Briefe aus der „Reichshauptstadt“

Post ist verpflichtet, auch rechtsextreme Sendungen zu befördern / Nur bei Straftatbestand unzustellbar / Gewerkschaft fordert rechtliche Handhabe gegen ausländerfeindliche Pamphlete  ■ Von Martin Böttcher

Die beiden Angestellten der Post waren bedient: Auf einer Postkarte, die auf den ersten Blick ganz harmlos wirkte, offenbarten zwei männliche Absender aus Berlin (ohne Adresse) ihre rechtsextreme Gesinnung. Sie schickten „aus Anlaß der hoffentlich erneut in der Reichshauptstadt stattfindenden Olympischen Spiele“ viele Grüße an ihren mit „HJ“ bezeichneten Bekannten in „Wien – Ostmark“. In dem Gefühl, „gegen die immer dreister werdenden Nazis vollkommen machtlos zu sein“, wandten sich die beiden Postler an die taz, beklagten sich darüber, „rechtsextreme Postkarten weiterbefördern zu müssen“.

Die rechtliche Regelung läßt der Post bei der Beförderung von rechtsextremer Post kaum Spielraum. Andreas Scherfke, Berliner Pressesprecher des Postdienstes, verweist darauf, daß die Post grundsätzlich verpflichtet sei, jede Art von Brief zu transportieren. Lediglich Sendungen, die gegen strafrechtliche Bestimmungen, zum Beispiel bei Volksverhetzung, verstoßen, seien als unzustellbar zu behandeln und an den Absender zurückzuschicken. Dies könne aber nur in strafrechtlich eindeutigen Fällen geschehen. In Fällen, die nicht eindeutig strafrechtlich relevant seien, sagt Scherfke, „wird im Regelfall weiterbefördert, da es der Post nicht zuzumuten ist, diese schwierigen Entscheidungen zu fällen“. Die Prüfung bei Einzelfällen sei deshalb eher die Ausnahme, einzelne Sendungen, die Straftatbestände erfüllten, würden nur selten und durch Zufall entdeckt.

Norbert Schäfer, Bonner Pressesprecher des Postdienstes, kann Briefträger, Sortierer und Schalterbeamte verstehen, die rechtsextreme Sendungen nicht transportieren wollen. Aber: „Die Post kann keine Zensurstelle sein.“ Schäfer verweist auf 54 Millionen Briefe, die die Post täglich transportiere, „einzelne Sendungen können wir da nicht kontrollieren, aber das sind auch nicht die Dinge, die uns interessieren.“ Vielmehr sei man bei Massenlieferungen von 10.000 oder 100.000 Stück auf der Hut, besonders am Hauptsitz rechtsextremer Parteien. Doch auch hier müsse eine Straftat vorliegen, um die Beförderung verweigern zu können.

Diese Bestimmungen sind der Postgewerkschaft zu lasch. Sie verlangt gemeinsam mit dem Vorstand des Postdienstes von der Bundesregierung, die Postdienstverordnung zu ändern, „um Fremdenfeindlichkeit zu begrenzen und die Briefzusteller von schwierigen Zwangslagen zu befreien“. Außerdem brauche man eine klare rechtliche Handhabe gegen rechtsextreme und ausländerfeindliche Pamphlete.

Dazu, sagte ein Gewerkschaftssprecher in Frankfurt, müsse lediglich die Anti-Rassismus-Konvention der UNO von 1969, die auch die Bundesrepublik unterzeichnet habe, in die Dienstverordnung aufgenommen werden. Damals verpflichtete man sich, „nicht zuzulassen, daß staatliche Behörden die Rassendiskriminierung fördern oder dazu aufreizen“. Bei einer Änderung der Verordnung könnten dann auch Briefsendungen, die „im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland stehen“, von der Beförderung ausgeschlossen werden. Und mit etwas gutem Willen wäre es dann wohl auch möglich, Briefe und Karten aus der „Reichshauptstadt“ in die „Ostmark“ aus dem Verkehr zu ziehen.