piwik no script img

Bremse für den Sommersmog

■ Norddeutsche Länder wollen Tempolimits und Fahrverbote bei Ozonalarm

Wir können auch anders, dachte sich der Staatsrat: Wer bei Ozonalarm in diesem Sommer nicht den Bleifuß vom Gas nimmt, der muß mit Bußgeldern rechnen. Diese Abkehr von der bisherigen Politik des guten Willens verkündete gestern Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern. Von der Nichtbeachtung des Tempolimits am vergangenen Wochenende sei er „einigermaßen entsetzt“: In Zukunft werde es also bei Ozonalarm Radarkontrollen und auch Bußgelder geben.

An diese Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit werden sich die norddeutschen AutofahrerInnen gewöhnen müssen: Denn bei der Konferenz der Landes-UmweltministerInnen, die heute in Dessau beginnt, wollen Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt eine Ozonverordnung beschließen, die die Bremer Regelung wesentlich verschärft: Ab 1996 soll statt wie bisher bei 215 Mikrogramm (mg) Ozonalarm bereits bei 180 mg ausgelöst werden: Dann gelten Tempolimits (90 km/h auf der Autobahn, 60 auf der Landstraße) und ab 240 mg Fahrverbote in den Städten mit Ausnahme von Autos mit 3-Wege-Kat, „sauberen“ Dieseln oder Wirtschaftsverkehren. „Wir gehen davon aus, daß ein Tempolimit bei Alarmstufe 1 den Anstieg der Ozonbildung so verlangsamt, daß es in den meisten Fällen gar nicht erst zur Alarmstufe 2 kommt“, meinte Morgenstern.

Die geplante Verordnung erfüllt die alte Forderung nach einer länderübergreifenden Koperation bei der Bekämpfung des Sommersmogs. Sie enthält die strengeren Grenzwerte, die vor einem Jahr die Bremer Umweltbehörde für eine Ozonverordnung vorgeschlagen hatte, dann aber im Verbund mit Niedersachsen erhöhen mußte. Nach wie vor soll der Bremer Ozonalarm an die Meßstellen im niedersächsichen Umland gekoppelt bleiben, betonte Morgenstern. Zusammen mit Niedersachsen könnten in Bremen Tempolimits und mögliche Fahrverbote auch überwacht und per Bußgeldkatalog durchgesetzt werden. Bei der Drohung mit Bußgeld sind sich die norddeutschen Länder allerdings nicht einig: Schleswig-Holsteins Umweltministerin Edda Müller erklärte gestern, für Bußgelder gebe es keine Rechtsgrundlage. Zur Information der Bevölkerung reicht laut Morgenstern der Ozonalarm über die Medien und Transparente an Autobahnbrücken aus: „Es wäre katastrophal für die Haushalte der Länder und Kommunen, wenn wir jedesmal beim Ozonalarm Schilder auf- und wieder abbauen müßten.“

Für den BUND-Verkehrsexperten Peter Müller ist die geplante Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung. „Wir sollten aber über noch niedrigere Werte diskutieren, denn die Weltgesundheitsorganisation nennt schon 120 mg bedenklich“, meint Müller

Noch ist die gemeinsame Ozonverordnung allerdings nicht in trockenen Tüchern: Die norddeutschen Länder wollen sich zusammentun, weil es für diese schärfere Variante der Verordnung keine Einigkeit zwischen den Ländern und – trotz eines gegenteiligen Versprechens – auch keine Basis mehr mit dem Bund gibt. Die norddeutsche Ozonverordnung muß nach einer Absprache in Dessau erst noch die Länderkabinette passieren – und zwar im Sommer, wenn draußen die Ozonwerte steigen. bpo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen