Zeitpunkt „Chaos“ auslösen würden.

Mit „Chaos“, entgegnete ein sichtlich angespannter Brown, habe er die angekündigten Einschnitte in den Staatshaushalt, den die Konservativen nach einem Wahlsieg vornehmen würden, gemeint. Doch hinter dieser Behauptung verbirgt sich wohl nicht nur die Furcht vor der wahrscheinlichen Niederlage.

Der Wahlkampf könnte schon zu einem organisatorischen Desaster werden, da viele Labour-Aktivisten mit ihrer eigenen Partei hadern und auch keine Lust haben sich für sie dem Spießrutenlauf eines Straßenwahlkampfs auszusetzen.

Die Umfragen sehen die Konservativen in der Wählergunst noch immer weit vor der Regierungspartei. Doch in ihren Reihen finden sich mindestens genauso viele Spesenritter wie bei Labour, weshalb auch ihre Werte gesunken sind. Die bevorstehenden Europawahlen sind ein erster Test dafür, in welchem Maße die kleinen Protestparteien vom allgemeinen Politikverdruss in einer Zeit der tiefen Rezession profitieren.

Trotz Mehrheitswahlrecht ist es nicht ausgeschlossen, dass einige ihrer Vertreter es ins Unterhaus schaffen könnten. So hatte zum Beispiel beim letzten Urnengang der Labour-Abtrünnige George Galloway mit „Respect“, deren Agenda hauptsächlich die Gegnerschaft zum Irak-Krieg war, im Londoner Wahlkreis Bromley and Bow Labour das Mandat abgejagt. Diesmal droht womöglich mehr Gefahr von rechts: von den Rechtspopulisten der europafeindlichen Partei UKIP oder gar von der rassistischen British National Party. Das könnte Brown auch unter „Chaos“ verstanden haben.

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