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Bremische Dekonstruktionen Bremen

■ Die Reihe „Für Sieh“ in der Schlachhof- Galerie zeigt mit „Enthüllungen“ Kunst von Frauen

„Enthüllungen“ gibt es derzeit in der Schlachthof-Galerie zu sehen. Aber nicht solche des Körpers, sondern als Einblicke in die Produktionsstätten von Künstlerinnen. Zum Beispiel in Form von fünf an der Wand hängenden Kästen, in denen sich hinter ausgeschnittenen Fenstern miniformatige Szenen aus dem Atelier von Marita Schlicker zeigen. Obwohl sehr grazil, geht von der entschlossenen Strichführung dieser Zeichnungen eine überraschende Kraft aus. Teils an Stilleben, teils an japanische Federzeichnungen erinnernd, überzeugt diese Bilderserie noch am ehesten in einer Ausstellung, die bereits die vierte in der Reihe „Für Sieh“ ist.

Initiatorin Marion Hövelmeyer versteht die Reihe als eine Art Forschungsprojekt, bei dem in sieben aufeinander folgenden Ausstellungen der Zusammenhang von künstlerischer Arbeit und weiblicher Identität hinterfragt werden soll. Dies aber nicht etwa im Sinne einer Suche nach der „weiblichen Ästhetik“, die Hövelmeyer und die meisten der teilnehmenden Künstlerinnen ohnehin für einen Mythos halten, sondern mit dem Ziel einer Dekonstruktion der vorhandenen Klischees durch möglichst unterschiedliche und freche Positionen.

Letzteres sucht man in der aktuellen Ausstellung zwar vergeblich, aber schließlich gab's ja schon Provozierenderes bei „Für Sieh“. Beispielsweise „The Dildas oder die Töchter der Aufklärung“ und weitere Persiflagen auf erotischen Frauenbilder, wie sie die vorletzte Ausstellung präsentierte. Oder die Fotoarbeit von Claudia Pilsl: Mit Löchern in den Innenaufnahmen vom Kölner Museum Ludwig wies sie darauf hin, daß der Anteil der dort gezeigten Arbeiten von Künstlerinnen bei Null Prozent liegt – was sich zumindest tendenziell auf den gesamten Kunstbetrieb übertragen läßt.

Weil ein Forschungsprojekt kein solches wäre, wenn es nur Ausstellungen präsentierte, gibt's im Schlachthof noch ein soziokulturelles Beiprogramm mit Lesungen, Diavorführungen, Künstlerinneninterviews und wissenschaftlichen Vorträgen, zu denen Marion Hövelmann Referentinnen wie Noemi Smolik und Prof. Dr. Sigrid Schade-Tholen gewinnen konnte.

Moritz Wecker

„Enthüllungen“ in der Reihe „Für Sieh“, Schlachthof-Galerie, bis 18.6. Die Reihe läuft noch bis zum 1.10.

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