: Bremer mögen Grünen Punkt nicht
■ Grüner Punkt zu selten auf Plastik-Einkaufstüten
Das Duale System Deutschland (DSD) hat gemosert: Nur auf rund einem Drittel der im Einzelhandel verwendeten Tüten sei der Grüne Punkt aufgedruckt. In Bremen wird nach Hochrechnungen des Kölner Unternehmens sogar nur für 20 Prozent der Plastik-Tüten mit dem Grünen Punkt auch der Entsorgungsbeitrag bezahlt.
Ein Probegang durch die Lloyd-Passage in der Bremer Innenstadt bestätigt das DSD: Bäckerei und Inneneinrichtungsstudio, Rasierapparategeschäft und Klamottenladen befinden sich in guter Nachbarschaft. Keines der Geschäfte hat den Grünen Punkt auf dem Tragebeutel. Die zieren zwar allerlei Hinweise auf „abbaubares Deponieverhalten“ und umweltfreundliche Zusammensetzung, doch Abgaben werden für die Tüten nicht entrichtet. Ein Tabakhändler meint, daß „der Grüne Punkt eh stuß ist“ und benutzt die von Zigarettenherstelllern verteilten Tütchen ohne Punkt.
Konsumgüterhersteller, Verpackungsindustrie und Handel haben die „DSD-Gesellschaft für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffgewinnung“, gegründet. Alle in ihr zusammengeschlossen Firmen entrichten Gebühren, dafür sammelt das DSD die Verpackungen ein, sortiert und verwertet sie. In Bremen müssen BürgerInnen ihre Plastik- und Metall-Verpackungen in den gelben Sack stecken - bezahlt wird für diese getrennte Sammlung aber nur durch den grünen Punkt. Die nicht gekennzeichneten Tüten vom letzten Einkaufstrip oder Schlachters Wurstfolie werden unentgeldlich mitgesammelt. „Das System funktioniert solidarisch“, sagt Martina Kreck, Pressesprecherin beim DSD. „Es geht nicht, daß einige zahlen und andere mitentsorgt werden“.
Der Schwindel fällt auf den Fließbändern der Entsorgungs-Firmen auf: Da tummelten sich reichlich nicht gekennzeichnete „Serviceverpackungen“, wie die Tüten im Verordnungsdeutsch heißen. Nur für ein Drittel der 300.000 Tonnen Serviceverpackungsmüll in der BRD sollen Lizenzen bezahlt werden, hat das DSD hochgerechnet. Dem Unternehmen gehen so jährlich 300 Millionen Mark flöten. Rechtliche Schritte kann das umstrittene DSD aber nicht einleiten: „Wir können nur darauf hinweisen, daß Unternehmen zur Rücknahme verpflichtet sind“, sagt Martina Kreck.
Deswegen winkt DSD jetzt mit dem Zeigefinger. Vor allem die Hersteller von Tüten, Folien, Pappschalen und anderem Verpackungsschrott sollen sich dem DSD anschließen. Die Lizenzgebühren für die Verpackungen machen die Ware teurer. Geschäftsführer Krauß vom Einzelhandelsverband Nordsee Bremen meint, daß „kleine Händler sich das nicht leisten können“.
Andererseits achten Kunden auf den Grünen Punkt: „Der Markt hat den funktionsfähig gemacht“. Verpackte Ware ohne den Grünen Punkt sei praktisch nicht verkaufsfähig, weiß Krauß. Vielen VerbraucherInnen gilt das Symbol als Garant für ökologisch sinnvolle Verpackung. Doch Krauß gibt zu: „Es ist nicht das bestmögliche System“. Offensichtlich ist auch beim Einzelhandelsverband die Kritik der Öko-Verbände auf fruchtbaren Boden gefallen: Besser als zu sammeln und zu sortieren ist immer noch das Vermeiden. fok
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