Briefe an Muschi: Ist mir doch alles wurscht
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (CSU) an seine Gattin Karin, genannt "Muschi". Heute: Mit präsidialer Strategie an die Spitze des Staates.
Verehrte Muschi!
Ich schreibe Dir diese Zeilen, weil Du Dich schon einmal vorbereiten kannst und was Gescheites zum Anziehen kaufen solltest, weil Du bald die First Lady sein wirst, nicht nur von Bayern, sondern von ganz Deutschland, weil ich nämlich doch noch Bundespräsident werde, und da sollen die Leute nicht glauben, wir könnten uns nichts zum Anziehen leisten. Die Sache kommt jetzt ins Rollen und es ist wichtig, dass Du genau über die Strategie Bescheid weißt, weil es sonst nichts wird, und dann bist Du schuld, und das vergesse ich Dir nie. Die Strategie habe ich mir gemeinsam mit dem Söder ausgedacht, und es ist so schon unsicher genug. Aber es ist ein genialer Plan, weil er in Grundzügen von mir stammt.
Und jetzt pass gut auf, weil der Plan geht so: Zuerst sagt die Christa Stewens in der Bild, dass ich ein hervorragender Nachfolger für den Köhler wäre, aber, und das ist ganz wichtig, nur wenn der Köhler nicht mehr zur Verfügung steht für eine zweite Amtszeit. Ich habs genau mit ihr eingeübt und sie hats auch ganz gut hinbekommen, das Interview. Irgendwas hat sie ja schon gelernt als Ministerin in meinem Kabinett: Sie kann jetzt fehlerfrei nachsprechen, was ich gesagt habe, und das ist eine große pädagogische Leistung von mir. Dann wiederholen das irgendwelche Deppen aus der dritten und vierten Reihe. Hast Du zum Beispiel gewusst, dass wir in der Landtagsfraktion einen Bernd Weiß haben? Ich auch nicht, bis ihn der Söder zu mir ins Büro gebracht hat. Jedenfalls hat er seinen Spruch gut auswendig gelernt: dass ich der Anwalt der kleinen Leute wäre nämlich. Im Gegenzug will dieser Weiß ins Kabinett, ist zwar eine Unverschämtheit, aber ich hab ihm einen Posten versprochen beim Beckstein als Justizminister, ist mir doch eh alles wurscht. Als Nächstes kommt dann der Ernst Hinsken, Du wirst nicht wissen, wer das ist, aber das ist der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung und, stell Dir vor, der ist in der CSU. Es hat mich auch überrascht. Jedenfalls sagt der dann, dass es noch gar nicht so sicher ist, dass der Köhler sein eigener Nachfolger wird und dass das "wohlüberlegt" sein müsste. An dem "wohlüberlegt" kannst Du schon sehen, dass ich mir das ausgedacht habe, so ein Wort kennt dieser Hinsken gar nicht, wenn ich es ihm nicht aufschreibe. Jedenfalls, der wird dann Europaminister beim Beckstein, das ist mir grad gleich wurscht.
So, und jetzt sind schon mal drei Sachen klar in der Öffentlichkeit. Erstens: Ich könnte es. Zweitens: Ich wäre viel sozialer als der großkopferte Köhler. Und drittens: Ob der wiedergewählt wird von der CSU, das ist längst keine ausgemachte Sache.
Und jetzt kommt die geniale Wendung, wie sie sich nur einer wie ich ausdenken kann. Die Öffentlichkeit fragt dann nämlich mich, ob ich das machen will. Und ich sage dann: nein.
Du denkst Dir vielleicht, dann kann ich doch nicht Präsident werden, aber das zeigt nur, dass Du zu kurz denkst und halt doch nur eine Frau bist. Denn freilich kann ich dann Präsident werden, sogar mehr als zuvor. Weil erstens ist die Öffentlichkeit es schon gewöhnt, dass meine Worte nicht verstanden werden können wie die von irgendeinem Dahergelaufenen, sondern dass es durchaus sein kann, dass, wenn ich sage, dass ich etwas mache, ich es dann doch nicht mache, und wenn ich sage, dass ich etwas nicht mache, dann kann das ohne weiteres bedeuten, dass ich es dann doch noch mache, quasi erst recht und wie es mir beliebt. Weil ein Genie unberechenbar ist, und die Merkel hat das auch schon lernen müssen. Außerdem füge ich noch hinzu, dass ich damals den Köhler ausgewählt habe, und damit ist ja wohl alles gesagt darüber, wer das Sagen hat.
Und zweitens ist es viel besser, wenn ich sage, dass ich es nicht mache, weil ein Staatsmann meiner Größe nicht von sich aus nach Ämtern giert, sondern sie werden an ihn herangetragen von der Stewens, dem Weiß und dem Hinsken, und irgendwann kann auch die Merkel nicht mehr anders, weil sie der geballte Wille des Volkes unter Zugzwang setzt.
Ich hoffe, Du hast das verstanden. Und jetzt ist es ganz wichtig, wenn Dich jemand fragt, ob Du First Lady werden möchtest, von der Bunten oder der Frau im Spiegel, dass Du dann sagst, Du weißt es noch nicht, weil Du mich noch nicht gefragt hast, aber Du könntest Dir vorstellen, dass ich dafür geeignet wäre, weil ich so ein liebevoller Familienvater bin und warum denn nicht auch ein Landesvater, also ein Deutschlandesvater gewissermaßen, aber nur, wenn ich will. Merk Dir das. Und versau es bloß nicht.
Es grüßt Dich
Dr. Edmund Stoiber
Ministerpräsident
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